Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Von weitergreifenden Reformen wird eine der ersten die Regelung der
bäuerlichen Besitzverhältnisse sein müssen, d. h. die Umwandlung des für den
Kneten bisher sehr unsicheren, jeder Lanne des Gutsherrn preisgegebenen
Nutzungsverhältnisses in gewisses, stetes, unwiderrufliches Eigenthum ein dem
betreffenden Landstücke, und andrerseits billige Festsetzung der von den bis¬
herigen Grundholden an den Gutsherrn zu leistenden Dienste und Abgaben.
Ob man ohne Uebergang nach dem Muster unserer Grundentlastung zu voll¬
ständiger Ablösung jener Leistungen gegen Entschädigung der Gutsbesitzer vor¬
schreiten darf, wird zu erwägen sein; denn man hat Rücksicht auf deu Adel
zu nehmen, dessen bisherige Existenzverhültnisse nicht plötzlich radikal verändert
werden können, ohne ihn, der großen Einfluß auf die niedere muhammedanische
Bevölkerung übt, unzufrieden und aufsässig zu machen. Jedenfalls wird man
die Schritte, die mau in dieser Richtung beabsichtigt, im Einvernehmen mit
den Berechtigten und Bevorzugten thun und sie veranlassen müssen, von ihrem
Standpunkte Auskunftsmittel zu finden und Vorschläge zur Hinüberleukuug
der Dinge in andere Wege zu macheu. Auch wird sich die Behandlung der
Sache nach Kreisen empfehlen, da nicht blos die Verhältnisse von Agni und
Kniee, sondern anch die Ansichten der Bevölkerung sich nicht überall gleichen.

Die Ideen, die der Verfasser hinsichtlich einer Reorganisation des städtischen
und ländlichen Gemeindewesens entwickelt, bitten wir auf S. 276 bis 279
nachzulesen. Ebenso das, was unmittelbar nachher über die Hebung des böh¬
mischen Bergbaues und über die Mittel zur Verhütung einer Raubwirthschaft
in deu gewaltigen Forsten gleich derjenigen gesagt wird, welche den Karst und
die Berge Dalmatien's entwaldet hat. Zur Hebung der Landwirthschaft em¬
pfiehlt unsere Schrift Musterwirthschaften in großem Stil, an welche zugleich
die verschiedenen landwirtschaftlichen Gewerbe sich anschließen könnten, und
auf deren Errichtung man in mehreren Gegenden des Landes bedacht sein
müßte. An Grund und Boden dazu kann es nicht fehlen, da in Bosnien und
der Herzegowina vielleicht nenn Zehntel des kulturfühigen Laudes brach liegen.
Hauptvoraussetzung für die materielle Hebung Neuösterreich's ist ein Netz gut
angelegter und sicherer Straßen. Aber unter den Polygonen Drehscheiben,
welche bei den ungeschlachten "Arabas" der böhmischen Kneten und Fracht¬
fuhrleute die Stelle unserer Ruder vertreten, hält sich auch die beste Chaussee
nicht lauge, und so müßte Vorsorge getroffen werden, daß gute Straßen nur
von gutem Fuhrwerke benutzt werden dürften, worin für den seine Naturer-
zeugnisse zu Markte schaffenden Landmann eine indirekte Nöthigung liegen
wird, sein Wirthschaftsgeräth vernünftig zu verbessern. Was den Transport
zu Wasser anlangt, so müßte zuerst die Schiffbarmachung der versumpften
Mündungen der Narenta in Angriff genommen werden -- ein lange schon


Von weitergreifenden Reformen wird eine der ersten die Regelung der
bäuerlichen Besitzverhältnisse sein müssen, d. h. die Umwandlung des für den
Kneten bisher sehr unsicheren, jeder Lanne des Gutsherrn preisgegebenen
Nutzungsverhältnisses in gewisses, stetes, unwiderrufliches Eigenthum ein dem
betreffenden Landstücke, und andrerseits billige Festsetzung der von den bis¬
herigen Grundholden an den Gutsherrn zu leistenden Dienste und Abgaben.
Ob man ohne Uebergang nach dem Muster unserer Grundentlastung zu voll¬
ständiger Ablösung jener Leistungen gegen Entschädigung der Gutsbesitzer vor¬
schreiten darf, wird zu erwägen sein; denn man hat Rücksicht auf deu Adel
zu nehmen, dessen bisherige Existenzverhültnisse nicht plötzlich radikal verändert
werden können, ohne ihn, der großen Einfluß auf die niedere muhammedanische
Bevölkerung übt, unzufrieden und aufsässig zu machen. Jedenfalls wird man
die Schritte, die mau in dieser Richtung beabsichtigt, im Einvernehmen mit
den Berechtigten und Bevorzugten thun und sie veranlassen müssen, von ihrem
Standpunkte Auskunftsmittel zu finden und Vorschläge zur Hinüberleukuug
der Dinge in andere Wege zu macheu. Auch wird sich die Behandlung der
Sache nach Kreisen empfehlen, da nicht blos die Verhältnisse von Agni und
Kniee, sondern anch die Ansichten der Bevölkerung sich nicht überall gleichen.

