Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ragendsten und interessantesten. Doch zeigt die Niederung keineswegs den
Charakter absoluter Ebene. Sie ist von leichten Terrainwellen in größerer
oder geringerer Ausdehnung durchfurcht, so daß auch hier wiederum ein ge¬
wisser Formenwechsel hervortritt/

Im Thale des Kephissos lag von Alters her das Hauptstraßen- und Ver¬
kehrsnetz. Nach der Paralia hin war der Verkehr wohl nie sehr bedeutend.
Hier im Gegentheil durchkreuzen Wege nach allen Richtungen, nach dem Piräus
im Südwesten, nach Phyle, Achcirnae und Dekeleia im Norden und Nordosten
die Landschaft. Bei weitem die wichtigste ist aber die heilige Straße, welche
vom Dipylon aus durch den Daphni-Paß nach Eleusis führt. Vielfache Spuren
des Alterthums, Gräber, Reste ehemaliger Heiligthümer, vor allem das alters¬
graue, verwitterte Gemäuer des Venustempels in tiefer Schlucht des Daphni-
Passes, weisen noch jetzt deutlich genug auf ihre einstige Bedeutung hin.

Den vielen Rissen und Erdspalten nach zu urtheilen, die ganz besonders
den nördlichen Theil der Ebene durchziehen, muß auch hier ehemals ein viel
größerer Wasserreichthum geherrscht haben, als jetzt, wo außer dem Kephissos
selbst nur wenig kleine Bäche den Abhängen des Parnes und Brilessos ent¬
quellen. Aber die Bewässerung ist verhältnißmäßig reich, das Land fruchtbar.
Reichlich ist der zu Wein- und Oelbau geeignete Humus vorhanden. Der
alte Oelwald, der sich im Westen der Stadt von den Nordabhängen des
Turkv-vuni bis in die Gegend von Piräus zieht, zeigt deutlich, daß der Segen
der Athene dem Lande bis heute verblieben ist. In der That braucht man
blos die Musterfarm Pyrgos, eine Meile vor der Stadt, oder die Umgebung
von Schloß Tatoi in Augenschein zu nehmen, um sich zu überzeugen, wie
produktiv der Boden ist, sobald man seiner Kultur nur die nöthige Sorgfalt
zuwendet. Auch die Ortschaften der Kephissos-Ebene sind wohlhabender, statt¬
licher. Gar manche unter ihnen sind nicht ohne historische Bedeutung. Kephisia
selbst wurde ja im Alterthum als Sommerresidenz von den Vornehmen Athen's
geschätzt. Schon die uralte Platane, deren Aeste den ganzen Markt überschatten,
weist auf das hohe Alter der Stadt hin, deren antiker Charakter sich noch in
vielen Spuren offenbart. Ueberhaupt sind die Ueberreste alter Zeit hier bei
weitem zahlreicher, als drüben. Hier lagen ja jene Distrikte, die im Alterthum
recht eigentlich des Landes Wohlstand und Blüthe bedingten. Gar manche
von ihnen gingen im Laufe der Zeit zu Grunde. Herakleia, Achcirnae, zur
Zeit der Peisistratiden einer der wehrhaftesten Gaue, traf solches Geschick. Nicht
einmal ihre Lage vermochte man bis jetzt mit einiger Sicherheit zu bestimmen,
da die vielfach im Terrain verstreuten Spuren ehemaliger Niederlassungen zu
wenig Anhalt dazu bieten. Trümmerhaufen und Fundamente zerstörter Bauten


ragendsten und interessantesten. Doch zeigt die Niederung keineswegs den
Charakter absoluter Ebene. Sie ist von leichten Terrainwellen in größerer
oder geringerer Ausdehnung durchfurcht, so daß auch hier wiederum ein ge¬
wisser Formenwechsel hervortritt/

Im Thale des Kephissos lag von Alters her das Hauptstraßen- und Ver¬
kehrsnetz. Nach der Paralia hin war der Verkehr wohl nie sehr bedeutend.
Hier im Gegentheil durchkreuzen Wege nach allen Richtungen, nach dem Piräus
im Südwesten, nach Phyle, Achcirnae und Dekeleia im Norden und Nordosten
die Landschaft. Bei weitem die wichtigste ist aber die heilige Straße, welche
vom Dipylon aus durch den Daphni-Paß nach Eleusis führt. Vielfache Spuren
des Alterthums, Gräber, Reste ehemaliger Heiligthümer, vor allem das alters¬
graue, verwitterte Gemäuer des Venustempels in tiefer Schlucht des Daphni-
Passes, weisen noch jetzt deutlich genug auf ihre einstige Bedeutung hin.

