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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Beiwerk die formale Durchbildung der Figuren stark in den Hintergrund, und
das geistige Leben der Letzteren war vollends auf ein fehr niedriges Niveau
herabgesunken.

Makart, der gelehrigste Schüler Piloty's, hat diese Eigenarten des Meisters
nach jeder Richtung hin übertrieben, im guten und schlechten Sinne. Er hat
in koloristischen Bravourstücken eine Höhe erreicht, die in der Malerei der Ge¬
genwart nicht ihresgleichen findet, er hat aber auch aus seinen Figuren den
letzten Rest geistigen Lebens, welches ihnen die Piloty-Schule noch gelassen, völlig
herausgefegt. Das dramatische Pathos ihrer Historienmaler war allmählich
zum theatralischen geworden, ihre historischen Kompositionen waren geschickt
gruppirte, lebende Bilder, wie sie die moderne Jnszenirungsknnst unter benga¬
lischer Beleuchtung oder bei elektrischem Licht am Schlüsse von großen Opern
und Spektakelstücken zu stellen liebt. Das individuelle Leben war am Ende
ganz in die gedankenlose Sinnlichkeit eines berauschenden Kvlorismus auf¬
gegangen. Indem sich fo die Malerei immer mehr vom Leben entfernte und
dem Theater näherte, wurden auch ihre Effektmittel gröber. Um große Massen,
an denen sich die koloristische Meisterschaft erproben konnte, zu bewältigen, be¬
dürfte es großer Flächen. Kaulbach, der, wenigstens was die theatralische,
opernhafte Haltung seiner geschichtlichen Szenen anlangt, auch dieser Richtung
angehört, hatte noch große Wandflächen zu feiner Verfügung. Aber er ver¬
mochte durch ein großes Massenaufgebot den Mangel an geistiger Kraft ebenso¬
wenig zu verbergen, wie es Makart gelingen will. Indem sich die Malerei
dem Theater näherte, nahm sie noch einen andern verhängnißvollen Zug von
der Bühne an, die Neigung zu dekorativer Behandlung des Details.

Gerade auf Makart hat diese Richtung in der verderblichsten Weise gewirkt.
Es ist gleichsam die Kette, die von seinem ersten Auftreten bis auf den heutigen
Tag an seinem Fuße geklirrt, die selbst seinen besten Freunden, feinen be¬
geistertsten Parteigängern den reinen Genuß an feinen Schöpfungen verbittert
hat. Vielleicht ist in dieser Hinsicht der erste größere Auftrag, der ihm zu Theil
ward, von verhängnisvollen Einfluß auf seinen späteren Entwickelungsgang ge¬
worden. Es war eine Zimmerdekoration für das Palais eines russischen Großen
in Petersburg, eine Aufgabe, die allerdings seiner auf das Phantastische ge¬
richteten Sinnesart entgegenkam.

Wie Piloty hat auch Makart feinen Farbensinn an den reichen Schätzen
gekräftigt, welche die Münchener Pinakothek aus Rubens' künstlerischem Ver-
mächtniß besitzt. Auch seine Formensprache übte er an der des flämischen
Meisters, dessen mächtige Körpergebilde mit ihrem üppigen, kraftstrotzenden
Fleische sich der Phantasie des modernen Künstlers so tief einprägten, daß aus
ihnen eine neue, noch um Vieles stärker accentuirte Formensprache erwuchs.


Beiwerk die formale Durchbildung der Figuren stark in den Hintergrund, und
das geistige Leben der Letzteren war vollends auf ein fehr niedriges Niveau
herabgesunken.

Makart, der gelehrigste Schüler Piloty's, hat diese Eigenarten des Meisters
nach jeder Richtung hin übertrieben, im guten und schlechten Sinne. Er hat
in koloristischen Bravourstücken eine Höhe erreicht, die in der Malerei der Ge¬
genwart nicht ihresgleichen findet, er hat aber auch aus seinen Figuren den
letzten Rest geistigen Lebens, welches ihnen die Piloty-Schule noch gelassen, völlig
herausgefegt. Das dramatische Pathos ihrer Historienmaler war allmählich
zum theatralischen geworden, ihre historischen Kompositionen waren geschickt
gruppirte, lebende Bilder, wie sie die moderne Jnszenirungsknnst unter benga¬
lischer Beleuchtung oder bei elektrischem Licht am Schlüsse von großen Opern
und Spektakelstücken zu stellen liebt. Das individuelle Leben war am Ende
ganz in die gedankenlose Sinnlichkeit eines berauschenden Kvlorismus auf¬
gegangen. Indem sich fo die Malerei immer mehr vom Leben entfernte und
dem Theater näherte, wurden auch ihre Effektmittel gröber. Um große Massen,
an denen sich die koloristische Meisterschaft erproben konnte, zu bewältigen, be¬
dürfte es großer Flächen. Kaulbach, der, wenigstens was die theatralische,
opernhafte Haltung seiner geschichtlichen Szenen anlangt, auch dieser Richtung
angehört, hatte noch große Wandflächen zu feiner Verfügung. Aber er ver¬
mochte durch ein großes Massenaufgebot den Mangel an geistiger Kraft ebenso¬
wenig zu verbergen, wie es Makart gelingen will. Indem sich die Malerei
dem Theater näherte, nahm sie noch einen andern verhängnißvollen Zug von
der Bühne an, die Neigung zu dekorativer Behandlung des Details.

