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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Hinter der jungen, in Goldbrokat gekleideten Königin steht unter rothem Bal¬
dachine der Vater Katharina's im Purpur der Senatoren, ernsten Auges auf
die edlen Frauen und Jungfrauen blickend, welche sich feiner Tochter huldigend
nahen. Sein schöner Kopf mit kurzgeschorenem Haar und scharf geschnittenen
Zügen, auf dessen Stirn das gedämpfte Sonnenlicht fällt, ist den prachtvoll
energischen Senatorenköpfen eines Tizian, eines Tintoretto nachgebildet; auch
die meisten übrigen Köpfe erinnern an altvenetianische Typen, oder die mo¬
dernen Modelle sind doch wenigstens soweit stilisirt, daß sie mit den Renaissance¬
kostümen nicht disharmoniren. All' die vornehmen Damen, die sich ihrer zu
hoher Würde gelangten Landsmännin mit kostbaren Geschenken und Blumen-
spenden nahen, die ehrwürdigen Nobili und das bunte Volk Venedig's, braune
Asiaten und Afrikaner, durch alle geht ein einheitlicher Zug, ein einheitliches
Interesse, welches der Geschlossenheit der Komposition zu Gute kommt. Der
Charakter derselben ist freilich ein friesartiger, nicht besonders mannichfaltiger,
aber er zerfällt doch in einzelne Gruppen, die mit dem Endpunkte in einen
klaren Zusammenhang gebracht worden sind. Klarheit ist überhaupt ein Vorzug
dieser Komposition, und wenn auch nicht alle Figuren und Gliedmaßen bis in's
Einzelne korrekt durchgezeichnet sind, so stört doch nirgends eine grobe Nach¬
lässigkeit die Harmonie des Ganzen. Einzelne Köpfe sind von bezaubernder
Schönheit, aber allen fehlt geistiges Leben und individuelle Beseelung. Es sind
schöne Masken, ein glänzender Karneval, auf welchem unser Auge mit Wohl¬
gefallen ruht, ohne daß auch nur eine Saite in unserm Herzen berührt würde.

Als Kolorist hat Makart jedoch auf diesem Bilde seine glänzendsten Trümpfe
ausgespielt. Alle Farben, an der Spitze das berühmte Roth in seiner tiefen,
edelsteinartigen Leuchtkraft, das lichte Gelb, das Olivengrün der Sammetkleider,
das saftige Blau des Himmels, strahlen noch in ungebrochener Kraft und sind
zu einem vollen symphonischen Akkord zusammengestimmt, der in gleicher Stärke
durch das ganze Bild klingt. Fehlt den Köpfen auch der geistige Ausdruck, so
sind sie doch ziemlich plastisch modellirt und zu frappanter Wirkung herausge¬
arbeitet. Der Maler dieses Bildes konnte also wohl, wenn man von dem
geistigen Gehalt und der naiven Grazie absieht, als ein moderner Nachfolger
Paolo Veronese's gelten. Aber seine Kraft reichte nicht aus, auch nur diesen
Ruhm auf die Dauer zu bewahren.

Katharina Cornaro ist streng genommen nichts mehr als ein geschickt ge¬
stelltes lebendes Bild, der brillante Schlußeffekt einer Oper. Auf das Klingel¬
zeichen des Regisseurs haben sich die Mitspieler auf ihren im Voraus ange¬
wiesenen Platz begeben, ihre Glieder sind starr und unbeweglich, und ihre Mienen
zeigen jenen schlaffen, abgespannten, geistlosen Ausdruck, der sich einzustellen
pflegt, wenn man lange und unverwandt auf einen Puukt blickt. Wenn man


Grenzboten 7. 1879.

Hinter der jungen, in Goldbrokat gekleideten Königin steht unter rothem Bal¬
dachine der Vater Katharina's im Purpur der Senatoren, ernsten Auges auf
die edlen Frauen und Jungfrauen blickend, welche sich feiner Tochter huldigend
nahen. Sein schöner Kopf mit kurzgeschorenem Haar und scharf geschnittenen
Zügen, auf dessen Stirn das gedämpfte Sonnenlicht fällt, ist den prachtvoll
energischen Senatorenköpfen eines Tizian, eines Tintoretto nachgebildet; auch
die meisten übrigen Köpfe erinnern an altvenetianische Typen, oder die mo¬
dernen Modelle sind doch wenigstens soweit stilisirt, daß sie mit den Renaissance¬
kostümen nicht disharmoniren. All' die vornehmen Damen, die sich ihrer zu
hoher Würde gelangten Landsmännin mit kostbaren Geschenken und Blumen-
spenden nahen, die ehrwürdigen Nobili und das bunte Volk Venedig's, braune
Asiaten und Afrikaner, durch alle geht ein einheitlicher Zug, ein einheitliches
Interesse, welches der Geschlossenheit der Komposition zu Gute kommt. Der
Charakter derselben ist freilich ein friesartiger, nicht besonders mannichfaltiger,
aber er zerfällt doch in einzelne Gruppen, die mit dem Endpunkte in einen
klaren Zusammenhang gebracht worden sind. Klarheit ist überhaupt ein Vorzug
dieser Komposition, und wenn auch nicht alle Figuren und Gliedmaßen bis in's
Einzelne korrekt durchgezeichnet sind, so stört doch nirgends eine grobe Nach¬
lässigkeit die Harmonie des Ganzen. Einzelne Köpfe sind von bezaubernder
Schönheit, aber allen fehlt geistiges Leben und individuelle Beseelung. Es sind
schöne Masken, ein glänzender Karneval, auf welchem unser Auge mit Wohl¬
gefallen ruht, ohne daß auch nur eine Saite in unserm Herzen berührt würde.

