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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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sich durch Frische und Ursprünglichkeit auszeichnen sollen, und dessen wissen¬
schaftliche Arbeiten gleichfalls gerühmt werden. Als Novellist wird Karawelow,
als Dramatiker werden Drumew, Dabroplotni, Woinikow, Jhonomow, Blskow
und Fingow, als Uebersetzer Michajlowski und Boncow genannt. Auf wissen¬
schaftlichem Gebiete haben sich der Philolog Krstjowic und der Historiker
Marin Drinow einen achtungswerthen Namen erworben. Als Sammler von
Volksliedern zeichneten sich zunächst die Gebrüder Demeter und Konstantin
Miladinow aus, deren reichhaltige Sammlung 1861 auf Kosten des bekannten
Bischofs Stroßmair zu Agram gedruckt wurde. Ein anderer bulgarischer
Gelehrter, Wassilije Tscholakow, veröffentlichte 1872 zu Bolgrcid in Bessarabien
ein sehr schätzbares Werk über die Sitten, Bräuche, Feste und Sprichwörter
seiner Landsleute, denen eine Anzahl von Volksliedern aus den Gegenden
nördlich vom Balkan beigegeben ist. Stefan Werkowic trug Lieder aus Mace-
donien und aus dem Rhodope-Gebirge, wo der mohammedanische Bulgaren¬
stamm der Pomaken wohnt, bei, Hitow Lieder der Balkan-Haiduken.

Diese junge Literatur enthält viel Unreifes und Schwächliches, berechtigt
aber bei der poetischen Begabung des Volkes, welches nach Rosen's Meinung
das sangreichste unter allen Slaven ist, immerhin zu guten Hoffnungen.

Auch die bulgarische Journalistik hat sich rasch entwickelt. Das erste
Organ der periodischen Presse Bulgarien's war die von Fontinow 1844 bis
1846 zu Smyrna herausgegebene Monatsschrift "Ljuboslowie", die erste poli¬
tische Zeitung (1846) Bogerow's "Bulgarski Orel". Der "Csarigradski Westnik"
wurde 1849 von Exarchow gegründet und erhielt sich bis 1861. Die Zeitung
"Mirozrenie" wurde von Dobrowic zuerst in Wien, dann in Bukarest und
zuletzt in Odessa herausgegeben und hier, "weil sie in bulgarischer Sprache
erschien", behauptet K. Emil Franzos, von der russischen Regierung unterdrückt.
Gegenwärtig erscheinen 14 bulgarische Blätter, von denen 6, Najdenow's
"Napreduk", Henly's "Jstocno Vreme", Balabanca's "Wek" und "Don"
(sämmtlich politischen Inhaltes), die Monatsschrift "Citaliste" (belletristisch) und
das theologische Fachblatt "Wukresnik" in Konstantinopel herauskommen. Die
übrigen sind das politische "Zncime" und das belletristische "Znanie", das
landwirtschaftliche "Stupan" und das pädagogische "Uciliste" (alle vier in
Bukarest), das wissenschaftliche "Periodicesko Spisanie" (in Braila) und die
Amtsblätter "Dunow" in Rustschuk, "Odrin" in Adrianopel und "solum" in
Salonik.

Im vorigen ist gezeigt worden, wie das Volk in vielen Bezirken
dem Patriarchen im Fcmar die Anerkennung seiner geistlichen Oberhoheit
aufkündigte und die kirchlichen Domänen unter stillschweigender Gutheißung
von Seiten der Pforte für Schulzwecke einzog. Jetzt war nur noch die


sich durch Frische und Ursprünglichkeit auszeichnen sollen, und dessen wissen¬
schaftliche Arbeiten gleichfalls gerühmt werden. Als Novellist wird Karawelow,
als Dramatiker werden Drumew, Dabroplotni, Woinikow, Jhonomow, Blskow
und Fingow, als Uebersetzer Michajlowski und Boncow genannt. Auf wissen¬
schaftlichem Gebiete haben sich der Philolog Krstjowic und der Historiker
Marin Drinow einen achtungswerthen Namen erworben. Als Sammler von
Volksliedern zeichneten sich zunächst die Gebrüder Demeter und Konstantin
Miladinow aus, deren reichhaltige Sammlung 1861 auf Kosten des bekannten
Bischofs Stroßmair zu Agram gedruckt wurde. Ein anderer bulgarischer
Gelehrter, Wassilije Tscholakow, veröffentlichte 1872 zu Bolgrcid in Bessarabien
ein sehr schätzbares Werk über die Sitten, Bräuche, Feste und Sprichwörter
seiner Landsleute, denen eine Anzahl von Volksliedern aus den Gegenden
nördlich vom Balkan beigegeben ist. Stefan Werkowic trug Lieder aus Mace-
donien und aus dem Rhodope-Gebirge, wo der mohammedanische Bulgaren¬
stamm der Pomaken wohnt, bei, Hitow Lieder der Balkan-Haiduken.

Diese junge Literatur enthält viel Unreifes und Schwächliches, berechtigt
aber bei der poetischen Begabung des Volkes, welches nach Rosen's Meinung
das sangreichste unter allen Slaven ist, immerhin zu guten Hoffnungen.

