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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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energische Defensive beschränkte, während der letztere eine brutale Offensive
gegen den Protestantismus ergriff. So stand Kurfürst Friedrich Wilhelm fast
als der einzige Fürst seiner Zeit da, welcher die Gegensätze der Konfessionen
zu vermitteln suchte, indem er über beide das Interesse des Staates stellte.
Seit dem großen Kurfürsten ist dies die feste Tradition des Hauses Hohen-
zollern geblieben bis auf den heutigen Tag.

Kurfürst Friedrich III. hielt an der Politik seines Vaters fest. So sehr
er sich des Gegensatzes gegen Rom bewußt war, so hatte er doch, wie er selbst
sagte, "jederzeit an allen Religionsverfolgungen und Gewissenszwang einen
besonderen Abscheu". Nur die offene Feindschaft des Papstes Clemens XI.,
der ihn, nachdem er die königliche Würde erlangt hatte, einen Usurpator nannte
und sich bei den verschiedenen Höfen bemühte, die Anerkennung des Königtitels
zu verhindern, ferner die Intriguen des päpstlichen Nuntius, welcher die Ein¬
richtung eines reformirten Gottesdienstes im Hause des königlichen Residenten
zu Köln zu hintertreiben suchte, die Gewaltthätigkeiten des Kurfürsten Johann
Wilhelm von der Pfalz, des Bischofs von Münster und des Abtes von Kempten
gegen die Protestanten zwangen den König, vorübergehende Repressalien gegen
seine katholischen Unterthanen in Magdeburg, Halberstadt und Minden zu
ergreifen.

Der echte Typus eines protestantischen Fürsten ist der Sohn Friedrich's I.,
Friedrich Wilhelm I. Noch heute wird die außerordentliche Bedeutung dieses
Fürsten für den preußischen Staat vielfach vollständig verkannt. Man sieht
in ihm nichts als den strengen, zur Gewaltthätigkeit neigenden Soldaten.,
Seine großen Leistungen liegen eben auf einem Gebiete, welches nun einmal
nur wenigen verständlich ist, auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung; hier
steht er vollkommen ebenbürtig den Stein, Hardenberg und Vincke zur Seite.
Das Verwaltungsgenie des Königs leuchtet auch aus seinem Verhalten gegen
die verschiedenen christlichen Konfessionen hervor. Er gehörte der reformirten
Kirche an. Dennoch wollte er durchaus keinen Unterschied zwischen Reformirten
und Lutheranern gemacht wissen. Er war überzeugt, daß die Letzteren ebensogut
selig werden könnten, wie die Ersteren, und daß der ganze Unterschied zwischen
beiden "nur herrühre von die Prediger Zenckereien". Er war, wie gesagt, ein aus¬
gesprochener Protestant. Dennoch bewilligte er, was einst Leopold I. bei seinem
Vater vergeblich durchzusetzen gesucht hatte, daß der römische Kultus in Berlin
von den Gesandtschaften der auswärtigen Mächte unabhängig gemacht werde.
Natürlich dachte kein katholischer Monarch daran, eine gleiche Konzession in
seiner Residenz den Evangelischen zu bewilligen. Wollte doch, wie oben erwähnt,
der Papst und der kölnische Magistrat nicht einmal bewilligen, daß der preußische
Resident zu Köln sich für seine Person in seinem eigenen Hause einen evan-


energische Defensive beschränkte, während der letztere eine brutale Offensive
gegen den Protestantismus ergriff. So stand Kurfürst Friedrich Wilhelm fast
als der einzige Fürst seiner Zeit da, welcher die Gegensätze der Konfessionen
zu vermitteln suchte, indem er über beide das Interesse des Staates stellte.
Seit dem großen Kurfürsten ist dies die feste Tradition des Hauses Hohen-
zollern geblieben bis auf den heutigen Tag.

Kurfürst Friedrich III. hielt an der Politik seines Vaters fest. So sehr
er sich des Gegensatzes gegen Rom bewußt war, so hatte er doch, wie er selbst
sagte, „jederzeit an allen Religionsverfolgungen und Gewissenszwang einen
besonderen Abscheu". Nur die offene Feindschaft des Papstes Clemens XI.,
der ihn, nachdem er die königliche Würde erlangt hatte, einen Usurpator nannte
und sich bei den verschiedenen Höfen bemühte, die Anerkennung des Königtitels
zu verhindern, ferner die Intriguen des päpstlichen Nuntius, welcher die Ein¬
richtung eines reformirten Gottesdienstes im Hause des königlichen Residenten
zu Köln zu hintertreiben suchte, die Gewaltthätigkeiten des Kurfürsten Johann
Wilhelm von der Pfalz, des Bischofs von Münster und des Abtes von Kempten
gegen die Protestanten zwangen den König, vorübergehende Repressalien gegen
seine katholischen Unterthanen in Magdeburg, Halberstadt und Minden zu
ergreifen.