Die Ideen, die der Verfasser hinsichtlich einer Reorganisation des städtischen
und ländlichen Gemeindewesens entwickelt, bitten wir auf S. 276 bis 279
nachzulesen. Ebenso das, was unmittelbar nachher über die Hebung des böh¬
mischen Bergbaues und über die Mittel zur Verhütung einer Raubwirthschaft
in deu gewaltigen Forsten gleich derjenigen gesagt wird, welche den Karst und
die Berge Dalmatien's entwaldet hat. Zur Hebung der Landwirthschaft em¬
pfiehlt unsere Schrift Musterwirthschaften in großem Stil, an welche zugleich
die verschiedenen landwirtschaftlichen Gewerbe sich anschließen könnten, und
auf deren Errichtung man in mehreren Gegenden des Landes bedacht sein
müßte. An Grund und Boden dazu kann es nicht fehlen, da in Bosnien und
der Herzegowina vielleicht nenn Zehntel des kulturfühigen Laudes brach liegen.
Hauptvoraussetzung für die materielle Hebung Neuösterreich's ist ein Netz gut
angelegter und sicherer Straßen. Aber unter den Polygonen Drehscheiben,
welche bei den ungeschlachten „Arabas" der böhmischen Kneten und Fracht¬
fuhrleute die Stelle unserer Ruder vertreten, hält sich auch die beste Chaussee
nicht lauge, und so müßte Vorsorge getroffen werden, daß gute Straßen nur
von gutem Fuhrwerke benutzt werden dürften, worin für den seine Naturer-
zeugnisse zu Markte schaffenden Landmann eine indirekte Nöthigung liegen
wird, sein Wirthschaftsgeräth vernünftig zu verbessern. Was den Transport
zu Wasser anlangt, so müßte zuerst die Schiffbarmachung der versumpften
Mündungen der Narenta in Angriff genommen werden — ein lange schon


