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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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bauen?" gab er auf die Frage, wie er diese Kunst erlernt, zur Antwort, und
in der That wußte er sie mit solcher Meisterschaft und Schnelligkeit auszu¬
üben, daß schon gleichzeitig mit den Rekognoszirungs-Arbeiten sämmtliche Punkte
mit Signalen versehen werden konnten. Weit schwieriger als der Bau war
die Erhaltung derselben während der Dauer der Beobachtungen. Von Seiten
der Regierung war kein Schutz zu erwarten. Wie sollte man also die einzelnen
Stationen, namentlich die entlegeneren oder solche im Gebirge überwachen, um
Beschädigungen oder Zerstörung rechtzeitig verhindern zu können? Wirklich
ließen auch Exzesse, besonders da, wo die Signale in der Nähe der Ortschaften
lagen, nicht lange auf sich warten. Die Neuheit der Sache reizte die Neugier
des Landvolkes. Man kam, man erkundigte sich und fragte: "Was bedeutet
das? warum baut man die Pyramide?" Jedenfalls mußte ein Schatz da
vergraben liegen. Denn die Kunde von den Funden von Mykenä ist längst
auch unter das Landvolk gelangt und hat auch da nicht geringe Aufregung
hervorgerufen. Abends in der Stille zog also Jung und Alt mit Hacken und
Spaten hinaus, um in größter Eile alles zu zerstören, was die mühsame Tages¬
arbeit geschaffen, und uach allen Richtungen hin das Erdreich zu durchwühlen.
Man hätte verzweifeln mögen. Ohne Signale war es absolut unmöglich, die
Arbeit fortzusetzen. Schließlich gelang es, durch einen kleinen Kunstgriff die
Behörden in's Interesse zu ziehen. Dem Vorsteher des Bezirks oder des
nächsten Orts, dem Demarchos, wie er sich nennt, wurde im Vertrauen ange¬
deutet, daß die fraglichen Signale keineswegs schon die wahren Fundorte, son¬
dern nur gewisse Stellen bezeichneten, deren man zur Ermittelung jener auf
Grund der anzustellenden Beobachtungen bedürfe. Jetzt leuchtete selbstver¬
ständlich die Wichtigkeit der Erhaltung der Pyramiden ein. Gewöhnlich wurde
auch ein gewisser Antheil am Gewinn in Aussicht gestellt und zur Stärkung
gegenseitigen Vertrauens eine kleine Geldsumme gezahlt. Dies hatte regelmäßig
den gewünschten Erfolg. Schließlich würden alle zum Schutz der Signale er¬
griffenen Maßregeln auf die Dauer unzulänglich gewesen sein, wenn nicht
anderweitige Merkmale unter dem Erdboden angebracht worden wären, so daß
man jederzeit, auch wenn die Pyramiden wirklich zerstört wurden, im Stande
war, den trigonometrischen Punkt, welchen sie bezeichneten, wiederzuerkennen.

Fast noch wichtiger aber war die Frage hinsichtlich des Transportes des
Instrumentes nach und von der jedesmaligen Station. Wer sollte es über¬
nehmen, über die Felsen und Klippen hinweg ein Instrument zu transportiren,
welches bei der geringsten Erschütterung derart beschädigt werden kann, daß
alle Beobachtungen illusorisch werden? Auch in dieser Verlegenheit bot sich
unverhoffte Hilfe in der Person eines Sulioten. Im Allgemeinen pflegt man
ja das Räuberhandwerk nicht gerade als Empfehlung anzusehen, doch wurden


bauen?" gab er auf die Frage, wie er diese Kunst erlernt, zur Antwort, und
in der That wußte er sie mit solcher Meisterschaft und Schnelligkeit auszu¬
üben, daß schon gleichzeitig mit den Rekognoszirungs-Arbeiten sämmtliche Punkte
mit Signalen versehen werden konnten. Weit schwieriger als der Bau war
die Erhaltung derselben während der Dauer der Beobachtungen. Von Seiten
der Regierung war kein Schutz zu erwarten. Wie sollte man also die einzelnen
Stationen, namentlich die entlegeneren oder solche im Gebirge überwachen, um
Beschädigungen oder Zerstörung rechtzeitig verhindern zu können? Wirklich
ließen auch Exzesse, besonders da, wo die Signale in der Nähe der Ortschaften
lagen, nicht lange auf sich warten. Die Neuheit der Sache reizte die Neugier
des Landvolkes. Man kam, man erkundigte sich und fragte: „Was bedeutet
das? warum baut man die Pyramide?" Jedenfalls mußte ein Schatz da
vergraben liegen. Denn die Kunde von den Funden von Mykenä ist längst
auch unter das Landvolk gelangt und hat auch da nicht geringe Aufregung
hervorgerufen. Abends in der Stille zog also Jung und Alt mit Hacken und
Spaten hinaus, um in größter Eile alles zu zerstören, was die mühsame Tages¬
arbeit geschaffen, und uach allen Richtungen hin das Erdreich zu durchwühlen.
Man hätte verzweifeln mögen. Ohne Signale war es absolut unmöglich, die
Arbeit fortzusetzen. Schließlich gelang es, durch einen kleinen Kunstgriff die
Behörden in's Interesse zu ziehen. Dem Vorsteher des Bezirks oder des
nächsten Orts, dem Demarchos, wie er sich nennt, wurde im Vertrauen ange¬
deutet, daß die fraglichen Signale keineswegs schon die wahren Fundorte, son¬
dern nur gewisse Stellen bezeichneten, deren man zur Ermittelung jener auf
Grund der anzustellenden Beobachtungen bedürfe. Jetzt leuchtete selbstver¬
ständlich die Wichtigkeit der Erhaltung der Pyramiden ein. Gewöhnlich wurde
auch ein gewisser Antheil am Gewinn in Aussicht gestellt und zur Stärkung
gegenseitigen Vertrauens eine kleine Geldsumme gezahlt. Dies hatte regelmäßig
den gewünschten Erfolg. Schließlich würden alle zum Schutz der Signale er¬
griffenen Maßregeln auf die Dauer unzulänglich gewesen sein, wenn nicht
anderweitige Merkmale unter dem Erdboden angebracht worden wären, so daß
man jederzeit, auch wenn die Pyramiden wirklich zerstört wurden, im Stande
war, den trigonometrischen Punkt, welchen sie bezeichneten, wiederzuerkennen.

Fast noch wichtiger aber war die Frage hinsichtlich des Transportes des
Instrumentes nach und von der jedesmaligen Station. Wer sollte es über¬
nehmen, über die Felsen und Klippen hinweg ein Instrument zu transportiren,
welches bei der geringsten Erschütterung derart beschädigt werden kann, daß
alle Beobachtungen illusorisch werden? Auch in dieser Verlegenheit bot sich
unverhoffte Hilfe in der Person eines Sulioten. Im Allgemeinen pflegt man
ja das Räuberhandwerk nicht gerade als Empfehlung anzusehen, doch wurden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/139>, abgerufen am 28.09.2024.