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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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sein eigentliches Fahrwasser. Das leichtlebige, genußsüchtige, sinnlich-srohe Wien
war der Boden, auf dem sich ein so rein äußerliches Talent wie das Makart's
zu vollster Blüthe entfalten mußte. Diese Blüthe brach früher auf, als man
erwartet hatte. Uebersättigt durch seine Erfolge auf dem Gebiete des "schönen
Scheins", in der Absicht, sich von dem schlechten Rufe eines Dekorationsmalers
zu reinigen, versuchte er sich zum ersten Male mit einer historischen Komposition.
Dem Schüler Piloty's konnte es dabei freilich nicht um einen bedeutsamen
historischen Vorgang voll dramatischen Lebens zu thun sein, sondern nur um
eine Gelegenheit, sein glänzendes Farbenspiel an reichen Prunkgewändern und
kostbaren Stoffen zu erproben. Vielleicht auch in dem dunkeln Bewußtsein seines
Mangels an geistiger Kraft wählte er, gerade wie es Paolo Veronese zu thun
beliebte, eine feierliche Zeremonie, welche ihm den erwünschten Vorwand für
feine Zwecke bot. "Venedig huldigt der Katharina Cornaro" -- das ist der
Titel des im Jahre 1873 vollendeten Bildes, welches zur Zeit der Weltaus¬
stellung im Wiener Künstlerhause ausgestellt war, dann seine Wanderung durch
die Hauptstädte Europa's machte, 1876 nach Philadelphia übergeführt wurde und
schließlich ein dauerndes Unterkommen als glänzende und wirkungsvolle Deko¬
ration einer Wand des Treppenhauses in der Berliner Nationalgalerie ge¬
funden hat.

Der historische Sinn, das Verständniß für den Charakter gewisser Epochen
und der in ihnen lebenden Menschen geht unserm Künstler völlig ab. Katha¬
rina Cornaro, welche die Republik Venedig als ihre Tochter proklamirt hatte,
vermählte sich im Jahre 1470 mit Jacopo II. von Lusignan, König von Cypern.
Aber Makart verlegte den übrigens von ihm frei erfundenen Vorgang in die
Blüthezeit des 16. Jahrhunderts, in eine Zeit, in welcher bereits die Meister¬
werke eines Sansovino, eines Tizian, eines Veronese die stolze Königin der
Adria schmückten. Auf diese Zeit deuten die prunkvollen Kostüme, deutet die
Palastarchitektur im Hintergrunde, welche die Folie zu dem bunten Aufzuge
bildet, der sich der auf dem Potest einer Treppe thronenden Katharina
gabenbringend naht. Der reine Genuß, welcher diese nach jeder Hinsicht reifste
Schöpfung Makart's in dem Beschauer hervorruft, wird leider durch die Haupt¬
figur getrübt. Wenn wir auch nicht auf das historische Datum pochen wollen
-- Katharina war damals 26 Jahre alt --, so dürfen wir doch immerhin in
der venetianischen Patrizierstochter, welcher der greise Beherrscher von Cypern
eine Königskrone zu Füßen legte, eine hoheitsvolle Gestalt mit anmuthigen,
jugendlichen Zügen erwarten, und nicht eine so herbe, strenge Jungfrau mit
hohlen Augen und fahlem Teint, die -- man verzeihe den Ausdruck -- an einen
ausgebrannten Vulkan erinnert. Aber die reiche Fülle wohlgelungener Neben¬
figuren muß am Ende für das Mißglücken der Hauptperson entschädigen.


sein eigentliches Fahrwasser. Das leichtlebige, genußsüchtige, sinnlich-srohe Wien
war der Boden, auf dem sich ein so rein äußerliches Talent wie das Makart's
zu vollster Blüthe entfalten mußte. Diese Blüthe brach früher auf, als man
erwartet hatte. Uebersättigt durch seine Erfolge auf dem Gebiete des „schönen
Scheins", in der Absicht, sich von dem schlechten Rufe eines Dekorationsmalers
zu reinigen, versuchte er sich zum ersten Male mit einer historischen Komposition.
Dem Schüler Piloty's konnte es dabei freilich nicht um einen bedeutsamen
historischen Vorgang voll dramatischen Lebens zu thun sein, sondern nur um
eine Gelegenheit, sein glänzendes Farbenspiel an reichen Prunkgewändern und
kostbaren Stoffen zu erproben. Vielleicht auch in dem dunkeln Bewußtsein seines
Mangels an geistiger Kraft wählte er, gerade wie es Paolo Veronese zu thun
beliebte, eine feierliche Zeremonie, welche ihm den erwünschten Vorwand für
feine Zwecke bot. „Venedig huldigt der Katharina Cornaro" — das ist der
Titel des im Jahre 1873 vollendeten Bildes, welches zur Zeit der Weltaus¬
stellung im Wiener Künstlerhause ausgestellt war, dann seine Wanderung durch
die Hauptstädte Europa's machte, 1876 nach Philadelphia übergeführt wurde und
schließlich ein dauerndes Unterkommen als glänzende und wirkungsvolle Deko¬
ration einer Wand des Treppenhauses in der Berliner Nationalgalerie ge¬
funden hat.

Der historische Sinn, das Verständniß für den Charakter gewisser Epochen
und der in ihnen lebenden Menschen geht unserm Künstler völlig ab. Katha¬
rina Cornaro, welche die Republik Venedig als ihre Tochter proklamirt hatte,
vermählte sich im Jahre 1470 mit Jacopo II. von Lusignan, König von Cypern.
Aber Makart verlegte den übrigens von ihm frei erfundenen Vorgang in die
Blüthezeit des 16. Jahrhunderts, in eine Zeit, in welcher bereits die Meister¬
werke eines Sansovino, eines Tizian, eines Veronese die stolze Königin der
Adria schmückten. Auf diese Zeit deuten die prunkvollen Kostüme, deutet die
Palastarchitektur im Hintergrunde, welche die Folie zu dem bunten Aufzuge
bildet, der sich der auf dem Potest einer Treppe thronenden Katharina
gabenbringend naht. Der reine Genuß, welcher diese nach jeder Hinsicht reifste
Schöpfung Makart's in dem Beschauer hervorruft, wird leider durch die Haupt¬
figur getrübt. Wenn wir auch nicht auf das historische Datum pochen wollen
— Katharina war damals 26 Jahre alt —, so dürfen wir doch immerhin in
der venetianischen Patrizierstochter, welcher der greise Beherrscher von Cypern
eine Königskrone zu Füßen legte, eine hoheitsvolle Gestalt mit anmuthigen,
jugendlichen Zügen erwarten, und nicht eine so herbe, strenge Jungfrau mit
hohlen Augen und fahlem Teint, die — man verzeihe den Ausdruck — an einen
ausgebrannten Vulkan erinnert. Aber die reiche Fülle wohlgelungener Neben¬
figuren muß am Ende für das Mißglücken der Hauptperson entschädigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/512>, abgerufen am 06.02.2025.