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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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auch Herodes Attikos, ihre Villen, von denen noch heute die vielfachen Uever-
reste der Mosaikboden Zeugniß geben. In dieser Gegend befand sich seit
Peisistratos der Tempel des Zeus, das Olympieion. Nach der Zerstörung
Athen's durch die Perser war zu verschiedenen Zeiten auch die Wiederherstellung
dieses Tempels versucht worden, jedoch nie vollständig gelungen. Erst Hadrian
war es vorbehalten, den Bau auf's prächtigste zu vollenden. Ueber 600 Meter
umfaßte der Umfang der Mauer, die den heiligen Raum umschloß. Der
Tempel selbst, von mehr als 120 korinthischen Säulen getragen, die ihn in
mehrfachen Reihen umgaben, war nächst dem zu Ephesus der größte seiner Zeit.

So war Athen in seinem Glänze. Und was ist jetzt aus alledem geworden?
Derselbe Raum wie ehemals bezeichnet noch heute das Gebiet der Stadt, aber
verfallen ist das glänzende Dipylon, der ehemalige Dromos jetzt nur ein un¬
scheinbarer Weg, das untere Ende der jetzigen Hermesstraße, dessen ehemalige
Bedeutung man kaum zu ahnen wagt. Wo einst der Mittelpunkt der Stadt,
der Kerameikos lag, ist jetzt ein vollständiges Stadtquartier meist ärmlicher
Hütten erbaut. Und fast dasselbe Geschick traf die übrigen Anlagen. Einsam
zwischen den modernen Bauten steht noch der Thurm der Winde, an die alten
glanzvollen Zeiten gemahnend. Verschüttet theils, theils verfallen sind die
Prachtbauten am Südabhange der Burg, ein weites Trümmerfeld die Fläche
der Akropolis.

Während es sich bei der topographischen Aufnahme der Stadt mehr um
eine Revision des bereits Geleisteten handelte, galt es bei der Vermessung der
attischen Ebene eine völlig neue Arbeit. Das ganze Territorium, ungerechnet
die Gebirgsränder, umfaßt etwa acht Quadratmeilen. Im Westen wird es
von den Gebirgszügen des Korydalos und Aigaleos, den sogenannten Daphni-
bergen, gegenüber vom Hymettos und Brilessos oder Pentelikon umsäumt; nach
Norden hiu bildet die Parneskette den Abschluß der Landschaft, deren südliches
Gestade das ägäische Meer bespült. Durch die rings umgebenden Gebirgs¬
ketten vor rauhen Wind, wie vor Kälte geschützt, nach Süden hin wiederum
erfrischenden Seewinden zugänglich, hat die Landschaft zu alleu Jahreszeiten
ein gemäßigtes Klima. Selbst im Winter unterbrach selten ein trüber Tag
den Fortgang unserer Arbeit. Trotz der Nähe der See ist der klimatische
Charakter vorwiegend der der Trockenheit. Die Luft ist reiner als in Italien,
wo man das tiefe Man des griechischen Himmels nicht kennt; plötzliche
Wechsel der Temperatur verhindert die geschützte Lage. Auf den Höhen da¬
gegen herrscht, selbst bei sonst vollkommen ruhigem Wetter, ein fortwährender
Wind, der nicht selten, namentlich im Frühjahr und Herbst, orkanartiger
Charakter annimmt, so daß mehrfach die Beobachtungen eingestellt werden
mußten, um nicht das Instrument der Gefahr auszusetzen, umgeworfen zu werden.


Grenzboten II, 1879. 17

auch Herodes Attikos, ihre Villen, von denen noch heute die vielfachen Uever-
reste der Mosaikboden Zeugniß geben. In dieser Gegend befand sich seit
Peisistratos der Tempel des Zeus, das Olympieion. Nach der Zerstörung
Athen's durch die Perser war zu verschiedenen Zeiten auch die Wiederherstellung
dieses Tempels versucht worden, jedoch nie vollständig gelungen. Erst Hadrian
war es vorbehalten, den Bau auf's prächtigste zu vollenden. Ueber 600 Meter
umfaßte der Umfang der Mauer, die den heiligen Raum umschloß. Der
Tempel selbst, von mehr als 120 korinthischen Säulen getragen, die ihn in
mehrfachen Reihen umgaben, war nächst dem zu Ephesus der größte seiner Zeit.

So war Athen in seinem Glänze. Und was ist jetzt aus alledem geworden?
Derselbe Raum wie ehemals bezeichnet noch heute das Gebiet der Stadt, aber
verfallen ist das glänzende Dipylon, der ehemalige Dromos jetzt nur ein un¬
scheinbarer Weg, das untere Ende der jetzigen Hermesstraße, dessen ehemalige
Bedeutung man kaum zu ahnen wagt. Wo einst der Mittelpunkt der Stadt,
der Kerameikos lag, ist jetzt ein vollständiges Stadtquartier meist ärmlicher
Hütten erbaut. Und fast dasselbe Geschick traf die übrigen Anlagen. Einsam
zwischen den modernen Bauten steht noch der Thurm der Winde, an die alten
glanzvollen Zeiten gemahnend. Verschüttet theils, theils verfallen sind die
Prachtbauten am Südabhange der Burg, ein weites Trümmerfeld die Fläche
der Akropolis.