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141482"/>
          <p xml:id="ID_201"> Von weitergreifenden Reformen wird eine der ersten die Regelung der<lb/>
bäuerlichen Besitzverhältnisse sein müssen, d. h. die Umwandlung des für den<lb/>
Kneten bisher sehr unsicheren, jeder Lanne des Gutsherrn preisgegebenen<lb/>
Nutzungsverhältnisses in gewisses, stetes, unwiderrufliches Eigenthum ein dem<lb/>
betreffenden Landstücke, und andrerseits billige Festsetzung der von den bis¬<lb/>
herigen Grundholden an den Gutsherrn zu leistenden Dienste und Abgaben.<lb/>
Ob man ohne Uebergang nach dem Muster unserer Grundentlastung zu voll¬<lb/>
ständiger Ablösung jener Leistungen gegen Entschädigung der Gutsbesitzer vor¬<lb/>
schreiten darf, wird zu erwägen sein; denn man hat Rücksicht auf deu Adel<lb/>
zu nehmen, dessen bisherige Existenzverhültnisse nicht plötzlich radikal verändert<lb/>
werden können, ohne ihn, der großen Einfluß auf die niedere muhammedanische<lb/>
Bevölkerung übt, unzufrieden und aufsässig zu machen. Jedenfalls wird man<lb/>
die Schritte, die mau in dieser Richtung beabsichtigt, im Einvernehmen mit<lb/>
den Berechtigten und Bevorzugten thun und sie veranlassen müssen, von ihrem<lb/>
Standpunkte Auskunftsmittel zu finden und Vorschläge zur Hinüberleukuug<lb/>
der Dinge in andere Wege zu macheu. Auch wird sich die Behandlung der<lb/>
Sache nach Kreisen empfehlen, da nicht blos die Verhältnisse von Agni und<lb/>
Kniee, sondern anch die Ansichten der Bevölkerung sich nicht überall gleichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202" next="#ID_203"> Die Ideen, die der Verfasser hinsichtlich einer Reorganisation des städtischen<lb/>
und ländlichen Gemeindewesens entwickelt, bitten wir auf S. 276 bis 279<lb/>
nachzulesen. Ebenso das, was unmittelbar nachher über die Hebung des böh¬<lb/>
mischen Bergbaues und über die Mittel zur Verhütung einer Raubwirthschaft<lb/>
in deu gewaltigen Forsten gleich derjenigen gesagt wird, welche den Karst und<lb/>
die Berge Dalmatien's entwaldet hat. Zur Hebung der Landwirthschaft em¬<lb/>
pfiehlt unsere Schrift Musterwirthschaften in großem Stil, an welche zugleich<lb/>
die verschiedenen landwirtschaftlichen Gewerbe sich anschließen könnten, und<lb/>
auf deren Errichtung man in mehreren Gegenden des Landes bedacht sein<lb/>
müßte. An Grund und Boden dazu kann es nicht fehlen, da in Bosnien und<lb/>
der Herzegowina vielleicht nenn Zehntel des kulturfühigen Laudes brach liegen.<lb/>
Hauptvoraussetzung für die materielle Hebung Neuösterreich's ist ein Netz gut<lb/>
angelegter und sicherer Straßen. Aber unter den Polygonen Drehscheiben,<lb/>
welche bei den ungeschlachten &#x201E;Arabas" der böhmischen Kneten und Fracht¬<lb/>
fuhrleute die Stelle unserer Ruder vertreten, hält sich auch die beste Chaussee<lb/>
nicht lauge, und so müßte Vorsorge getroffen werden, daß gute Straßen nur<lb/>
von gutem Fuhrwerke benutzt werden dürften, worin für den seine Naturer-<lb/>
zeugnisse zu Markte schaffenden Landmann eine indirekte Nöthigung liegen<lb/>
wird, sein Wirthschaftsgeräth vernünftig zu verbessern. Was den Transport<lb/>
zu Wasser anlangt, so müßte zuerst die Schiffbarmachung der versumpften<lb/>
Mündungen der Narenta in Angriff genommen werden &#x2014; ein lange schon</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] Von weitergreifenden Reformen wird eine der ersten die Regelung der bäuerlichen Besitzverhältnisse sein müssen, d. h. die Umwandlung des für den Kneten bisher sehr unsicheren, jeder Lanne des Gutsherrn preisgegebenen Nutzungsverhältnisses in gewisses, stetes, unwiderrufliches Eigenthum ein dem betreffenden Landstücke, und andrerseits billige Festsetzung der von den bis¬ herigen Grundholden an den Gutsherrn zu leistenden Dienste und Abgaben. Ob man ohne Uebergang nach dem Muster unserer Grundentlastung zu voll¬ ständiger Ablösung jener Leistungen gegen Entschädigung der Gutsbesitzer vor¬ schreiten darf, wird zu erwägen sein; denn man hat Rücksicht auf deu Adel zu nehmen, dessen bisherige Existenzverhültnisse nicht plötzlich radikal verändert werden können, ohne ihn, der großen Einfluß auf die niedere muhammedanische Bevölkerung übt, unzufrieden und aufsässig zu machen. Jedenfalls wird man die Schritte, die mau in dieser Richtung beabsichtigt, im Einvernehmen mit den Berechtigten und Bevorzugten thun und sie veranlassen müssen, von ihrem Standpunkte Auskunftsmittel zu finden und Vorschläge zur Hinüberleukuug der Dinge in andere Wege zu macheu. Auch wird sich die Behandlung der Sache nach Kreisen empfehlen, da nicht blos die Verhältnisse von Agni und Kniee, sondern anch die Ansichten der Bevölkerung sich nicht überall gleichen. Die Ideen, die der Verfasser hinsichtlich einer Reorganisation des städtischen und ländlichen Gemeindewesens entwickelt, bitten wir auf S. 276 bis 279 nachzulesen. Ebenso das, was unmittelbar nachher über die Hebung des böh¬ mischen Bergbaues und über die Mittel zur Verhütung einer Raubwirthschaft in deu gewaltigen Forsten gleich derjenigen gesagt wird, welche den Karst und die Berge Dalmatien's entwaldet hat. Zur Hebung der Landwirthschaft em¬ pfiehlt unsere Schrift Musterwirthschaften in großem Stil, an welche zugleich die verschiedenen landwirtschaftlichen Gewerbe sich anschließen könnten, und auf deren Errichtung man in mehreren Gegenden des Landes bedacht sein müßte. An Grund und Boden dazu kann es nicht fehlen, da in Bosnien und der Herzegowina vielleicht nenn Zehntel des kulturfühigen Laudes brach liegen. Hauptvoraussetzung für die materielle Hebung Neuösterreich's ist ein Netz gut angelegter und sicherer Straßen. Aber unter den Polygonen Drehscheiben, welche bei den ungeschlachten „Arabas" der böhmischen Kneten und Fracht¬ fuhrleute die Stelle unserer Ruder vertreten, hält sich auch die beste Chaussee nicht lauge, und so müßte Vorsorge getroffen werden, daß gute Straßen nur von gutem Fuhrwerke benutzt werden dürften, worin für den seine Naturer- zeugnisse zu Markte schaffenden Landmann eine indirekte Nöthigung liegen wird, sein Wirthschaftsgeräth vernünftig zu verbessern. Was den Transport zu Wasser anlangt, so müßte zuerst die Schiffbarmachung der versumpften Mündungen der Narenta in Angriff genommen werden — ein lange schon

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/71
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/71>, abgerufen am 01.10.2024.