Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Abendmahls im Anschluß an eine gewöhnliche Mahlzeit, wie ja auch Jesus
die Stiftung desselben im Verlaufe einer solchen vollzogen hatte, den Mittel¬
punkt, um welchen Gebet und Lehre der Apostel sich sammeln.

Daneben nimmt die Gemeinde am nationalen jüdischen Kultus Theil, und
bis zur Zerstörung des Tempels hielten wohl die jüdischen Christen überhaupt
den Zusammenhang damit fest. Wie die Juden in der Synagoge nur eine
Ergänzung des Tempelgottesdienstes sahen, so mochten auch die jüdischen
Christen die Feier in der christlichen Synagoge nur als einen Zusatz zu jenem,
freilich als einen Zusatz von unendlichem Werthe, betrachten. Der himmlische
Gottesdienst, den die Apokalypse zeichnet, ist ein Tempel-Gottesdienst. Und der
Brief an die Hebräer legt dem alttestamentlichen Kultus ein himmlisches Urbild
zu Grunde, in welchem der erhöhte Christus die hohepriesterliche Funktion voll¬
zieht. Handelt es sich nun auch hier wie dort ausschließlich um ideale Ge¬
bilde, um Versinnlichung von Ideen, so würde doch schwerlich diese Form
gewählt worden sein, wenn im Bewußtsein der jüdischen Christen die Glorie
des Tempelkultus schon geschwunden gewesen wäre.

Sehen wir nun ab von der Gemeinschaft der jüdischen Christen am natio¬
nalen Kultus und sondern die Zustände der Urgemeinde als ein eigenartiges
Ganzes aus, so sind keine Spuren vorhanden, daß zwischen Heiden-christlichem
und juten-christlichem Gottesdienst ein Unterschied bestanden hätte, und wir
sind berechtigt, das anschauliche Bild, das uns Paulus von der Feier in Korinth
gezeichnet hat, anch als für juten-christliche Gemeinden giltig zu betrachten.
Gewisse Abweichungen hie und da, auf die wir stoßen, betreffen nicht wesent¬
liche Elemente.

Wir legen daher unserer Darstellung den ersten Brief des Paulus an die
Korinther zu Grunde; einzelne Mittheilungen der übrigen neutestamentlichen
Schriften werden uns zur Ergänzung dienen.

Zwei Arten des Gottesdienstes können wir hier unterscheiden, einen eso¬
terischen, nur für die Glieder der Gemeinde zugänglichen, und einen exoterischen,
der auch Nichtchristen geöffnet ist. Jener hat zu seinem Inhalte die Feier des
heiligen Mahles, wie in der Urgemeinde, so auch hier verbunden mit einer
andern gewöhnlichen Mahlzeit. Aber auch diese beruht auf idealer Voraus¬
setzung, sie ist Vollziehung der brüderlichen Gemeinschaft. Ihr Zusammenhang
mit der Abendmahlsfeier weihte sie zu einer Vergegenwärtigung der durch
Jesus bewirkten Vereinigung seiner Jünger zu einer Liebesgemeinschaft mit
ihm. Dem entspricht ihr Name, Agapen, Liebesmahle.

Das Abendmahl bildet den Abschluß der Agape, durch eine Danksagung
und eine Segnung von Brod und Wein mittelst der Rezitation der Einsetzungs¬
worte hebt es sich von dieser ab.


Abendmahls im Anschluß an eine gewöhnliche Mahlzeit, wie ja auch Jesus
die Stiftung desselben im Verlaufe einer solchen vollzogen hatte, den Mittel¬
punkt, um welchen Gebet und Lehre der Apostel sich sammeln.

Daneben nimmt die Gemeinde am nationalen jüdischen Kultus Theil, und
bis zur Zerstörung des Tempels hielten wohl die jüdischen Christen überhaupt
den Zusammenhang damit fest. Wie die Juden in der Synagoge nur eine
Ergänzung des Tempelgottesdienstes sahen, so mochten auch die jüdischen
Christen die Feier in der christlichen Synagoge nur als einen Zusatz zu jenem,
freilich als einen Zusatz von unendlichem Werthe, betrachten. Der himmlische
Gottesdienst, den die Apokalypse zeichnet, ist ein Tempel-Gottesdienst. Und der
Brief an die Hebräer legt dem alttestamentlichen Kultus ein himmlisches Urbild
zu Grunde, in welchem der erhöhte Christus die hohepriesterliche Funktion voll¬
zieht. Handelt es sich nun auch hier wie dort ausschließlich um ideale Ge¬
bilde, um Versinnlichung von Ideen, so würde doch schwerlich diese Form
gewählt worden sein, wenn im Bewußtsein der jüdischen Christen die Glorie
des Tempelkultus schon geschwunden gewesen wäre.

