Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Am Dreikönigstage werden in katholischen Strichen Schwaben's Salz, Den zur Posse gewordenen Rest einer dramatischen Darstellung des Um¬ Als ein christianisirter Perchteulanf wird der Umzug der "Sternfinger *) A, a. O. S, 349.
Am Dreikönigstage werden in katholischen Strichen Schwaben's Salz, Den zur Posse gewordenen Rest einer dramatischen Darstellung des Um¬ Als ein christianisirter Perchteulanf wird der Umzug der „Sternfinger *) A, a. O. S, 349.
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Am Dreikönigstage werden in katholischen Strichen Schwaben's Salz,
Brod und Kreide geweiht. Mit der letzteren schreibt man dann über die Thüren
die Anfangsbuchstaben der Namen der heiligen drei Könige, die Jahreszahl
und drei Kreuze, „damit der Aus- und Eingang gesegnet sei". Das Salz wird
mit Weihwasser angefmchtet; dann läßt man es hart werden und schabt, wenn
eine Seuche den Stall heimsucht, dem kranken Viehe etwas davon auf's Futter
oder in's Getränk, „weil das für allerlei Uebel gut ist".
Den zur Posse gewordenen Rest einer dramatischen Darstellung des Um¬
zugs der Todtenmutter Perchta haben wir in dem sogenannten „Perchtenlaufen"
oder „Perchtjagen" vor uns, einer Sitte, die früher über alle deutschen Alpen¬
länder Oesterreich's verbreitet gewesen zu sein scheint und noch jetzt in einigen
Gegenden Tyrol's fortlebt. Daß sie hier einst als Todtengöttin auftrat, wäh¬
rend sie jetzt mehr an den mitteldeutschen Knecht Ruprecht erinnert, ergibt sich
daraus, daß sie beim Perchtenlaufen von einer vermummten Figur begleitet
wird, welche „die Habergais" heißt; deun unter Habergais wird sonst die Eule
verstanden, der Todtenvogel, der durch seinen Ruf Sterbefälle weissagt. Ver-
naleken berichtet") über den Gebrauch: Im Möllthal in Oberkärnthen ist es
Sitte, daß am Abend vor dein Dreikönigstage eine Allzahl von Mannspersonen,
welche sich mit fürchterlichen Larven, alten zerrissenen Weiberkleidern oder rauhen
zottigen und umgekehrten Pelzen vermummt haben, durch mehrere Dörfer von
Haus zu Haus ziehen. Ueberall, wo sie Einlaß finden, machen sie einen furcht¬
baren Lärm, hüpfen und springen wie Böcke von einer Bank zur andern,
schreien, knurren, poltern und brüllen wie wilde Thiere, verfolgen die Leute,
namentlich junge Mädchen, jagen ihnen Furcht und Schrecken ein und nehmen
Schellen, Ketten und Pfannen mit, um damit auf ihrem weitern Wege ein
grauenerregendes Getöse zu machen. Ueberall erkundigen sie sich nach der Auf¬
führung der Kinder, ob sie zu Hause und in der ^ahnte brav gewesen sind
und fleißig gelernt und gebetet haben. Die fleißigen Knaben und Mädchen
werden von der Perchtel, welche in Gestalt eines alten häßlichen Weibes den
Mittelpunkt der tobenden Schaar bildet, mit verschiedenen Gaben belohnt, den
andern aber wird mit der Ruthe gedroht und ihnen gesagt, salls sie fortführen,
unartig und faul zu sein, werde die Perchtel kommen und sie in einem langen
Sacke abholen."
Als ein christianisirter Perchteulanf wird der Umzug der „Sternfinger
aufzufassen sein, der zwischen dem Christfest und dem Dreikönigstag früher in
allen deutschen Ländern, katholischen wie protestantischen, südlichen wie nörd¬
lichen, stattfand und noch heute in abgelegnen Landstrichen abgehalten wird.
So z. B. im Oberinnthal in Tyrol und in'Friedingen im südlichen Schwaben.
Der Brauch ist überall im Wesentlichen gleich. Drei Knaben ziehen von Haus
zu Haus und stellen die drei Weisen oder Könige dar, die dem Sterne nach¬
zogen, welcher über der Krippe zu Bethlehem stand. Sie tragen weiße Hemden
und Kronen aus Goldpapier. Einer hat sich das Gesicht geschwärzt, ein an¬
derer trügt auf einer Stange einen Stern, der wie eine Haspel gedreht werden
kann. So wandern sie von Gehöft zu Gehöft, stellen sich unter die Fenster,
drehen ihren Stern und singen ihr Lied ab, das mit der Bitte um eine Gabe
zu endigen Pflegt. Man ladet sie dann in's Hans und beschenkt sie mit Geld
oder Lebensmitteln. Ihr Lied aber lautet in Schwaben:
*) A, a. O. S, 349.
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