Den vielen Rissen und Erdspalten nach zu urtheilen, die ganz besonders
den nördlichen Theil der Ebene durchziehen, muß auch hier ehemals ein viel
größerer Wasserreichthum geherrscht haben, als jetzt, wo außer dem Kephissos
selbst nur wenig kleine Bäche den Abhängen des Parnes und Brilessos ent¬
quellen. Aber die Bewässerung ist verhältnißmäßig reich, das Land fruchtbar.
Reichlich ist der zu Wein- und Oelbau geeignete Humus vorhanden. Der
alte Oelwald, der sich im Westen der Stadt von den Nordabhängen des
Turkv-vuni bis in die Gegend von Piräus zieht, zeigt deutlich, daß der Segen
der Athene dem Lande bis heute verblieben ist. In der That braucht man
blos die Musterfarm Pyrgos, eine Meile vor der Stadt, oder die Umgebung
von Schloß Tatoi in Augenschein zu nehmen, um sich zu überzeugen, wie
produktiv der Boden ist, sobald man seiner Kultur nur die nöthige Sorgfalt
zuwendet. Auch die Ortschaften der Kephissos-Ebene sind wohlhabender, statt¬
licher. Gar manche unter ihnen sind nicht ohne historische Bedeutung. Kephisia
selbst wurde ja im Alterthum als Sommerresidenz von den Vornehmen Athen's
geschätzt. Schon die uralte Platane, deren Aeste den ganzen Markt überschatten,
weist auf das hohe Alter der Stadt hin, deren antiker Charakter sich noch in
vielen Spuren offenbart. Ueberhaupt sind die Ueberreste alter Zeit hier bei
weitem zahlreicher, als drüben. Hier lagen ja jene Distrikte, die im Alterthum
recht eigentlich des Landes Wohlstand und Blüthe bedingten. Gar manche
von ihnen gingen im Laufe der Zeit zu Grunde. Herakleia, Achcirnae, zur
Zeit der Peisistratiden einer der wehrhaftesten Gaue, traf solches Geschick. Nicht
einmal ihre Lage vermochte man bis jetzt mit einiger Sicherheit zu bestimmen,
da die vielfach im Terrain verstreuten Spuren ehemaliger Niederlassungen zu
wenig Anhalt dazu bieten. Trümmerhaufen und Fundamente zerstörter Bauten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142092"/>
          <p xml:id="ID_400" prev="#ID_399"> ragendsten und interessantesten. Doch zeigt die Niederung keineswegs den<lb/>
Charakter absoluter Ebene. Sie ist von leichten Terrainwellen in größerer<lb/>
oder geringerer Ausdehnung durchfurcht, so daß auch hier wiederum ein ge¬<lb/>
wisser Formenwechsel hervortritt/</p><lb/>
          <p xml:id="ID_401"> Im Thale des Kephissos lag von Alters her das Hauptstraßen- und Ver¬<lb/>
kehrsnetz. Nach der Paralia hin war der Verkehr wohl nie sehr bedeutend.<lb/>
Hier im Gegentheil durchkreuzen Wege nach allen Richtungen, nach dem Piräus<lb/>
im Südwesten, nach Phyle, Achcirnae und Dekeleia im Norden und Nordosten<lb/>
die Landschaft. Bei weitem die wichtigste ist aber die heilige Straße, welche<lb/>
vom Dipylon aus durch den Daphni-Paß nach Eleusis führt. Vielfache Spuren<lb/>
des Alterthums, Gräber, Reste ehemaliger Heiligthümer, vor allem das alters¬<lb/>
graue, verwitterte Gemäuer des Venustempels in tiefer Schlucht des Daphni-<lb/>
Passes, weisen noch jetzt deutlich genug auf ihre einstige Bedeutung hin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_402" next="#ID_403"> Den vielen Rissen und Erdspalten nach zu urtheilen, die ganz besonders<lb/>
den nördlichen Theil der Ebene durchziehen, muß auch hier ehemals ein viel<lb/>
größerer Wasserreichthum geherrscht haben, als jetzt, wo außer dem Kephissos<lb/>
selbst nur wenig kleine Bäche den Abhängen des Parnes und Brilessos ent¬<lb/>
quellen. Aber die Bewässerung ist verhältnißmäßig reich, das Land fruchtbar.<lb/>
Reichlich ist der zu Wein- und Oelbau geeignete Humus vorhanden. Der<lb/>
alte Oelwald, der sich im Westen der Stadt von den Nordabhängen des<lb/>
Turkv-vuni bis in die Gegend von Piräus zieht, zeigt deutlich, daß der Segen<lb/>
der Athene dem Lande bis heute verblieben ist. In der That braucht man<lb/>
blos die Musterfarm Pyrgos, eine Meile vor der Stadt, oder die Umgebung<lb/>
von Schloß Tatoi in Augenschein zu nehmen, um sich zu überzeugen, wie<lb/>
produktiv der Boden ist, sobald man seiner Kultur nur die nöthige Sorgfalt<lb/>
