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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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die Stoa des Zeus Eleutherios (des "Befreiers") mit dem kolossalen Stand¬
bilde des Gottes, gegenüber die Poikile oder Bildergalerie, welche wiederum
die Hermenhalle mit jener verband -- anderer Anlagen, welche spätere Zeiten
hinzugefügt, wie der Attaloshalle, nicht zu gedenken.

Von den vielen vom Markte auslaufenden Wegen hat nur die Tripoden-
strciße (Dreifußstraße) eine besondere Bedeutung. In südöstlicher Richtung zur
Burg führend, theilt sie sich später in zwei Theile. Der erste Zweig biegt
scharf um die Ostecke der Burg: es ist der nähere Weg, die Feststraße der
Dionysien. Hier pflegte man Dreifüße als Weihgeschenke für errungene Siege
bei den Festspielen auf kleinen tempelförmigen Postamenten aufzustellen. Ein
solches Monument, vom Athener Lysikrates gestiftet, hat sich noch heute an
Ort und Stelle erhalten und wesentlich dazu beigetragen, die Richtung der
Straße unzweifelhaft festzustellen. Der andere Zweig umschließt die Burg
in weiterem Bogen. Es war,die Feststraße, welche die Prozessionen der
Panathenäen umwandelten, um auf der Akropolis der Athena Polias das
neue Gewand zu weihen. Denn seit dem Sturze der Tyrannen hatte die
Burg aufgehört, Festung zu sein. Sie war zu Penkles' Zeiten ausschließlich
Besitz des Zeus und der Athene. Eine Reihe glänzender Anlagen aus peri-
kleischer und späterer Zeit umfaßt ihren Südabhang. Das Dionysos-Theater,
mit seinen amphitheatralisch in den Burgfelsen gehauenen Sitzen, wohl an
30000 Zuschauer fassend, durch Kimon auf's reichste ausgestattet, und gegen¬
über das einer späteren Periode ungehörige Odeion des Herodes Attikos lassen
noch jetzt vielfache Spuren ihrer einstigen Pracht erkennen.

Wie schon das Dipylon dazu bestimmt war, dem Fremden gleich beim
Eintritte die hohe Bedeutung der Stadt empfinden zu lassen, so war dies in
noch erhöhtem Maße der Fall bei dem Eingange zur Akropolis. Die Pro¬
pyläen sind unzweifelhaft, sowohl was Großartigkeit der Idee, wie künstlerische
Ausführung betrifft, das Vollendetste, was griechische Baukunst je hervorgebracht
hat. Fünf Thoreingänge, von dorischen und ionischen Säulen getragen, füllten
fast die ganze Westfront der Höhe aus. Rechts und links sprangen doppelte
Säulenreihen vor. Breite Mormorstufen, die ganze Front umfassend, bildeten
den Aufgang, in der Mitte von der Fahrstraße durchschnitten, welche durch die
beiden Hauptportale auf die eigentliche Höhe der Burg führte. Oben trat,
alles überragend, durch seine Lage, wie durch den gewaltigen Bau dem
Blick zuerst der Parthenon entgegen. 48 dorische Säulen von mehr als zwei
Meter Durchmesser tragen die großartige Anlage, deren Dimensionen die des
älteren Hekatompedon bei weitem übertreffen. Zur Linken, getragen von den
weltberühmten Karyatiden, das Erechtheion, das älteste Heiligthum der Burg,
seiner Anlage nach zwar weniger imposant, aber auf die erlesenste Art mit


die Stoa des Zeus Eleutherios (des „Befreiers") mit dem kolossalen Stand¬
bilde des Gottes, gegenüber die Poikile oder Bildergalerie, welche wiederum
die Hermenhalle mit jener verband — anderer Anlagen, welche spätere Zeiten
hinzugefügt, wie der Attaloshalle, nicht zu gedenken.

Von den vielen vom Markte auslaufenden Wegen hat nur die Tripoden-
strciße (Dreifußstraße) eine besondere Bedeutung. In südöstlicher Richtung zur
Burg führend, theilt sie sich später in zwei Theile. Der erste Zweig biegt
scharf um die Ostecke der Burg: es ist der nähere Weg, die Feststraße der
Dionysien. Hier pflegte man Dreifüße als Weihgeschenke für errungene Siege
bei den Festspielen auf kleinen tempelförmigen Postamenten aufzustellen. Ein
solches Monument, vom Athener Lysikrates gestiftet, hat sich noch heute an
Ort und Stelle erhalten und wesentlich dazu beigetragen, die Richtung der
Straße unzweifelhaft festzustellen. Der andere Zweig umschließt die Burg
in weiterem Bogen. Es war,die Feststraße, welche die Prozessionen der
Panathenäen umwandelten, um auf der Akropolis der Athena Polias das
neue Gewand zu weihen. Denn seit dem Sturze der Tyrannen hatte die
Burg aufgehört, Festung zu sein. Sie war zu Penkles' Zeiten ausschließlich
Besitz des Zeus und der Athene. Eine Reihe glänzender Anlagen aus peri-
kleischer und späterer Zeit umfaßt ihren Südabhang. Das Dionysos-Theater,
mit seinen amphitheatralisch in den Burgfelsen gehauenen Sitzen, wohl an
30000 Zuschauer fassend, durch Kimon auf's reichste ausgestattet, und gegen¬
über das einer späteren Periode ungehörige Odeion des Herodes Attikos lassen
noch jetzt vielfache Spuren ihrer einstigen Pracht erkennen.