Der echte Typus eines protestantischen Fürsten ist der Sohn Friedrich's I.,
Friedrich Wilhelm I. Noch heute wird die außerordentliche Bedeutung dieses
Fürsten für den preußischen Staat vielfach vollständig verkannt. Man sieht
in ihm nichts als den strengen, zur Gewaltthätigkeit neigenden Soldaten.,
Seine großen Leistungen liegen eben auf einem Gebiete, welches nun einmal
nur wenigen verständlich ist, auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung; hier
steht er vollkommen ebenbürtig den Stein, Hardenberg und Vincke zur Seite.
Das Verwaltungsgenie des Königs leuchtet auch aus seinem Verhalten gegen
die verschiedenen christlichen Konfessionen hervor. Er gehörte der reformirten
Kirche an. Dennoch wollte er durchaus keinen Unterschied zwischen Reformirten
und Lutheranern gemacht wissen. Er war überzeugt, daß die Letzteren ebensogut
selig werden könnten, wie die Ersteren, und daß der ganze Unterschied zwischen
beiden „nur herrühre von die Prediger Zenckereien". Er war, wie gesagt, ein aus¬
gesprochener Protestant. Dennoch bewilligte er, was einst Leopold I. bei seinem
Vater vergeblich durchzusetzen gesucht hatte, daß der römische Kultus in Berlin
von den Gesandtschaften der auswärtigen Mächte unabhängig gemacht werde.
Natürlich dachte kein katholischer Monarch daran, eine gleiche Konzession in
seiner Residenz den Evangelischen zu bewilligen. Wollte doch, wie oben erwähnt,
der Papst und der kölnische Magistrat nicht einmal bewilligen, daß der preußische
Resident zu Köln sich für seine Person in seinem eigenen Hause einen evan-


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[0352] energische Defensive beschränkte, während der letztere eine brutale Offensive gegen den Protestantismus ergriff. So stand Kurfürst Friedrich Wilhelm fast als der einzige Fürst seiner Zeit da, welcher die Gegensätze der Konfessionen zu vermitteln suchte, indem er über beide das Interesse des Staates stellte. Seit dem großen Kurfürsten ist dies die feste Tradition des Hauses Hohen- zollern geblieben bis auf den heutigen Tag. Kurfürst Friedrich III. hielt an der Politik seines Vaters fest. So sehr er sich des Gegensatzes gegen Rom bewußt war, so hatte er doch, wie er selbst sagte, „jederzeit an allen Religionsverfolgungen und Gewissenszwang einen besonderen Abscheu". Nur die offene Feindschaft des Papstes Clemens XI., der ihn, nachdem er die königliche Würde erlangt hatte, einen Usurpator nannte und sich bei den verschiedenen Höfen bemühte, die Anerkennung des Königtitels zu verhindern, ferner die Intriguen des päpstlichen Nuntius, welcher die Ein¬ richtung eines reformirten Gottesdienstes im Hause des königlichen Residenten zu Köln zu hintertreiben suchte, die Gewaltthätigkeiten des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, des Bischofs von Münster und des Abtes von Kempten gegen die Protestanten zwangen den König, vorübergehende Repressalien gegen seine katholischen Unterthanen in Magdeburg, Halberstadt und Minden zu ergreifen. Der echte Typus eines protestantischen Fürsten ist der Sohn Friedrich's I., Friedrich Wilhelm I. Noch heute wird die außerordentliche Bedeutung dieses Fürsten für den preußischen Staat vielfach vollständig verkannt. Man sieht in ihm nichts als den strengen, zur Gewaltthätigkeit neigenden Soldaten., Seine großen Leistungen liegen eben auf einem Gebiete, welches nun einmal nur wenigen verständlich ist, auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung; hier steht er vollkommen ebenbürtig den Stein, Hardenberg und Vincke zur Seite. Das Verwaltungsgenie des Königs leuchtet auch aus seinem Verhalten gegen die verschiedenen christlichen Konfessionen hervor. Er gehörte der reformirten Kirche an. Dennoch wollte er durchaus keinen Unterschied zwischen Reformirten und Lutheranern gemacht wissen. Er war überzeugt, daß die Letzteren ebensogut selig werden könnten, wie die Ersteren, und daß der ganze Unterschied zwischen beiden „nur herrühre von die Prediger Zenckereien". Er war, wie gesagt, ein aus¬ gesprochener Protestant. Dennoch bewilligte er, was einst Leopold I. bei seinem Vater vergeblich durchzusetzen gesucht hatte, daß der römische Kultus in Berlin von den Gesandtschaften der auswärtigen Mächte unabhängig gemacht werde. Natürlich dachte kein katholischer Monarch daran, eine gleiche Konzession in seiner Residenz den Evangelischen zu bewilligen. Wollte doch, wie oben erwähnt, der Papst und der kölnische Magistrat nicht einmal bewilligen, daß der preußische Resident zu Köln sich für seine Person in seinem eigenen Hause einen evan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/352>, abgerufen am 03.07.2024.