Während es sich bei der topographischen Aufnahme der Stadt mehr um
eine Revision des bereits Geleisteten handelte, galt es bei der Vermessung der
attischen Ebene eine völlig neue Arbeit. Das ganze Territorium, ungerechnet
die Gebirgsränder, umfaßt etwa acht Quadratmeilen. Im Westen wird es
von den Gebirgszügen des Korydalos und Aigaleos, den sogenannten Daphni-
bergen, gegenüber vom Hymettos und Brilessos oder Pentelikon umsäumt; nach
Norden hiu bildet die Parneskette den Abschluß der Landschaft, deren südliches
Gestade das ägäische Meer bespült. Durch die rings umgebenden Gebirgs¬
ketten vor rauhen Wind, wie vor Kälte geschützt, nach Süden hin wiederum
erfrischenden Seewinden zugänglich, hat die Landschaft zu alleu Jahreszeiten
ein gemäßigtes Klima. Selbst im Winter unterbrach selten ein trüber Tag
den Fortgang unserer Arbeit. Trotz der Nähe der See ist der klimatische
Charakter vorwiegend der der Trockenheit. Die Luft ist reiner als in Italien,
wo man das tiefe Man des griechischen Himmels nicht kennt; plötzliche
Wechsel der Temperatur verhindert die geschützte Lage. Auf den Höhen da¬
gegen herrscht, selbst bei sonst vollkommen ruhigem Wetter, ein fortwährender
Wind, der nicht selten, namentlich im Frühjahr und Herbst, orkanartiger
Charakter annimmt, so daß mehrfach die Beobachtungen eingestellt werden
mußten, um nicht das Instrument der Gefahr auszusetzen, umgeworfen zu werden.


Grenzboten II, 1879. 17
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[0133] auch Herodes Attikos, ihre Villen, von denen noch heute die vielfachen Uever- reste der Mosaikboden Zeugniß geben. In dieser Gegend befand sich seit Peisistratos der Tempel des Zeus, das Olympieion. Nach der Zerstörung Athen's durch die Perser war zu verschiedenen Zeiten auch die Wiederherstellung dieses Tempels versucht worden, jedoch nie vollständig gelungen. Erst Hadrian war es vorbehalten, den Bau auf's prächtigste zu vollenden. Ueber 600 Meter umfaßte der Umfang der Mauer, die den heiligen Raum umschloß. Der Tempel selbst, von mehr als 120 korinthischen Säulen getragen, die ihn in mehrfachen Reihen umgaben, war nächst dem zu Ephesus der größte seiner Zeit. So war Athen in seinem Glänze. Und was ist jetzt aus alledem geworden? Derselbe Raum wie ehemals bezeichnet noch heute das Gebiet der Stadt, aber verfallen ist das glänzende Dipylon, der ehemalige Dromos jetzt nur ein un¬ scheinbarer Weg, das untere Ende der jetzigen Hermesstraße, dessen ehemalige Bedeutung man kaum zu ahnen wagt. Wo einst der Mittelpunkt der Stadt, der Kerameikos lag, ist jetzt ein vollständiges Stadtquartier meist ärmlicher Hütten erbaut. Und fast dasselbe Geschick traf die übrigen Anlagen. Einsam zwischen den modernen Bauten steht noch der Thurm der Winde, an die alten glanzvollen Zeiten gemahnend. Verschüttet theils, theils verfallen sind die Prachtbauten am Südabhange der Burg, ein weites Trümmerfeld die Fläche der Akropolis. Während es sich bei der topographischen Aufnahme der Stadt mehr um eine Revision des bereits Geleisteten handelte, galt es bei der Vermessung der attischen Ebene eine völlig neue Arbeit. Das ganze Territorium, ungerechnet die Gebirgsränder, umfaßt etwa acht Quadratmeilen. Im Westen wird es von den Gebirgszügen des Korydalos und Aigaleos, den sogenannten Daphni- bergen, gegenüber vom Hymettos und Brilessos oder Pentelikon umsäumt; nach Norden hiu bildet die Parneskette den Abschluß der Landschaft, deren südliches Gestade das ägäische Meer bespült. Durch die rings umgebenden Gebirgs¬ ketten vor rauhen Wind, wie vor Kälte geschützt, nach Süden hin wiederum erfrischenden Seewinden zugänglich, hat die Landschaft zu alleu Jahreszeiten ein gemäßigtes Klima. Selbst im Winter unterbrach selten ein trüber Tag den Fortgang unserer Arbeit. Trotz der Nähe der See ist der klimatische Charakter vorwiegend der der Trockenheit. Die Luft ist reiner als in Italien, wo man das tiefe Man des griechischen Himmels nicht kennt; plötzliche Wechsel der Temperatur verhindert die geschützte Lage. Auf den Höhen da¬ gegen herrscht, selbst bei sonst vollkommen ruhigem Wetter, ein fortwährender Wind, der nicht selten, namentlich im Frühjahr und Herbst, orkanartiger Charakter annimmt, so daß mehrfach die Beobachtungen eingestellt werden mußten, um nicht das Instrument der Gefahr auszusetzen, umgeworfen zu werden. Grenzboten II, 1879. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/133>, abgerufen am 28.09.2024.