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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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bezeichnen wenigstens die Stätte, wo Dekeleia, die alte Zwingburg der Spar¬
taner, einst Jahrelang das attische Land beherrschte.

Mitte März waren sämmtliche Vorarbeiten beendigt und ergaben in ihrem
Zusammenhange die für die Triangulation geeigneten Punkte, das gesammte
Dreiecksnetz. Eine kaum durchführbare Arbeit würde es nun sein, wollte man
zur Bestimmung eines solchen Netzes alle Winkel und zugleich auch alle Seiten
direkt messen. Dessen bedarf es aber auch nicht. Die Trigonometrie lehrt ja, wie
man die sämmtlichen Seiten und somit alle Netzpunkte bestimmen kann, sobald
man nur die Länge einer einzigen Seite und außerdem die Winkel kennt, welche
die einzelnen Dreiecke einschließen. Dadurch reduzirt sich die Arbeit der Netz¬
bestimmung auf zwei Aufgaben. Die erste, die sogenannte Basismessung, be¬
steht darin, eine für den beabsichtigten Zweck geeignete Strecke auf dem Terrain
direkt zu messen. Diese, beiläufig eine der schwierigsten und heikelsten Auf¬
gaben, welche die Praxis bietet, muß mit allen Mitteln, welche die Wissenschaft
jetzt an die Hand gibt, ausgeführt werden, damit strengste Genauigkeit erreicht
wird. Fehler in der Basismessung können, selbst wenn sie nur Bruchtheile
eines Meters betragen, das Endresultat so beeinflussen, daß die ganze Arbeit
wissenschaftlich werthlos und praktisch unbrauchbar wird. Bereits im Jahre 1875
war eine solche, etwa 1 Kilometer lange Basis, unweit der Stadt an der
Eisenbahn gelegen, durch Herrn.Kaupert persönlich gemessen worden, die den
Winkelmessungen zu Grunde gelegt wurde. Die letztere Aufgabe blieb noch
zu erledigen.

Zu Winkelmessungen pflegt man bekanntlich den Theodolith zu benutzen,
ein Instrument, welches, mit Fernrohr und fein getheilten: Kreise versehen, und
mit allen den Vorrichtungen ausgestattet, welche die moderne Technik zur Er¬
langung größter Schürfe der Beobachtung gewährt, sowohl in horizontalem
wie in vertikalen Sinne die Winkel verschiedener Objekte, vom jedesmaligen
Standpunkte aus zu bestimmen gestattet. Um nun die gewählten Dreiecks¬
punkte auf dem Terrain kenntlich zu machen, wurden genau über ihnen Stein¬
pyramiden errichtet, deren Spitzen als Signale dienten. Diese, mit Kalk be-
strichen, gaben selbst auf meilenweite Distanzen deutlich erkennbare Visirpunkte.

Der Bau solcher Pyramiden würde wegen Mangel an geeignetem Material
auf Schwierigkeiten gestoßen sein, wenn nicht die Geschicklichkeit eines Spar¬
taners ausgeholfen Hütte. Bei den fortwährenden Reibereien der aus christ¬
lichen und mohammedanischen Elementen gemischten Bevölkerung jener Gegenden,
die selbst mitten im Frieden oft in offene Fehde ausarten, mochte er Gelegen¬
heit gefunden haben, sich in der Kunst der Feldverschanzung, insbesondere im
Bau von Pyramiden, die man gelegentlich zur Deckung benutzt, eine besondere
Fertigkeit anzueignen. "Welcher Spartaner verstände nicht, eine Pyramide zu


bezeichnen wenigstens die Stätte, wo Dekeleia, die alte Zwingburg der Spar¬
taner, einst Jahrelang das attische Land beherrschte.

Mitte März waren sämmtliche Vorarbeiten beendigt und ergaben in ihrem
Zusammenhange die für die Triangulation geeigneten Punkte, das gesammte
Dreiecksnetz. Eine kaum durchführbare Arbeit würde es nun sein, wollte man
zur Bestimmung eines solchen Netzes alle Winkel und zugleich auch alle Seiten
direkt messen. Dessen bedarf es aber auch nicht. Die Trigonometrie lehrt ja, wie
man die sämmtlichen Seiten und somit alle Netzpunkte bestimmen kann, sobald
man nur die Länge einer einzigen Seite und außerdem die Winkel kennt, welche
die einzelnen Dreiecke einschließen. Dadurch reduzirt sich die Arbeit der Netz¬
bestimmung auf zwei Aufgaben. Die erste, die sogenannte Basismessung, be¬
steht darin, eine für den beabsichtigten Zweck geeignete Strecke auf dem Terrain
direkt zu messen. Diese, beiläufig eine der schwierigsten und heikelsten Auf¬
gaben, welche die Praxis bietet, muß mit allen Mitteln, welche die Wissenschaft
jetzt an die Hand gibt, ausgeführt werden, damit strengste Genauigkeit erreicht
wird. Fehler in der Basismessung können, selbst wenn sie nur Bruchtheile
eines Meters betragen, das Endresultat so beeinflussen, daß die ganze Arbeit
wissenschaftlich werthlos und praktisch unbrauchbar wird. Bereits im Jahre 1875
war eine solche, etwa 1 Kilometer lange Basis, unweit der Stadt an der
Eisenbahn gelegen, durch Herrn.Kaupert persönlich gemessen worden, die den
Winkelmessungen zu Grunde gelegt wurde. Die letztere Aufgabe blieb noch
zu erledigen.