Wie schon das Dipylon dazu bestimmt war, dem Fremden gleich beim
Eintritte die hohe Bedeutung der Stadt empfinden zu lassen, so war dies in
noch erhöhtem Maße der Fall bei dem Eingange zur Akropolis. Die Pro¬
pyläen sind unzweifelhaft, sowohl was Großartigkeit der Idee, wie künstlerische
Ausführung betrifft, das Vollendetste, was griechische Baukunst je hervorgebracht
hat. Fünf Thoreingänge, von dorischen und ionischen Säulen getragen, füllten
fast die ganze Westfront der Höhe aus. Rechts und links sprangen doppelte
Säulenreihen vor. Breite Mormorstufen, die ganze Front umfassend, bildeten
den Aufgang, in der Mitte von der Fahrstraße durchschnitten, welche durch die
beiden Hauptportale auf die eigentliche Höhe der Burg führte. Oben trat,
alles überragend, durch seine Lage, wie durch den gewaltigen Bau dem
Blick zuerst der Parthenon entgegen. 48 dorische Säulen von mehr als zwei
Meter Durchmesser tragen die großartige Anlage, deren Dimensionen die des
älteren Hekatompedon bei weitem übertreffen. Zur Linken, getragen von den
weltberühmten Karyatiden, das Erechtheion, das älteste Heiligthum der Burg,
seiner Anlage nach zwar weniger imposant, aber auf die erlesenste Art mit


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[0131] die Stoa des Zeus Eleutherios (des „Befreiers") mit dem kolossalen Stand¬ bilde des Gottes, gegenüber die Poikile oder Bildergalerie, welche wiederum die Hermenhalle mit jener verband — anderer Anlagen, welche spätere Zeiten hinzugefügt, wie der Attaloshalle, nicht zu gedenken. Von den vielen vom Markte auslaufenden Wegen hat nur die Tripoden- strciße (Dreifußstraße) eine besondere Bedeutung. In südöstlicher Richtung zur Burg führend, theilt sie sich später in zwei Theile. Der erste Zweig biegt scharf um die Ostecke der Burg: es ist der nähere Weg, die Feststraße der Dionysien. Hier pflegte man Dreifüße als Weihgeschenke für errungene Siege bei den Festspielen auf kleinen tempelförmigen Postamenten aufzustellen. Ein solches Monument, vom Athener Lysikrates gestiftet, hat sich noch heute an Ort und Stelle erhalten und wesentlich dazu beigetragen, die Richtung der Straße unzweifelhaft festzustellen. Der andere Zweig umschließt die Burg in weiterem Bogen. Es war,die Feststraße, welche die Prozessionen der Panathenäen umwandelten, um auf der Akropolis der Athena Polias das neue Gewand zu weihen. Denn seit dem Sturze der Tyrannen hatte die Burg aufgehört, Festung zu sein. Sie war zu Penkles' Zeiten ausschließlich Besitz des Zeus und der Athene. Eine Reihe glänzender Anlagen aus peri- kleischer und späterer Zeit umfaßt ihren Südabhang. Das Dionysos-Theater, mit seinen amphitheatralisch in den Burgfelsen gehauenen Sitzen, wohl an 30000 Zuschauer fassend, durch Kimon auf's reichste ausgestattet, und gegen¬ über das einer späteren Periode ungehörige Odeion des Herodes Attikos lassen noch jetzt vielfache Spuren ihrer einstigen Pracht erkennen. Wie schon das Dipylon dazu bestimmt war, dem Fremden gleich beim Eintritte die hohe Bedeutung der Stadt empfinden zu lassen, so war dies in noch erhöhtem Maße der Fall bei dem Eingange zur Akropolis. Die Pro¬ pyläen sind unzweifelhaft, sowohl was Großartigkeit der Idee, wie künstlerische Ausführung betrifft, das Vollendetste, was griechische Baukunst je hervorgebracht hat. Fünf Thoreingänge, von dorischen und ionischen Säulen getragen, füllten fast die ganze Westfront der Höhe aus. Rechts und links sprangen doppelte Säulenreihen vor. Breite Mormorstufen, die ganze Front umfassend, bildeten den Aufgang, in der Mitte von der Fahrstraße durchschnitten, welche durch die beiden Hauptportale auf die eigentliche Höhe der Burg führte. Oben trat, alles überragend, durch seine Lage, wie durch den gewaltigen Bau dem Blick zuerst der Parthenon entgegen. 48 dorische Säulen von mehr als zwei Meter Durchmesser tragen die großartige Anlage, deren Dimensionen die des älteren Hekatompedon bei weitem übertreffen. Zur Linken, getragen von den weltberühmten Karyatiden, das Erechtheion, das älteste Heiligthum der Burg, seiner Anlage nach zwar weniger imposant, aber auf die erlesenste Art mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/131>, abgerufen am 09.01.2025.