Gerade auf Makart hat diese Richtung in der verderblichsten Weise gewirkt.
Es ist gleichsam die Kette, die von seinem ersten Auftreten bis auf den heutigen
Tag an seinem Fuße geklirrt, die selbst seinen besten Freunden, feinen be¬
geistertsten Parteigängern den reinen Genuß an feinen Schöpfungen verbittert
hat. Vielleicht ist in dieser Hinsicht der erste größere Auftrag, der ihm zu Theil
ward, von verhängnisvollen Einfluß auf seinen späteren Entwickelungsgang ge¬
worden. Es war eine Zimmerdekoration für das Palais eines russischen Großen
in Petersburg, eine Aufgabe, die allerdings seiner auf das Phantastische ge¬
richteten Sinnesart entgegenkam.

Wie Piloty hat auch Makart feinen Farbensinn an den reichen Schätzen
gekräftigt, welche die Münchener Pinakothek aus Rubens' künstlerischem Ver-
mächtniß besitzt. Auch seine Formensprache übte er an der des flämischen
Meisters, dessen mächtige Körpergebilde mit ihrem üppigen, kraftstrotzenden
Fleische sich der Phantasie des modernen Künstlers so tief einprägten, daß aus
ihnen eine neue, noch um Vieles stärker accentuirte Formensprache erwuchs.


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[0507] Beiwerk die formale Durchbildung der Figuren stark in den Hintergrund, und das geistige Leben der Letzteren war vollends auf ein fehr niedriges Niveau herabgesunken. Makart, der gelehrigste Schüler Piloty's, hat diese Eigenarten des Meisters nach jeder Richtung hin übertrieben, im guten und schlechten Sinne. Er hat in koloristischen Bravourstücken eine Höhe erreicht, die in der Malerei der Ge¬ genwart nicht ihresgleichen findet, er hat aber auch aus seinen Figuren den letzten Rest geistigen Lebens, welches ihnen die Piloty-Schule noch gelassen, völlig herausgefegt. Das dramatische Pathos ihrer Historienmaler war allmählich zum theatralischen geworden, ihre historischen Kompositionen waren geschickt gruppirte, lebende Bilder, wie sie die moderne Jnszenirungsknnst unter benga¬ lischer Beleuchtung oder bei elektrischem Licht am Schlüsse von großen Opern und Spektakelstücken zu stellen liebt. Das individuelle Leben war am Ende ganz in die gedankenlose Sinnlichkeit eines berauschenden Kvlorismus auf¬ gegangen. Indem sich fo die Malerei immer mehr vom Leben entfernte und dem Theater näherte, wurden auch ihre Effektmittel gröber. Um große Massen, an denen sich die koloristische Meisterschaft erproben konnte, zu bewältigen, be¬ dürfte es großer Flächen. Kaulbach, der, wenigstens was die theatralische, opernhafte Haltung seiner geschichtlichen Szenen anlangt, auch dieser Richtung angehört, hatte noch große Wandflächen zu feiner Verfügung. Aber er ver¬ mochte durch ein großes Massenaufgebot den Mangel an geistiger Kraft ebenso¬ wenig zu verbergen, wie es Makart gelingen will. Indem sich die Malerei dem Theater näherte, nahm sie noch einen andern verhängnißvollen Zug von der Bühne an, die Neigung zu dekorativer Behandlung des Details. Gerade auf Makart hat diese Richtung in der verderblichsten Weise gewirkt. Es ist gleichsam die Kette, die von seinem ersten Auftreten bis auf den heutigen Tag an seinem Fuße geklirrt, die selbst seinen besten Freunden, feinen be¬ geistertsten Parteigängern den reinen Genuß an feinen Schöpfungen verbittert hat. Vielleicht ist in dieser Hinsicht der erste größere Auftrag, der ihm zu Theil ward, von verhängnisvollen Einfluß auf seinen späteren Entwickelungsgang ge¬ worden. Es war eine Zimmerdekoration für das Palais eines russischen Großen in Petersburg, eine Aufgabe, die allerdings seiner auf das Phantastische ge¬ richteten Sinnesart entgegenkam. Wie Piloty hat auch Makart feinen Farbensinn an den reichen Schätzen gekräftigt, welche die Münchener Pinakothek aus Rubens' künstlerischem Ver- mächtniß besitzt. Auch seine Formensprache übte er an der des flämischen Meisters, dessen mächtige Körpergebilde mit ihrem üppigen, kraftstrotzenden Fleische sich der Phantasie des modernen Künstlers so tief einprägten, daß aus ihnen eine neue, noch um Vieles stärker accentuirte Formensprache erwuchs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/507>, abgerufen am 06.02.2025.