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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Makart, hervor. Gabriel Max, sein Genosse, ist zwar ebenfalls ein Piloty-
Schüler, steht aber in seinen koloristischen Bestrebungen nicht auf gleichem Niveau
mit den beiden Malern, deren Geistesverwandter er im Uebrigen ist. Böcklin
war bereits ein Maler von ausgeprägter Physiognomie, als er mit der Piloty-
Schule in Berührung kam. Er mag noch manche Grundsätze derselben in sein
koloristisches Glaubensbekenntniß aufgenommen haben, aber entscheidende Ein¬
wirkungen hat er zuerst in Düsseldorf, später in Brüssel und Paris erfahren.

Arnold Böcklin wurde im Jahre 1827 in Basel geboren. Sein Vater, ein
wohlhabender Kaufmann, ließ ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen. Der
Sohn besuchte das Gymnasium und lernte hier die klassischen Autoren kennen und
lieben, die seiner beweglichen, auf das Romantische gerichteten Phantasie reichliche
Nahrung boten und ihn fortan durch das ganze Leben begleiteten. Die pantheistische
Naturanschauung der Griechen, welche in jeder Quelle, in jedem Baume belebte
Wesen sah, kam der Grundstimmung seines Wesens entgegen. Nymphen, Satyrn
und Kentauren wurden später die stereotype Staffage seiner Landschaften, aus
denen sie oft bedeutsam und dramatisch wirkend in den Vordergrund traten.

Die Handel- und fabrikbetreibende Bevölkerung Basel's hat für ausübende
Künstler keinen Platz, für ihre Persönlichkeit und ihre Eigenart kein Verständniß.
Was Erasmus vor mehr als dreihundert Jahren in seinem Empfehlungsbriefe
für Holbein, der in Basel dem Verhungern nahe war, schrieb: "Hier frieren die
Künste", hat auch heute noch seine Giltigkeit. Wie in allen reichen Handels¬
städten ist die Kunst hier nur eine Begleiterin des Luxus, das Kunstwerk ein
Möbel, ein Schmuck der Wohnung, hinter welchem die Persönlichkeit des Künstlers
zurücktritt. Indessen sind noch genug redende Zeugen aus einer ruhmvollen,
künstlerischen Vergangenheit übrig, welche auf die Phantasie eines heranwachsenden
Knaben wirken und den in ihm schlummernden Keim zur Entfaltung bringen
können. Die reichen Schätze Holbein'scher Kunst, welche das Baseler Museum
besitzt, die Gemälde Hans Baldung Grien's haben ohne Zweifel auf das Gemüth
des Jünglings gewirkt. Das Selbstportrait von 1871, welches den Künstler
mit der Palette in der Hand und hinter ihm den Tod darstellt, der ihm auf
der Geige aufspielt, ist ohne Zweifel auf Grund jugendlicher Reminiszenzen an
Holbein's und Baldung Grien's Todesbilder gemalt.

Es ist begreiflich, daß sich Böcklin's Vater nur allmählich an den Gedanken
gewöhnte, seinen Sohn der ungewissen Zukunft überlassen zu sehen, die einem
Künstler in deutschen Landen droht. Endlich aber gab er seine Einwilligung,
und es ist ihm dies um so höher anzuschlagen, als ihm der Verlust des größten
Theiles seines Vermögens Beschränkungen auferlegte. Böcklin bezog im Jahre 1846
die Düsseldorfer Akademie, welche damals auf der Höhe ihres pädagogischen
Ruhmes stand. Der junge Schweizer schloß sich aber nicht an die Koryphäen


Grenzboten I. 1879. 5y

Makart, hervor. Gabriel Max, sein Genosse, ist zwar ebenfalls ein Piloty-
Schüler, steht aber in seinen koloristischen Bestrebungen nicht auf gleichem Niveau
mit den beiden Malern, deren Geistesverwandter er im Uebrigen ist. Böcklin
war bereits ein Maler von ausgeprägter Physiognomie, als er mit der Piloty-
Schule in Berührung kam. Er mag noch manche Grundsätze derselben in sein
koloristisches Glaubensbekenntniß aufgenommen haben, aber entscheidende Ein¬
wirkungen hat er zuerst in Düsseldorf, später in Brüssel und Paris erfahren.

Arnold Böcklin wurde im Jahre 1827 in Basel geboren. Sein Vater, ein
wohlhabender Kaufmann, ließ ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen. Der
Sohn besuchte das Gymnasium und lernte hier die klassischen Autoren kennen und
lieben, die seiner beweglichen, auf das Romantische gerichteten Phantasie reichliche
Nahrung boten und ihn fortan durch das ganze Leben begleiteten. Die pantheistische
Naturanschauung der Griechen, welche in jeder Quelle, in jedem Baume belebte
Wesen sah, kam der Grundstimmung seines Wesens entgegen. Nymphen, Satyrn
und Kentauren wurden später die stereotype Staffage seiner Landschaften, aus
denen sie oft bedeutsam und dramatisch wirkend in den Vordergrund traten.

