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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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den er aus Anlaß der jüngsten politischen Wendung im Neuen Wiener Abend¬
blatt veröffentlicht hat: "Wer hat denn dieses interessante Urvolk so wild und
unwirsch gegen Fremde gemacht als die Türken? Statt sie zu zivilisiren, sie
durch Schulen, sowie durch Geistliche zu anderen gesellschaftlichen Ansichten und
einem besseren Leben zu bekehren, war diese Menschenschinder-Regierung nur
froh, unter ihrer Hand immer ein so unwissendes, aber zugleich so schlagfer¬
tiges Volk zu haben." -- "Wenn ein Mensch, weil er weder türkisch noch
slavisch spricht, verachtet, ja verlacht wird, so wird er zornig und, anstatt gut
gesinnt, feindselig, verschlossen, finster. Das ist der Fall mit dem armen Ski-
petaren, der wie aus einem Traum selig erwacht, wenn ein Fremder ihn in
seiner Sprache anredet, wäre es auch radebrecherisch wie in meinem Falle.
Wenn man ihn an seine Gebräuche und seine besonderen Feste erinnert oder
ihm selbst seine sonderbaren Mythen vorträgt, so hat man einen ganz anderen
Menschen vor sich."

So wären also auch hier Handhaben gegeben zur Gewinnung der Bevöl¬
kerung und zu deren Hebung. Boue versieht auf's Wärmste die Ansicht, daß
sich die Albanesen, wie trotzig sie anch den Fremden aus dem Norden jetzt
noch entgegenstehen, einer Regierung, die ihnen wohlwollend, mit Achtung vor
ihrer Sprache und ihren Sitten entgegenkommt, die sich bestrebt zeigt, ihnen
aus ihrer bisherigen grauenhaften Verwahrlostheit heranszuhelsen, und ihnen
die Mittel bietet, zu lernen und sich zu bilden, gefügig und dankbar erzeigen
werden. Sie sind vortreffliche Soldaten und Matrosen, sie haben aber auch
alle natürlichen Anlagen, zu einem Volke zu werde", dessen sich die gesittete
Welt nicht zu schämen hat, und das sie sich darum getrost angliedern darf.

Unsere Schrift schließt mit einigen Vorschlägen in Betreff der Reorgani¬
sation Neuösterreich's, über die wir noch kurz referiren. Was der Verfasser
in Betreff der Absteckung der Verwaltungsbezirke bemerkt, übergehen wir als
für weitere Kreise ohne Bedeutung. Dagegen ist Anderes für uns von Interesse.
Selbstverständlich wird an die Stelle der bisherigen Mißwirthschaft eine nach
allen Richtungen geordnete administrative Praxis, an die Stelle liederlichen,
apathischen Schlendrians und roher Willkür ein aufmerksames, rastlos thätiges
und gerechtes Regiment zu treten haben. Gleichmäßige Vertheilung und regel¬
rechte EinHebung der Steuern, Einführung einer wirklichen Gerechtigkeitspflege
in bürgerlichen und Strafsachen, strenge und zugleich humane Behandlung der
Gefangenen, Handhabung einer allen habsüchtigen Uebergriffen vorbeugenden
Marktpolizei, die in Serajewo bereits geübt wird -- diese und ähnliche Refor¬
men auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens und Haushalts werden der Be¬
völkerung zeigen, daß sie unter einer Regierung lebt, welche der bisherigen
weit vorzuziehen ist.


den er aus Anlaß der jüngsten politischen Wendung im Neuen Wiener Abend¬
blatt veröffentlicht hat: „Wer hat denn dieses interessante Urvolk so wild und
unwirsch gegen Fremde gemacht als die Türken? Statt sie zu zivilisiren, sie
durch Schulen, sowie durch Geistliche zu anderen gesellschaftlichen Ansichten und
einem besseren Leben zu bekehren, war diese Menschenschinder-Regierung nur
froh, unter ihrer Hand immer ein so unwissendes, aber zugleich so schlagfer¬
tiges Volk zu haben." — „Wenn ein Mensch, weil er weder türkisch noch
slavisch spricht, verachtet, ja verlacht wird, so wird er zornig und, anstatt gut
gesinnt, feindselig, verschlossen, finster. Das ist der Fall mit dem armen Ski-
petaren, der wie aus einem Traum selig erwacht, wenn ein Fremder ihn in
seiner Sprache anredet, wäre es auch radebrecherisch wie in meinem Falle.
Wenn man ihn an seine Gebräuche und seine besonderen Feste erinnert oder
ihm selbst seine sonderbaren Mythen vorträgt, so hat man einen ganz anderen
Menschen vor sich."

So wären also auch hier Handhaben gegeben zur Gewinnung der Bevöl¬
kerung und zu deren Hebung. Boue versieht auf's Wärmste die Ansicht, daß
sich die Albanesen, wie trotzig sie anch den Fremden aus dem Norden jetzt
noch entgegenstehen, einer Regierung, die ihnen wohlwollend, mit Achtung vor
ihrer Sprache und ihren Sitten entgegenkommt, die sich bestrebt zeigt, ihnen
aus ihrer bisherigen grauenhaften Verwahrlostheit heranszuhelsen, und ihnen
die Mittel bietet, zu lernen und sich zu bilden, gefügig und dankbar erzeigen
werden. Sie sind vortreffliche Soldaten und Matrosen, sie haben aber auch
alle natürlichen Anlagen, zu einem Volke zu werde», dessen sich die gesittete
Welt nicht zu schämen hat, und das sie sich darum getrost angliedern darf.

Unsere Schrift schließt mit einigen Vorschlägen in Betreff der Reorgani¬
sation Neuösterreich's, über die wir noch kurz referiren. Was der Verfasser
in Betreff der Absteckung der Verwaltungsbezirke bemerkt, übergehen wir als
für weitere Kreise ohne Bedeutung. Dagegen ist Anderes für uns von Interesse.
Selbstverständlich wird an die Stelle der bisherigen Mißwirthschaft eine nach
allen Richtungen geordnete administrative Praxis, an die Stelle liederlichen,
apathischen Schlendrians und roher Willkür ein aufmerksames, rastlos thätiges
und gerechtes Regiment zu treten haben. Gleichmäßige Vertheilung und regel¬
rechte EinHebung der Steuern, Einführung einer wirklichen Gerechtigkeitspflege
in bürgerlichen und Strafsachen, strenge und zugleich humane Behandlung der
Gefangenen, Handhabung einer allen habsüchtigen Uebergriffen vorbeugenden
Marktpolizei, die in Serajewo bereits geübt wird — diese und ähnliche Refor¬
men auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens und Haushalts werden der Be¬
völkerung zeigen, daß sie unter einer Regierung lebt, welche der bisherigen
weit vorzuziehen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/70>, abgerufen am 01.10.2024.