Sehen wir nun ab von der Gemeinschaft der jüdischen Christen am natio¬
nalen Kultus und sondern die Zustände der Urgemeinde als ein eigenartiges
Ganzes aus, so sind keine Spuren vorhanden, daß zwischen Heiden-christlichem
und juten-christlichem Gottesdienst ein Unterschied bestanden hätte, und wir
sind berechtigt, das anschauliche Bild, das uns Paulus von der Feier in Korinth
gezeichnet hat, anch als für juten-christliche Gemeinden giltig zu betrachten.
Gewisse Abweichungen hie und da, auf die wir stoßen, betreffen nicht wesent¬
liche Elemente.

Wir legen daher unserer Darstellung den ersten Brief des Paulus an die
Korinther zu Grunde; einzelne Mittheilungen der übrigen neutestamentlichen
Schriften werden uns zur Ergänzung dienen.

Zwei Arten des Gottesdienstes können wir hier unterscheiden, einen eso¬
terischen, nur für die Glieder der Gemeinde zugänglichen, und einen exoterischen,
der auch Nichtchristen geöffnet ist. Jener hat zu seinem Inhalte die Feier des
heiligen Mahles, wie in der Urgemeinde, so auch hier verbunden mit einer
andern gewöhnlichen Mahlzeit. Aber auch diese beruht auf idealer Voraus¬
setzung, sie ist Vollziehung der brüderlichen Gemeinschaft. Ihr Zusammenhang
mit der Abendmahlsfeier weihte sie zu einer Vergegenwärtigung der durch
Jesus bewirkten Vereinigung seiner Jünger zu einer Liebesgemeinschaft mit
ihm. Dem entspricht ihr Name, Agapen, Liebesmahle.