Die Handel- und fabrikbetreibende Bevölkerung Basel's hat für ausübende
Künstler keinen Platz, für ihre Persönlichkeit und ihre Eigenart kein Verständniß.
Was Erasmus vor mehr als dreihundert Jahren in seinem Empfehlungsbriefe
für Holbein, der in Basel dem Verhungern nahe war, schrieb: „Hier frieren die
Künste", hat auch heute noch seine Giltigkeit. Wie in allen reichen Handels¬
städten ist die Kunst hier nur eine Begleiterin des Luxus, das Kunstwerk ein
Möbel, ein Schmuck der Wohnung, hinter welchem die Persönlichkeit des Künstlers
zurücktritt. Indessen sind noch genug redende Zeugen aus einer ruhmvollen,
künstlerischen Vergangenheit übrig, welche auf die Phantasie eines heranwachsenden
Knaben wirken und den in ihm schlummernden Keim zur Entfaltung bringen
können. Die reichen Schätze Holbein'scher Kunst, welche das Baseler Museum
besitzt, die Gemälde Hans Baldung Grien's haben ohne Zweifel auf das Gemüth
des Jünglings gewirkt. Das Selbstportrait von 1871, welches den Künstler
mit der Palette in der Hand und hinter ihm den Tod darstellt, der ihm auf
der Geige aufspielt, ist ohne Zweifel auf Grund jugendlicher Reminiszenzen an
Holbein's und Baldung Grien's Todesbilder gemalt.

Es ist begreiflich, daß sich Böcklin's Vater nur allmählich an den Gedanken
gewöhnte, seinen Sohn der ungewissen Zukunft überlassen zu sehen, die einem
Künstler in deutschen Landen droht. Endlich aber gab er seine Einwilligung,
und es ist ihm dies um so höher anzuschlagen, als ihm der Verlust des größten
Theiles seines Vermögens Beschränkungen auferlegte. Böcklin bezog im Jahre 1846
die Düsseldorfer Akademie, welche damals auf der Höhe ihres pädagogischen
Ruhmes stand. Der junge Schweizer schloß sich aber nicht an die Koryphäen


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[0397] Makart, hervor. Gabriel Max, sein Genosse, ist zwar ebenfalls ein Piloty- Schüler, steht aber in seinen koloristischen Bestrebungen nicht auf gleichem Niveau mit den beiden Malern, deren Geistesverwandter er im Uebrigen ist. Böcklin war bereits ein Maler von ausgeprägter Physiognomie, als er mit der Piloty- Schule in Berührung kam. Er mag noch manche Grundsätze derselben in sein koloristisches Glaubensbekenntniß aufgenommen haben, aber entscheidende Ein¬ wirkungen hat er zuerst in Düsseldorf, später in Brüssel und Paris erfahren. Arnold Böcklin wurde im Jahre 1827 in Basel geboren. Sein Vater, ein wohlhabender Kaufmann, ließ ihm eine sorgfältige Erziehung angedeihen. Der Sohn besuchte das Gymnasium und lernte hier die klassischen Autoren kennen und lieben, die seiner beweglichen, auf das Romantische gerichteten Phantasie reichliche Nahrung boten und ihn fortan durch das ganze Leben begleiteten. Die pantheistische Naturanschauung der Griechen, welche in jeder Quelle, in jedem Baume belebte Wesen sah, kam der Grundstimmung seines Wesens entgegen. Nymphen, Satyrn und Kentauren wurden später die stereotype Staffage seiner Landschaften, aus denen sie oft bedeutsam und dramatisch wirkend in den Vordergrund traten. Die Handel- und fabrikbetreibende Bevölkerung Basel's hat für ausübende Künstler keinen Platz, für ihre Persönlichkeit und ihre Eigenart kein Verständniß. Was Erasmus vor mehr als dreihundert Jahren in seinem Empfehlungsbriefe für Holbein, der in Basel dem Verhungern nahe war, schrieb: „Hier frieren die Künste", hat auch heute noch seine Giltigkeit. Wie in allen reichen Handels¬ städten ist die Kunst hier nur eine Begleiterin des Luxus, das Kunstwerk ein Möbel, ein Schmuck der Wohnung, hinter welchem die Persönlichkeit des Künstlers zurücktritt. Indessen sind noch genug redende Zeugen aus einer ruhmvollen, künstlerischen Vergangenheit übrig, welche auf die Phantasie eines heranwachsenden Knaben wirken und den in ihm schlummernden Keim zur Entfaltung bringen können. Die reichen Schätze Holbein'scher Kunst, welche das Baseler Museum besitzt, die Gemälde Hans Baldung Grien's haben ohne Zweifel auf das Gemüth des Jünglings gewirkt. Das Selbstportrait von 1871, welches den Künstler mit der Palette in der Hand und hinter ihm den Tod darstellt, der ihm auf der Geige aufspielt, ist ohne Zweifel auf Grund jugendlicher Reminiszenzen an Holbein's und Baldung Grien's Todesbilder gemalt. Es ist begreiflich, daß sich Böcklin's Vater nur allmählich an den Gedanken gewöhnte, seinen Sohn der ungewissen Zukunft überlassen zu sehen, die einem Künstler in deutschen Landen droht. Endlich aber gab er seine Einwilligung, und es ist ihm dies um so höher anzuschlagen, als ihm der Verlust des größten Theiles seines Vermögens Beschränkungen auferlegte. Böcklin bezog im Jahre 1846 die Düsseldorfer Akademie, welche damals auf der Höhe ihres pädagogischen Ruhmes stand. Der junge Schweizer schloß sich aber nicht an die Koryphäen Grenzboten I. 1879. 5y

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/397>, abgerufen am 23.07.2024.