Auch die bulgarische Journalistik hat sich rasch entwickelt. Das erste
Organ der periodischen Presse Bulgarien's war die von Fontinow 1844 bis
1846 zu Smyrna herausgegebene Monatsschrift „Ljuboslowie", die erste poli¬
tische Zeitung (1846) Bogerow's „Bulgarski Orel". Der „Csarigradski Westnik"
wurde 1849 von Exarchow gegründet und erhielt sich bis 1861. Die Zeitung
„Mirozrenie" wurde von Dobrowic zuerst in Wien, dann in Bukarest und
zuletzt in Odessa herausgegeben und hier, „weil sie in bulgarischer Sprache
erschien", behauptet K. Emil Franzos, von der russischen Regierung unterdrückt.
Gegenwärtig erscheinen 14 bulgarische Blätter, von denen 6, Najdenow's
„Napreduk", Henly's „Jstocno Vreme", Balabanca's „Wek" und „Don"
(sämmtlich politischen Inhaltes), die Monatsschrift „Citaliste" (belletristisch) und
das theologische Fachblatt „Wukresnik" in Konstantinopel herauskommen. Die
übrigen sind das politische „Zncime" und das belletristische „Znanie", das
landwirtschaftliche „Stupan" und das pädagogische „Uciliste" (alle vier in
Bukarest), das wissenschaftliche „Periodicesko Spisanie" (in Braila) und die
Amtsblätter „Dunow" in Rustschuk, „Odrin" in Adrianopel und „solum" in
Salonik.

Im vorigen ist gezeigt worden, wie das Volk in vielen Bezirken
dem Patriarchen im Fcmar die Anerkennung seiner geistlichen Oberhoheit
aufkündigte und die kirchlichen Domänen unter stillschweigender Gutheißung
von Seiten der Pforte für Schulzwecke einzog. Jetzt war nur noch die


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[0468] sich durch Frische und Ursprünglichkeit auszeichnen sollen, und dessen wissen¬ schaftliche Arbeiten gleichfalls gerühmt werden. Als Novellist wird Karawelow, als Dramatiker werden Drumew, Dabroplotni, Woinikow, Jhonomow, Blskow und Fingow, als Uebersetzer Michajlowski und Boncow genannt. Auf wissen¬ schaftlichem Gebiete haben sich der Philolog Krstjowic und der Historiker Marin Drinow einen achtungswerthen Namen erworben. Als Sammler von Volksliedern zeichneten sich zunächst die Gebrüder Demeter und Konstantin Miladinow aus, deren reichhaltige Sammlung 1861 auf Kosten des bekannten Bischofs Stroßmair zu Agram gedruckt wurde. Ein anderer bulgarischer Gelehrter, Wassilije Tscholakow, veröffentlichte 1872 zu Bolgrcid in Bessarabien ein sehr schätzbares Werk über die Sitten, Bräuche, Feste und Sprichwörter seiner Landsleute, denen eine Anzahl von Volksliedern aus den Gegenden nördlich vom Balkan beigegeben ist. Stefan Werkowic trug Lieder aus Mace- donien und aus dem Rhodope-Gebirge, wo der mohammedanische Bulgaren¬ stamm der Pomaken wohnt, bei, Hitow Lieder der Balkan-Haiduken. Diese junge Literatur enthält viel Unreifes und Schwächliches, berechtigt aber bei der poetischen Begabung des Volkes, welches nach Rosen's Meinung das sangreichste unter allen Slaven ist, immerhin zu guten Hoffnungen. Auch die bulgarische Journalistik hat sich rasch entwickelt. Das erste Organ der periodischen Presse Bulgarien's war die von Fontinow 1844 bis 1846 zu Smyrna herausgegebene Monatsschrift „Ljuboslowie", die erste poli¬ tische Zeitung (1846) Bogerow's „Bulgarski Orel". Der „Csarigradski Westnik" wurde 1849 von Exarchow gegründet und erhielt sich bis 1861. Die Zeitung „Mirozrenie" wurde von Dobrowic zuerst in Wien, dann in Bukarest und zuletzt in Odessa herausgegeben und hier, „weil sie in bulgarischer Sprache erschien", behauptet K. Emil Franzos, von der russischen Regierung unterdrückt. Gegenwärtig erscheinen 14 bulgarische Blätter, von denen 6, Najdenow's „Napreduk", Henly's „Jstocno Vreme", Balabanca's „Wek" und „Don" (sämmtlich politischen Inhaltes), die Monatsschrift „Citaliste" (belletristisch) und das theologische Fachblatt „Wukresnik" in Konstantinopel herauskommen. Die übrigen sind das politische „Zncime" und das belletristische „Znanie", das landwirtschaftliche „Stupan" und das pädagogische „Uciliste" (alle vier in Bukarest), das wissenschaftliche „Periodicesko Spisanie" (in Braila) und die Amtsblätter „Dunow" in Rustschuk, „Odrin" in Adrianopel und „solum" in Salonik. Im vorigen ist gezeigt worden, wie das Volk in vielen Bezirken dem Patriarchen im Fcmar die Anerkennung seiner geistlichen Oberhoheit aufkündigte und die kirchlichen Domänen unter stillschweigender Gutheißung von Seiten der Pforte für Schulzwecke einzog. Jetzt war nur noch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/468>, abgerufen am 25.08.2024.