Das Abendmahl bildet den Abschluß der Agape, durch eine Danksagung
und eine Segnung von Brod und Wein mittelst der Rezitation der Einsetzungs¬
worte hebt es sich von dieser ab.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141801"/>
          <p xml:id="ID_1143" prev="#ID_1142"> Abendmahls im Anschluß an eine gewöhnliche Mahlzeit, wie ja auch Jesus<lb/>
die Stiftung desselben im Verlaufe einer solchen vollzogen hatte, den Mittel¬<lb/>
punkt, um welchen Gebet und Lehre der Apostel sich sammeln.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1144"> Daneben nimmt die Gemeinde am nationalen jüdischen Kultus Theil, und<lb/>
bis zur Zerstörung des Tempels hielten wohl die jüdischen Christen überhaupt<lb/>
den Zusammenhang damit fest. Wie die Juden in der Synagoge nur eine<lb/>
Ergänzung des Tempelgottesdienstes sahen, so mochten auch die jüdischen<lb/>
Christen die Feier in der christlichen Synagoge nur als einen Zusatz zu jenem,<lb/>
freilich als einen Zusatz von unendlichem Werthe, betrachten. Der himmlische<lb/>
Gottesdienst, den die Apokalypse zeichnet, ist ein Tempel-Gottesdienst. Und der<lb/>
Brief an die Hebräer legt dem alttestamentlichen Kultus ein himmlisches Urbild<lb/>
zu Grunde, in welchem der erhöhte Christus die hohepriesterliche Funktion voll¬<lb/>
zieht. Handelt es sich nun auch hier wie dort ausschließlich um ideale Ge¬<lb/>
bilde, um Versinnlichung von Ideen, so würde doch schwerlich diese Form<lb/>
gewählt worden sein, wenn im Bewußtsein der jüdischen Christen die Glorie<lb/>
des Tempelkultus schon geschwunden gewesen wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1145"> Sehen wir nun ab von der Gemeinschaft der jüdischen Christen am natio¬<lb/>
nalen Kultus und sondern die Zustände der Urgemeinde als ein eigenartiges<lb/>
Ganzes aus, so sind keine Spuren vorhanden, daß zwischen Heiden-christlichem<lb/>
und juten-christlichem Gottesdienst ein Unterschied bestanden hätte, und wir<lb/>
sind berechtigt, das anschauliche Bild, das uns Paulus von der Feier in Korinth<lb/>
gezeichnet hat, anch als für juten-christliche Gemeinden giltig zu betrachten.<lb/>
Gewisse Abweichungen hie und da, auf die wir stoßen, betreffen nicht wesent¬<lb/>
liche Elemente.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1146"> Wir legen daher unserer Darstellung den ersten Brief des Paulus an die<lb/>
Korinther zu Grunde; einzelne Mittheilungen der übrigen neutestamentlichen<lb/>
Schriften werden uns zur Ergänzung dienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1147"> Zwei Arten des Gottesdienstes können wir hier unterscheiden, einen eso¬<lb/>
terischen, nur für die Glieder der Gemeinde zugänglichen, und einen exoterischen,<lb/>
der auch Nichtchristen geöffnet ist. Jener hat zu seinem Inhalte die Feier des<lb/>
heiligen Mahles, wie in der Urgemeinde, so auch hier verbunden mit einer<lb/>
andern gewöhnlichen Mahlzeit. Aber auch diese beruht auf idealer Voraus¬<lb/>
setzung, sie ist Vollziehung der brüderlichen Gemeinschaft. Ihr Zusammenhang<lb/>
mit der Abendmahlsfeier weihte sie zu einer Vergegenwärtigung der durch<lb/>
Jesus bewirkten Vereinigung seiner Jünger zu einer Liebesgemeinschaft mit<lb/>
ihm. Dem entspricht ihr Name, Agapen, Liebesmahle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1148"> Das Abendmahl bildet den Abschluß der Agape, durch eine Danksagung<lb/>
und eine Segnung von Brod und Wein mittelst der Rezitation der Einsetzungs¬<lb/>
worte hebt es sich von dieser ab.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0390] Abendmahls im Anschluß an eine gewöhnliche Mahlzeit, wie ja auch Jesus die Stiftung desselben im Verlaufe einer solchen vollzogen hatte, den Mittel¬ punkt, um welchen Gebet und Lehre der Apostel sich sammeln. Daneben nimmt die Gemeinde am nationalen jüdischen Kultus Theil, und bis zur Zerstörung des Tempels hielten wohl die jüdischen Christen überhaupt den Zusammenhang damit fest. Wie die Juden in der Synagoge nur eine Ergänzung des Tempelgottesdienstes sahen, so mochten auch die jüdischen Christen die Feier in der christlichen Synagoge nur als einen Zusatz zu jenem, freilich als einen Zusatz von unendlichem Werthe, betrachten. Der himmlische Gottesdienst, den die Apokalypse zeichnet, ist ein Tempel-Gottesdienst. Und der Brief an die Hebräer legt dem alttestamentlichen Kultus ein himmlisches Urbild zu Grunde, in welchem der erhöhte Christus die hohepriesterliche Funktion voll¬ zieht. Handelt es sich nun auch hier wie dort ausschließlich um ideale Ge¬ bilde, um Versinnlichung von Ideen, so würde doch schwerlich diese Form gewählt worden sein, wenn im Bewußtsein der jüdischen Christen die Glorie des Tempelkultus schon geschwunden gewesen wäre. Sehen wir nun ab von der Gemeinschaft der jüdischen Christen am natio¬ nalen Kultus und sondern die Zustände der Urgemeinde als ein eigenartiges Ganzes aus, so sind keine Spuren vorhanden, daß zwischen Heiden-christlichem und juten-christlichem Gottesdienst ein Unterschied bestanden hätte, und wir sind berechtigt, das anschauliche Bild, das uns Paulus von der Feier in Korinth gezeichnet hat, anch als für juten-christliche Gemeinden giltig zu betrachten. Gewisse Abweichungen hie und da, auf die wir stoßen, betreffen nicht wesent¬ liche Elemente. Wir legen daher unserer Darstellung den ersten Brief des Paulus an die Korinther zu Grunde; einzelne Mittheilungen der übrigen neutestamentlichen Schriften werden uns zur Ergänzung dienen. Zwei Arten des Gottesdienstes können wir hier unterscheiden, einen eso¬ terischen, nur für die Glieder der Gemeinde zugänglichen, und einen exoterischen, der auch Nichtchristen geöffnet ist. Jener hat zu seinem Inhalte die Feier des heiligen Mahles, wie in der Urgemeinde, so auch hier verbunden mit einer andern gewöhnlichen Mahlzeit. Aber auch diese beruht auf idealer Voraus¬ setzung, sie ist Vollziehung der brüderlichen Gemeinschaft. Ihr Zusammenhang mit der Abendmahlsfeier weihte sie zu einer Vergegenwärtigung der durch Jesus bewirkten Vereinigung seiner Jünger zu einer Liebesgemeinschaft mit ihm. Dem entspricht ihr Name, Agapen, Liebesmahle. Das Abendmahl bildet den Abschluß der Agape, durch eine Danksagung und eine Segnung von Brod und Wein mittelst der Rezitation der Einsetzungs¬ worte hebt es sich von dieser ab.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/390
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/390>, abgerufen am 23.07.2024.