zuwendet. Auch die Ortschaften der Kephissos-Ebene sind wohlhabender, statt¬<lb/>
licher. Gar manche unter ihnen sind nicht ohne historische Bedeutung. Kephisia<lb/>
selbst wurde ja im Alterthum als Sommerresidenz von den Vornehmen Athen's<lb/>
geschätzt. Schon die uralte Platane, deren Aeste den ganzen Markt überschatten,<lb/>
weist auf das hohe Alter der Stadt hin, deren antiker Charakter sich noch in<lb/>
vielen Spuren offenbart. Ueberhaupt sind die Ueberreste alter Zeit hier bei<lb/>
weitem zahlreicher, als drüben. Hier lagen ja jene Distrikte, die im Alterthum<lb/>
recht eigentlich des Landes Wohlstand und Blüthe bedingten. Gar manche<lb/>
von ihnen gingen im Laufe der Zeit zu Grunde. Herakleia, Achcirnae, zur<lb/>
Zeit der Peisistratiden einer der wehrhaftesten Gaue, traf solches Geschick. Nicht<lb/>
einmal ihre Lage vermochte man bis jetzt mit einiger Sicherheit zu bestimmen,<lb/>
da die vielfach im Terrain verstreuten Spuren ehemaliger Niederlassungen zu<lb/>
wenig Anhalt dazu bieten. Trümmerhaufen und Fundamente zerstörter Bauten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] ragendsten und interessantesten. Doch zeigt die Niederung keineswegs den Charakter absoluter Ebene. Sie ist von leichten Terrainwellen in größerer oder geringerer Ausdehnung durchfurcht, so daß auch hier wiederum ein ge¬ wisser Formenwechsel hervortritt/ Im Thale des Kephissos lag von Alters her das Hauptstraßen- und Ver¬ kehrsnetz. Nach der Paralia hin war der Verkehr wohl nie sehr bedeutend. Hier im Gegentheil durchkreuzen Wege nach allen Richtungen, nach dem Piräus im Südwesten, nach Phyle, Achcirnae und Dekeleia im Norden und Nordosten die Landschaft. Bei weitem die wichtigste ist aber die heilige Straße, welche vom Dipylon aus durch den Daphni-Paß nach Eleusis führt. Vielfache Spuren des Alterthums, Gräber, Reste ehemaliger Heiligthümer, vor allem das alters¬ graue, verwitterte Gemäuer des Venustempels in tiefer Schlucht des Daphni- Passes, weisen noch jetzt deutlich genug auf ihre einstige Bedeutung hin. Den vielen Rissen und Erdspalten nach zu urtheilen, die ganz besonders den nördlichen Theil der Ebene durchziehen, muß auch hier ehemals ein viel größerer Wasserreichthum geherrscht haben, als jetzt, wo außer dem Kephissos selbst nur wenig kleine Bäche den Abhängen des Parnes und Brilessos ent¬ quellen. Aber die Bewässerung ist verhältnißmäßig reich, das Land fruchtbar. Reichlich ist der zu Wein- und Oelbau geeignete Humus vorhanden. Der alte Oelwald, der sich im Westen der Stadt von den Nordabhängen des Turkv-vuni bis in die Gegend von Piräus zieht, zeigt deutlich, daß der Segen der Athene dem Lande bis heute verblieben ist. In der That braucht man blos die Musterfarm Pyrgos, eine Meile vor der Stadt, oder die Umgebung von Schloß Tatoi in Augenschein zu nehmen, um sich zu überzeugen, wie produktiv der Boden ist, sobald man seiner Kultur nur die nöthige Sorgfalt zuwendet. Auch die Ortschaften der Kephissos-Ebene sind wohlhabender, statt¬ licher. Gar manche unter ihnen sind nicht ohne historische Bedeutung. Kephisia selbst wurde ja im Alterthum als Sommerresidenz von den Vornehmen Athen's geschätzt. Schon die uralte Platane, deren Aeste den ganzen Markt überschatten, weist auf das hohe Alter der Stadt hin, deren antiker Charakter sich noch in vielen Spuren offenbart. Ueberhaupt sind die Ueberreste alter Zeit hier bei weitem zahlreicher, als drüben. Hier lagen ja jene Distrikte, die im Alterthum recht eigentlich des Landes Wohlstand und Blüthe bedingten. Gar manche von ihnen gingen im Laufe der Zeit zu Grunde. Herakleia, Achcirnae, zur Zeit der Peisistratiden einer der wehrhaftesten Gaue, traf solches Geschick. Nicht einmal ihre Lage vermochte man bis jetzt mit einiger Sicherheit zu bestimmen, da die vielfach im Terrain verstreuten Spuren ehemaliger Niederlassungen zu wenig Anhalt dazu bieten. Trümmerhaufen und Fundamente zerstörter Bauten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/137>, abgerufen am 28.09.2024.