Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Der Bosnier ist sonst kein übler Mensch. Seine Erscheinung ist meist So wohnt der böhmische Kenel oder Bauer, und der türkische Beamte ist Der Bosnier ist sonst kein übler Mensch. Seine Erscheinung ist meist So wohnt der böhmische Kenel oder Bauer, und der türkische Beamte ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141473"/> <p xml:id="ID_173"> Der Bosnier ist sonst kein übler Mensch. Seine Erscheinung ist meist<lb/> stattlich, seine Sprache gehört zu den wohllautendsten Idiomen der slavischen<lb/> Race, er zeigt sich mäßig und genügsam; von Natur geistig nicht unbegabt,<lb/> verräth er häufig das Verlangen, Besseres, als er weiß, zu lernen. Sein<lb/> jetziges Wissen und Können ist freilich sehr bescheidener Art. Man betrachte ihn<lb/> z. B. in seiner Eigenschaft als Ackersmann. Alles um ihn befindet sich da<lb/> noch halb im Urzustande. „Die Bestellung der Felder ist auf der untersten<lb/> Stufe. Ein Pflug aus einem Baumstamm ohne ein Stückchen Eisen, vier<lb/> oder sechs Rinder davorgespannt, die von zwei oder drei Personen mit großem<lb/> Geschrei angetrieben werden, hinter dem pflügenden Bauer das Weib oder die<lb/> Tochter, die in die Risse — Furchen kann man es keinen nennen — den Samen<lb/> streut, um dann mit ihrem nackten Fuße leichthin Erde darüber zu schieben.<lb/> Dornzweige müssen als Egge dienen, den Rechen kennt man so wenig wie den<lb/> Dreschflegel, die Körner werden durch über die Garben gejagte Pferde aus<lb/> den Aehren getreten." Brachwirthschaft versteht sich von selbst, von rationellen<lb/> Fruchtwechsel hat man keine Ahnung. Auch an den landwirtschaftlichen<lb/> Wagen ist kein Eisen zu bemerken, die vier hölzernen Scheiben, die denselben,<lb/> vom Bauer selbst geschnitten, als Räder dienen, sind nicht rund, sondern sechs-<lb/> oder achteckig und bewegen sich kreischend und knackend in ungeschmierten oval<lb/> ausgeschliffenen Nabenlöchern. Das Haus des Landmanns, in der primitivsten<lb/> Weise aufgeführt, hat meist nur ein Erdgeschoß mit zwei Gelassen, von denen<lb/> das größere als Küche, Speisezimmer und Berathungssaal für die Familie<lb/> und ihre Freunde gebraucht wird. In der Mitte befindet sich eine große vier¬<lb/> eckige Steinplatte, der Herd, über dem der Kochkessel hängt, und auf dem fast<lb/> den ganzen Tag über ein Feuer brennt. Ein Schornstein ist nicht vorhanden,<lb/> und so sucht sich der Rauch seinen Weg durch Thür und Fenster oder hängt<lb/> sich in Gestalt von Rußflocken an Decke und Wände. Glasscheiben sind ein<lb/> Luxus, dem man hier nur in den Städten zuweilen begegnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> So wohnt der böhmische Kenel oder Bauer, und der türkische Beamte ist<lb/> — man vergleiche S. 19 die Schilderung der Amtswohnung des Kaimakams<lb/> von Gacko — in der Regel nach dieser Richtung hin kaum besser eingerichtet.<lb/> Aber seit das benachbarte und stammverwandte Serbien das Türkenjoch abge¬<lb/> worfen hat, ist es dort sowohl in dieser Beziehung als in vielen anderen<lb/> wesentlich besser geworden. Man ist dort seitdem häuslich reinlicher und be¬<lb/> quemer eingerichtet, man besitzt gute Straßen und leidliche Herbergen, und die<lb/> Landwirthschaft hat sich gehoben. Sollte für Bosnien und die Herzegowina<lb/> sich mit den Kräften, die Oesterreich-Ungarn zu Gebote stehen, nicht in kürzerer<lb/> Zeit Aehnliches erreichen lassen? Gewiß. Sie waren in der Römerzeit und<lb/> noch in den letzten'Jahrzehnten des Mittelalters blühende Länder, wohlbe-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
Der Bosnier ist sonst kein übler Mensch. Seine Erscheinung ist meist
stattlich, seine Sprache gehört zu den wohllautendsten Idiomen der slavischen
Race, er zeigt sich mäßig und genügsam; von Natur geistig nicht unbegabt,
verräth er häufig das Verlangen, Besseres, als er weiß, zu lernen. Sein
jetziges Wissen und Können ist freilich sehr bescheidener Art. Man betrachte ihn
z. B. in seiner Eigenschaft als Ackersmann. Alles um ihn befindet sich da
noch halb im Urzustande. „Die Bestellung der Felder ist auf der untersten
Stufe. Ein Pflug aus einem Baumstamm ohne ein Stückchen Eisen, vier
oder sechs Rinder davorgespannt, die von zwei oder drei Personen mit großem
Geschrei angetrieben werden, hinter dem pflügenden Bauer das Weib oder die
Tochter, die in die Risse — Furchen kann man es keinen nennen — den Samen
streut, um dann mit ihrem nackten Fuße leichthin Erde darüber zu schieben.
Dornzweige müssen als Egge dienen, den Rechen kennt man so wenig wie den
Dreschflegel, die Körner werden durch über die Garben gejagte Pferde aus
den Aehren getreten." Brachwirthschaft versteht sich von selbst, von rationellen
Fruchtwechsel hat man keine Ahnung. Auch an den landwirtschaftlichen
Wagen ist kein Eisen zu bemerken, die vier hölzernen Scheiben, die denselben,
vom Bauer selbst geschnitten, als Räder dienen, sind nicht rund, sondern sechs-
oder achteckig und bewegen sich kreischend und knackend in ungeschmierten oval
ausgeschliffenen Nabenlöchern. Das Haus des Landmanns, in der primitivsten
Weise aufgeführt, hat meist nur ein Erdgeschoß mit zwei Gelassen, von denen
das größere als Küche, Speisezimmer und Berathungssaal für die Familie
und ihre Freunde gebraucht wird. In der Mitte befindet sich eine große vier¬
eckige Steinplatte, der Herd, über dem der Kochkessel hängt, und auf dem fast
den ganzen Tag über ein Feuer brennt. Ein Schornstein ist nicht vorhanden,
und so sucht sich der Rauch seinen Weg durch Thür und Fenster oder hängt
sich in Gestalt von Rußflocken an Decke und Wände. Glasscheiben sind ein
Luxus, dem man hier nur in den Städten zuweilen begegnet.
So wohnt der böhmische Kenel oder Bauer, und der türkische Beamte ist
— man vergleiche S. 19 die Schilderung der Amtswohnung des Kaimakams
von Gacko — in der Regel nach dieser Richtung hin kaum besser eingerichtet.
Aber seit das benachbarte und stammverwandte Serbien das Türkenjoch abge¬
worfen hat, ist es dort sowohl in dieser Beziehung als in vielen anderen
wesentlich besser geworden. Man ist dort seitdem häuslich reinlicher und be¬
quemer eingerichtet, man besitzt gute Straßen und leidliche Herbergen, und die
Landwirthschaft hat sich gehoben. Sollte für Bosnien und die Herzegowina
sich mit den Kräften, die Oesterreich-Ungarn zu Gebote stehen, nicht in kürzerer
Zeit Aehnliches erreichen lassen? Gewiß. Sie waren in der Römerzeit und
noch in den letzten'Jahrzehnten des Mittelalters blühende Länder, wohlbe-
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