Zu Winkelmessungen pflegt man bekanntlich den Theodolith zu benutzen,
ein Instrument, welches, mit Fernrohr und fein getheilten: Kreise versehen, und
mit allen den Vorrichtungen ausgestattet, welche die moderne Technik zur Er¬
langung größter Schürfe der Beobachtung gewährt, sowohl in horizontalem
wie in vertikalen Sinne die Winkel verschiedener Objekte, vom jedesmaligen
Standpunkte aus zu bestimmen gestattet. Um nun die gewählten Dreiecks¬
punkte auf dem Terrain kenntlich zu machen, wurden genau über ihnen Stein¬
pyramiden errichtet, deren Spitzen als Signale dienten. Diese, mit Kalk be-
strichen, gaben selbst auf meilenweite Distanzen deutlich erkennbare Visirpunkte.

Der Bau solcher Pyramiden würde wegen Mangel an geeignetem Material
auf Schwierigkeiten gestoßen sein, wenn nicht die Geschicklichkeit eines Spar¬
taners ausgeholfen Hütte. Bei den fortwährenden Reibereien der aus christ¬
lichen und mohammedanischen Elementen gemischten Bevölkerung jener Gegenden,
die selbst mitten im Frieden oft in offene Fehde ausarten, mochte er Gelegen¬
heit gefunden haben, sich in der Kunst der Feldverschanzung, insbesondere im
Bau von Pyramiden, die man gelegentlich zur Deckung benutzt, eine besondere
Fertigkeit anzueignen. „Welcher Spartaner verstände nicht, eine Pyramide zu


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[0138] bezeichnen wenigstens die Stätte, wo Dekeleia, die alte Zwingburg der Spar¬ taner, einst Jahrelang das attische Land beherrschte. Mitte März waren sämmtliche Vorarbeiten beendigt und ergaben in ihrem Zusammenhange die für die Triangulation geeigneten Punkte, das gesammte Dreiecksnetz. Eine kaum durchführbare Arbeit würde es nun sein, wollte man zur Bestimmung eines solchen Netzes alle Winkel und zugleich auch alle Seiten direkt messen. Dessen bedarf es aber auch nicht. Die Trigonometrie lehrt ja, wie man die sämmtlichen Seiten und somit alle Netzpunkte bestimmen kann, sobald man nur die Länge einer einzigen Seite und außerdem die Winkel kennt, welche die einzelnen Dreiecke einschließen. Dadurch reduzirt sich die Arbeit der Netz¬ bestimmung auf zwei Aufgaben. Die erste, die sogenannte Basismessung, be¬ steht darin, eine für den beabsichtigten Zweck geeignete Strecke auf dem Terrain direkt zu messen. Diese, beiläufig eine der schwierigsten und heikelsten Auf¬ gaben, welche die Praxis bietet, muß mit allen Mitteln, welche die Wissenschaft jetzt an die Hand gibt, ausgeführt werden, damit strengste Genauigkeit erreicht wird. Fehler in der Basismessung können, selbst wenn sie nur Bruchtheile eines Meters betragen, das Endresultat so beeinflussen, daß die ganze Arbeit wissenschaftlich werthlos und praktisch unbrauchbar wird. Bereits im Jahre 1875 war eine solche, etwa 1 Kilometer lange Basis, unweit der Stadt an der Eisenbahn gelegen, durch Herrn.Kaupert persönlich gemessen worden, die den Winkelmessungen zu Grunde gelegt wurde. Die letztere Aufgabe blieb noch zu erledigen. Zu Winkelmessungen pflegt man bekanntlich den Theodolith zu benutzen, ein Instrument, welches, mit Fernrohr und fein getheilten: Kreise versehen, und mit allen den Vorrichtungen ausgestattet, welche die moderne Technik zur Er¬ langung größter Schürfe der Beobachtung gewährt, sowohl in horizontalem wie in vertikalen Sinne die Winkel verschiedener Objekte, vom jedesmaligen Standpunkte aus zu bestimmen gestattet. Um nun die gewählten Dreiecks¬ punkte auf dem Terrain kenntlich zu machen, wurden genau über ihnen Stein¬ pyramiden errichtet, deren Spitzen als Signale dienten. Diese, mit Kalk be- strichen, gaben selbst auf meilenweite Distanzen deutlich erkennbare Visirpunkte. Der Bau solcher Pyramiden würde wegen Mangel an geeignetem Material auf Schwierigkeiten gestoßen sein, wenn nicht die Geschicklichkeit eines Spar¬ taners ausgeholfen Hütte. Bei den fortwährenden Reibereien der aus christ¬ lichen und mohammedanischen Elementen gemischten Bevölkerung jener Gegenden, die selbst mitten im Frieden oft in offene Fehde ausarten, mochte er Gelegen¬ heit gefunden haben, sich in der Kunst der Feldverschanzung, insbesondere im Bau von Pyramiden, die man gelegentlich zur Deckung benutzt, eine besondere Fertigkeit anzueignen. „Welcher Spartaner verstände nicht, eine Pyramide zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/138>, abgerufen am 29.12.2024.