Als Kolorist hat Makart jedoch auf diesem Bilde seine glänzendsten Trümpfe
ausgespielt. Alle Farben, an der Spitze das berühmte Roth in seiner tiefen,
edelsteinartigen Leuchtkraft, das lichte Gelb, das Olivengrün der Sammetkleider,
das saftige Blau des Himmels, strahlen noch in ungebrochener Kraft und sind
zu einem vollen symphonischen Akkord zusammengestimmt, der in gleicher Stärke
durch das ganze Bild klingt. Fehlt den Köpfen auch der geistige Ausdruck, so
sind sie doch ziemlich plastisch modellirt und zu frappanter Wirkung herausge¬
arbeitet. Der Maler dieses Bildes konnte also wohl, wenn man von dem
geistigen Gehalt und der naiven Grazie absieht, als ein moderner Nachfolger
Paolo Veronese's gelten. Aber seine Kraft reichte nicht aus, auch nur diesen
Ruhm auf die Dauer zu bewahren.

Katharina Cornaro ist streng genommen nichts mehr als ein geschickt ge¬
stelltes lebendes Bild, der brillante Schlußeffekt einer Oper. Auf das Klingel¬
zeichen des Regisseurs haben sich die Mitspieler auf ihren im Voraus ange¬
wiesenen Platz begeben, ihre Glieder sind starr und unbeweglich, und ihre Mienen
zeigen jenen schlaffen, abgespannten, geistlosen Ausdruck, der sich einzustellen
pflegt, wenn man lange und unverwandt auf einen Puukt blickt. Wenn man


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[0513] Hinter der jungen, in Goldbrokat gekleideten Königin steht unter rothem Bal¬ dachine der Vater Katharina's im Purpur der Senatoren, ernsten Auges auf die edlen Frauen und Jungfrauen blickend, welche sich feiner Tochter huldigend nahen. Sein schöner Kopf mit kurzgeschorenem Haar und scharf geschnittenen Zügen, auf dessen Stirn das gedämpfte Sonnenlicht fällt, ist den prachtvoll energischen Senatorenköpfen eines Tizian, eines Tintoretto nachgebildet; auch die meisten übrigen Köpfe erinnern an altvenetianische Typen, oder die mo¬ dernen Modelle sind doch wenigstens soweit stilisirt, daß sie mit den Renaissance¬ kostümen nicht disharmoniren. All' die vornehmen Damen, die sich ihrer zu hoher Würde gelangten Landsmännin mit kostbaren Geschenken und Blumen- spenden nahen, die ehrwürdigen Nobili und das bunte Volk Venedig's, braune Asiaten und Afrikaner, durch alle geht ein einheitlicher Zug, ein einheitliches Interesse, welches der Geschlossenheit der Komposition zu Gute kommt. Der Charakter derselben ist freilich ein friesartiger, nicht besonders mannichfaltiger, aber er zerfällt doch in einzelne Gruppen, die mit dem Endpunkte in einen klaren Zusammenhang gebracht worden sind. Klarheit ist überhaupt ein Vorzug dieser Komposition, und wenn auch nicht alle Figuren und Gliedmaßen bis in's Einzelne korrekt durchgezeichnet sind, so stört doch nirgends eine grobe Nach¬ lässigkeit die Harmonie des Ganzen. Einzelne Köpfe sind von bezaubernder Schönheit, aber allen fehlt geistiges Leben und individuelle Beseelung. Es sind schöne Masken, ein glänzender Karneval, auf welchem unser Auge mit Wohl¬ gefallen ruht, ohne daß auch nur eine Saite in unserm Herzen berührt würde. Als Kolorist hat Makart jedoch auf diesem Bilde seine glänzendsten Trümpfe ausgespielt. Alle Farben, an der Spitze das berühmte Roth in seiner tiefen, edelsteinartigen Leuchtkraft, das lichte Gelb, das Olivengrün der Sammetkleider, das saftige Blau des Himmels, strahlen noch in ungebrochener Kraft und sind zu einem vollen symphonischen Akkord zusammengestimmt, der in gleicher Stärke durch das ganze Bild klingt. Fehlt den Köpfen auch der geistige Ausdruck, so sind sie doch ziemlich plastisch modellirt und zu frappanter Wirkung herausge¬ arbeitet. Der Maler dieses Bildes konnte also wohl, wenn man von dem geistigen Gehalt und der naiven Grazie absieht, als ein moderner Nachfolger Paolo Veronese's gelten. Aber seine Kraft reichte nicht aus, auch nur diesen Ruhm auf die Dauer zu bewahren. Katharina Cornaro ist streng genommen nichts mehr als ein geschickt ge¬ stelltes lebendes Bild, der brillante Schlußeffekt einer Oper. Auf das Klingel¬ zeichen des Regisseurs haben sich die Mitspieler auf ihren im Voraus ange¬ wiesenen Platz begeben, ihre Glieder sind starr und unbeweglich, und ihre Mienen zeigen jenen schlaffen, abgespannten, geistlosen Ausdruck, der sich einzustellen pflegt, wenn man lange und unverwandt auf einen Puukt blickt. Wenn man Grenzboten 7. 1879.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/513>, abgerufen am 06.02.2025.