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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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allen Mitteln damaliger Kunst dekorirt. Weiter nach der Südseite der Burg
fiel der Blick auf die Säulenfac/,abe des kleinen Niketempels. Inmitten dieser
Räume eine unabsehbare Schaar von Statuen, unter denen vor allen die
Schöpfung des Phidias, das Standbild der Athen" Promachos -- der Vor¬
kämpferin Athene --, hervorragte, deren goldene Lanzenspitze weithin bis nach
Kap Sunion die Nähe der Heimat verkündete.

Von den Heiligthümern der unteren Stadt, welche dieser Zeit noch ange¬
hören, hat namentlich das Theseion Interesse. Streng dorisch, wie bei allen
Heiligthümern dieser Zeit, ist auch der Stil dieses Tempels, dessen Inneres
die Gebeine des Helden und Gründers der Stadt bergen sollte, welche Kimon
von der Insel Skyros hierher zurückgeführt, um sie in vaterländischer Erde zu
bestatten.

Dromos und Tripodenstraße sind die einzigen Straßen, die mit voller
Sicherheit bis jetzt bestimmt sind. Von den übrigen konnten nur solche an¬
nähernd festgestellt werden, deren Richtung durch die Lage von öffentlichen
Plätzen und Thoren, die sie mit einander verbanden, oder durch Bauten, welche
ihre Kreuzungspunkte bezeichnen, mit einiger Sicherheit gegeben ist. Die Stoa
des Attalos, das Diogeneion, das Serapeion und andere dienten dabei als
Anhaltepunkte.

Zur Zeit der Fremdherrschaft, welche die dritte Periode bezeichnet, und
besonders seit der Okkupation durch die Römer verlegte man den Zentralpunkt
des Verkehrs mehr und mehr nach Osten. Fremde, "Philhellenen", lassen es
sich jetzt angelegen sein, die Stadt mit Kunstwerken und Prachtbauten zu be¬
reichern. Der Kerameikos hört auf, Sitz des öffentlichen Lebens zu sein.
Oestlich davon, einige hundert Schritte entfernt, finden wir unter Augustus
einen neuen Markt, den eine Thor-Inschrift als Oelmarkt bezeichnet. Der Säulen¬
halle folgend, welche damals von hier aus westlich sich fortsetzte, gelangt man
zu einer ferneren Anlage dieser Zeit, dem Platz am Horologium. Marmor¬
säulen bildeten ehemals die Umfassung dieses Platzes, dessen Mitte der ebenfalls
aus Marmor erbaute Thurm der Winde schmückt. Er diente zugleich als Uhr¬
thurm; eine Kanal-Anlage jener Zeit zeigt noch jetzt, wie man das Wasser der
Klepsydra zur Speisung der Uhr benutzte. Ueberhaupt sind die Wasseranlagen
jener Zeit, deren Zusammenhang bis jetzt nur höchst unvollständig ermittelt
worden ist, und deren hauptsächlichste, von Kephisia und Chalandri her, noch heute
die Stadt mit Wasser versorgt, von großem Interesse.

Mit Hadrian endlich beginnt die vierte und letzte Periode. Im Osten
und Südosten erhebt sich ein ganz neuer Stadttheil. Die Inschrift am Hadrians-
tlzor bezeichnet sie als ^tlisnas novas oder als Stadt des Hadrian. Bereits
früher hatten hier, an den Ufern des Ilissos, vornehme Römer, unter diesen


allen Mitteln damaliger Kunst dekorirt. Weiter nach der Südseite der Burg
fiel der Blick auf die Säulenfac/,abe des kleinen Niketempels. Inmitten dieser
Räume eine unabsehbare Schaar von Statuen, unter denen vor allen die
Schöpfung des Phidias, das Standbild der Athen« Promachos — der Vor¬
kämpferin Athene —, hervorragte, deren goldene Lanzenspitze weithin bis nach
Kap Sunion die Nähe der Heimat verkündete.

Von den Heiligthümern der unteren Stadt, welche dieser Zeit noch ange¬
hören, hat namentlich das Theseion Interesse. Streng dorisch, wie bei allen
Heiligthümern dieser Zeit, ist auch der Stil dieses Tempels, dessen Inneres
die Gebeine des Helden und Gründers der Stadt bergen sollte, welche Kimon
von der Insel Skyros hierher zurückgeführt, um sie in vaterländischer Erde zu
bestatten.

Dromos und Tripodenstraße sind die einzigen Straßen, die mit voller
Sicherheit bis jetzt bestimmt sind. Von den übrigen konnten nur solche an¬
nähernd festgestellt werden, deren Richtung durch die Lage von öffentlichen
Plätzen und Thoren, die sie mit einander verbanden, oder durch Bauten, welche
ihre Kreuzungspunkte bezeichnen, mit einiger Sicherheit gegeben ist. Die Stoa
des Attalos, das Diogeneion, das Serapeion und andere dienten dabei als
Anhaltepunkte.

Zur Zeit der Fremdherrschaft, welche die dritte Periode bezeichnet, und
besonders seit der Okkupation durch die Römer verlegte man den Zentralpunkt
des Verkehrs mehr und mehr nach Osten. Fremde, „Philhellenen", lassen es
sich jetzt angelegen sein, die Stadt mit Kunstwerken und Prachtbauten zu be¬
reichern. Der Kerameikos hört auf, Sitz des öffentlichen Lebens zu sein.
Oestlich davon, einige hundert Schritte entfernt, finden wir unter Augustus
einen neuen Markt, den eine Thor-Inschrift als Oelmarkt bezeichnet. Der Säulen¬
halle folgend, welche damals von hier aus westlich sich fortsetzte, gelangt man
zu einer ferneren Anlage dieser Zeit, dem Platz am Horologium. Marmor¬
säulen bildeten ehemals die Umfassung dieses Platzes, dessen Mitte der ebenfalls
aus Marmor erbaute Thurm der Winde schmückt. Er diente zugleich als Uhr¬
thurm; eine Kanal-Anlage jener Zeit zeigt noch jetzt, wie man das Wasser der
Klepsydra zur Speisung der Uhr benutzte. Ueberhaupt sind die Wasseranlagen
jener Zeit, deren Zusammenhang bis jetzt nur höchst unvollständig ermittelt
worden ist, und deren hauptsächlichste, von Kephisia und Chalandri her, noch heute
die Stadt mit Wasser versorgt, von großem Interesse.

Mit Hadrian endlich beginnt die vierte und letzte Periode. Im Osten
und Südosten erhebt sich ein ganz neuer Stadttheil. Die Inschrift am Hadrians-
tlzor bezeichnet sie als ^tlisnas novas oder als Stadt des Hadrian. Bereits
früher hatten hier, an den Ufern des Ilissos, vornehme Römer, unter diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/132>, abgerufen am 28.09.2024.