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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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geschichte Dresden's, wie man annehmen darf, richtig vorgezeichnet, er hat auch
wesentlich zur Ausfüllung und Belebung dieser Umrisse beigetragen.

Für eine abschließende Arbeit freilich wird der Verfasser das, was er bietet,
selber nicht halten wollen. Abschließend kann sie aus mehr als einem Grunde
nicht sein. Einmal schou deshalb nicht, weil die Archive ohne Zweifel noch
eine Fülle von Material bergen, das nur durch planmäßige Nachforschungen
mit der Zeit gehoben werden kann. Konnte doch nicht einmal das bereits vor¬
handene, allerdings vielfach zerstreute Quellenmaterial in den wenigen Monaten,
die der Verfasser auf seine Arbeit zu verwenden hatte, gehörig ausgenutzt
werden. Dazu somme aber ein weiteres wichtiges Moment. Die Baugeschichte
Dresden's ist nur ein Theil der reichen und hochinteressanter Geschichte der
Kunstthätigkeit, die am sächsischen Hofe seit vier Jahrhunderten geübt worden
ist. Zwar bildet sie von dieser Kunstthätigkeit einen sehr erheblichen, vielleicht
den erheblichsten Theil. Aber was ist doch alles daneben in andern Städten
und Schlossern von Dresden aus geschaffen worden! Hervorragende künst¬
lerische Kräfte, die der sächsische Hof beschäftigt hat, haben ihre Thätigkeit bis¬
weilen zum allerkleinsten Theil in Dresden selbst, bisweilen überhaupt nicht
in Dresden, sondern an anderen Orten entfaltet. Einmal ein umfassendes
Gesammtbild von dieser glänzenden Kunstthätigkeit zu zeichnen, ist ein Ziel,
auf dessen Erreichung der sächsische Alterthumsverein und die verschiedenen
lokalen Geschichtsvereine Sachsen's unausgesetzt hinarbeiten müssen, und das über
kurz oder lang gewiß auch einmal von einer kräftigen Hand erreicht werden
wird. Von dem Verfasser der vorliegenden Arbeit dies zu verlangen, würde
eine Unbilligkeit sein. Aber man sollte meinen, der Verfasser müßte aus Schritt
und Tritt selber gespürt haben, daß er mit einer Baugeschichte Dresden's doch
eigentlich uur unter dem denkbar äußerlichsten, nämlich dem lokalen Gesichts¬
punkte eine Partie aus der umfassenderen Aufgabe aufspart, und das Bedürf¬
niß gefühlt haben, zu seiner eigenen Klärung von diesem Gesammtbilde wenigstens
ein Croquis zu entwerfen. Er nennt wohl beiläufig auch die Namen Meißen,
Torgau, Freiberg, Hubertusburg, Uebichau bei Dresden und andere -- wie
war es möglich, an diese Namen zu rühren und sich mit dieser Berührung zu
begnügen? Nach unserm Dafürhalten durfte entweder der Blick über Dresden
hinaus gar nicht gerichtet werden, oder, wenn es geschah, dann mußte es noch
nach vielen anderen Seiten hin und durchaus planvoll geschehen. So wie der
Verfasser verfährt, erweckt er blos unsere Neugierde, thut aber nichts zu ihrer
Befriedigung.

Aber neben dieser Erweiterung vermißt man auch eine gewisse Vertiefung
der Aufgabe. Nirgends ist der ernstliche Versuch gemacht, das Stück Lokal¬
kunstgeschichte, das steche vorführt, mit dem Entwickelungsgange der allgemeinen


geschichte Dresden's, wie man annehmen darf, richtig vorgezeichnet, er hat auch
wesentlich zur Ausfüllung und Belebung dieser Umrisse beigetragen.

Für eine abschließende Arbeit freilich wird der Verfasser das, was er bietet,
selber nicht halten wollen. Abschließend kann sie aus mehr als einem Grunde
nicht sein. Einmal schou deshalb nicht, weil die Archive ohne Zweifel noch
eine Fülle von Material bergen, das nur durch planmäßige Nachforschungen
mit der Zeit gehoben werden kann. Konnte doch nicht einmal das bereits vor¬
handene, allerdings vielfach zerstreute Quellenmaterial in den wenigen Monaten,
die der Verfasser auf seine Arbeit zu verwenden hatte, gehörig ausgenutzt
werden. Dazu somme aber ein weiteres wichtiges Moment. Die Baugeschichte
Dresden's ist nur ein Theil der reichen und hochinteressanter Geschichte der
Kunstthätigkeit, die am sächsischen Hofe seit vier Jahrhunderten geübt worden
ist. Zwar bildet sie von dieser Kunstthätigkeit einen sehr erheblichen, vielleicht
den erheblichsten Theil. Aber was ist doch alles daneben in andern Städten
und Schlossern von Dresden aus geschaffen worden! Hervorragende künst¬
lerische Kräfte, die der sächsische Hof beschäftigt hat, haben ihre Thätigkeit bis¬
weilen zum allerkleinsten Theil in Dresden selbst, bisweilen überhaupt nicht
in Dresden, sondern an anderen Orten entfaltet. Einmal ein umfassendes
Gesammtbild von dieser glänzenden Kunstthätigkeit zu zeichnen, ist ein Ziel,
auf dessen Erreichung der sächsische Alterthumsverein und die verschiedenen
lokalen Geschichtsvereine Sachsen's unausgesetzt hinarbeiten müssen, und das über
kurz oder lang gewiß auch einmal von einer kräftigen Hand erreicht werden
wird. Von dem Verfasser der vorliegenden Arbeit dies zu verlangen, würde
eine Unbilligkeit sein. Aber man sollte meinen, der Verfasser müßte aus Schritt
und Tritt selber gespürt haben, daß er mit einer Baugeschichte Dresden's doch
eigentlich uur unter dem denkbar äußerlichsten, nämlich dem lokalen Gesichts¬
punkte eine Partie aus der umfassenderen Aufgabe aufspart, und das Bedürf¬
niß gefühlt haben, zu seiner eigenen Klärung von diesem Gesammtbilde wenigstens
ein Croquis zu entwerfen. Er nennt wohl beiläufig auch die Namen Meißen,
Torgau, Freiberg, Hubertusburg, Uebichau bei Dresden und andere — wie
war es möglich, an diese Namen zu rühren und sich mit dieser Berührung zu
begnügen? Nach unserm Dafürhalten durfte entweder der Blick über Dresden
hinaus gar nicht gerichtet werden, oder, wenn es geschah, dann mußte es noch
nach vielen anderen Seiten hin und durchaus planvoll geschehen. So wie der
Verfasser verfährt, erweckt er blos unsere Neugierde, thut aber nichts zu ihrer
Befriedigung.

Aber neben dieser Erweiterung vermißt man auch eine gewisse Vertiefung
der Aufgabe. Nirgends ist der ernstliche Versuch gemacht, das Stück Lokal¬
kunstgeschichte, das steche vorführt, mit dem Entwickelungsgange der allgemeinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/76>, abgerufen am 03.07.2024.