Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.graphie war mehr für das gebildete Publikum berechnet und entspricht auch Dieses genetische Verfahren bildet anch die Hauptwaffe in dem kritischen graphie war mehr für das gebildete Publikum berechnet und entspricht auch Dieses genetische Verfahren bildet anch die Hauptwaffe in dem kritischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141439"/> <p xml:id="ID_60" prev="#ID_59"> graphie war mehr für das gebildete Publikum berechnet und entspricht auch<lb/> vollkommen den Bedürfnissen des Laien. Der nächste war Hermann Grimm,<lb/> der nach seinem weitschichtigen Lebensbilde Michel Angelo's auch ein solches<lb/> von Raffael zu zeichnen unternahm, bis heute aber uoch uicht über den ersten<lb/> Band hinaus gediehen ist. Wiewohl dieses Werk von den Launen und Wunder¬<lb/> lichkeiten des geistreichen Autors noch weniger frei ist als seine übrigen kunst¬<lb/> historischen Arbeiten, so darf sich doch Grimm das Verdienst beimessen, zuerst<lb/> mit Nachdruck aus den mächtigen Hebel hingewiesen zu haben, welcher der<lb/> kunsthistorischen Forschung durch die Beihilfe der Photographie erwachsen ist.<lb/> Er hat zuerst die durch das Braun'sche Kohlendruckverfahreu aller Welt zu¬<lb/> gänglich gemachten Reproduktionen von Handzeichnungen und Gemälden alter<lb/> Meister für das Studium der Kunstgeschichte nutzbringend verwerthet und den<lb/> Versuch gemacht, aus der Handzeichnung die Genesis eiues Gemäldes zu er¬<lb/> klären.</p><lb/> <p xml:id="ID_61" next="#ID_62"> Dieses genetische Verfahren bildet anch die Hauptwaffe in dem kritischen<lb/> Rüstzeug, mit welchem sich der neueste Biograph Raffael's und Michel Angelo's,<lb/> Professor A. Springer in Leipzig, auf seinem schweren Gange angethan hat.<lb/> Fürwahr ein schwerer Gang, ans dem ihn Hunderte von scharfen Augen be¬<lb/> gleiten, um eine Blöße an dem kühnen Wanderer zu erspähen. Denn trotz des<lb/> hohen Standes kunstwissenschaftlicher Forschung, trotz der Unsumme des ange-<lb/> häuften Materials scheint manchen die Zeit noch nicht gekommen, um ein in<lb/> alleu Theilen gleichmüßig ausgeführtes Bild von dem Wirken und deu Werke»<lb/> der beiden Meister zu entwerfen. Springer hat die Unzulänglichkeit seines<lb/> Strebens auch gefühlt. Erst dem wichsten Geschlechte, sagt er in der Vorrede,<lb/> werde Raffael's künstlerische Persönlichkeit hell entgegentreten. Dann erst würden<lb/> die reprvduzirenden Fertigkeiten denjenigen Grad der Ausbildung erreicht haben,<lb/> welcher nöthig ist, um dem Leser das Werk Raffael's in seiner Gesammtheit<lb/> vor Augen zu führen. „Nicht das Wort, wie jetzt, sondern das Bild wird<lb/> bei seiner Schilderung die Hauptrolle spielen, den illustrirten Text ein 'Bilder¬<lb/> atlas mit begleitenden Texte ersetzen." Wir theilen Springer's Ansicht über<lb/> die Unzulänglichkeit unserer reprvduzirenden Künste nicht. Liefert doch gerade<lb/> sein Buch durch die reichen illustrativen Beigaben den Beweis, daß die Wieder¬<lb/> gabe von Handzeichnungen durch den Xhlographen den Leistungen der Photo¬<lb/> graphie durchaus ebenbürtig ist. Auf dem Gebiete des Facsimileschnitts kann<lb/> nach menschlicher Berechnung kaum eine höhere Stufe erreicht werden, und<lb/> für die Reproduktion voll Gemälden ist die Nadiruug ein ebenso künstlerisches<lb/> wie getreues Hilfsmittel. Weniger die mangelhafte Ausbildung unserer ver¬<lb/> vielfältigenden Künste dürfte der Verwirklichung des Springer'schen Ideals</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
graphie war mehr für das gebildete Publikum berechnet und entspricht auch
vollkommen den Bedürfnissen des Laien. Der nächste war Hermann Grimm,
der nach seinem weitschichtigen Lebensbilde Michel Angelo's auch ein solches
von Raffael zu zeichnen unternahm, bis heute aber uoch uicht über den ersten
Band hinaus gediehen ist. Wiewohl dieses Werk von den Launen und Wunder¬
lichkeiten des geistreichen Autors noch weniger frei ist als seine übrigen kunst¬
historischen Arbeiten, so darf sich doch Grimm das Verdienst beimessen, zuerst
mit Nachdruck aus den mächtigen Hebel hingewiesen zu haben, welcher der
kunsthistorischen Forschung durch die Beihilfe der Photographie erwachsen ist.
Er hat zuerst die durch das Braun'sche Kohlendruckverfahreu aller Welt zu¬
gänglich gemachten Reproduktionen von Handzeichnungen und Gemälden alter
Meister für das Studium der Kunstgeschichte nutzbringend verwerthet und den
Versuch gemacht, aus der Handzeichnung die Genesis eiues Gemäldes zu er¬
klären.
Dieses genetische Verfahren bildet anch die Hauptwaffe in dem kritischen
Rüstzeug, mit welchem sich der neueste Biograph Raffael's und Michel Angelo's,
Professor A. Springer in Leipzig, auf seinem schweren Gange angethan hat.
Fürwahr ein schwerer Gang, ans dem ihn Hunderte von scharfen Augen be¬
gleiten, um eine Blöße an dem kühnen Wanderer zu erspähen. Denn trotz des
hohen Standes kunstwissenschaftlicher Forschung, trotz der Unsumme des ange-
häuften Materials scheint manchen die Zeit noch nicht gekommen, um ein in
alleu Theilen gleichmüßig ausgeführtes Bild von dem Wirken und deu Werke»
der beiden Meister zu entwerfen. Springer hat die Unzulänglichkeit seines
Strebens auch gefühlt. Erst dem wichsten Geschlechte, sagt er in der Vorrede,
werde Raffael's künstlerische Persönlichkeit hell entgegentreten. Dann erst würden
die reprvduzirenden Fertigkeiten denjenigen Grad der Ausbildung erreicht haben,
welcher nöthig ist, um dem Leser das Werk Raffael's in seiner Gesammtheit
vor Augen zu führen. „Nicht das Wort, wie jetzt, sondern das Bild wird
bei seiner Schilderung die Hauptrolle spielen, den illustrirten Text ein 'Bilder¬
atlas mit begleitenden Texte ersetzen." Wir theilen Springer's Ansicht über
die Unzulänglichkeit unserer reprvduzirenden Künste nicht. Liefert doch gerade
sein Buch durch die reichen illustrativen Beigaben den Beweis, daß die Wieder¬
gabe von Handzeichnungen durch den Xhlographen den Leistungen der Photo¬
graphie durchaus ebenbürtig ist. Auf dem Gebiete des Facsimileschnitts kann
nach menschlicher Berechnung kaum eine höhere Stufe erreicht werden, und
für die Reproduktion voll Gemälden ist die Nadiruug ein ebenso künstlerisches
wie getreues Hilfsmittel. Weniger die mangelhafte Ausbildung unserer ver¬
vielfältigenden Künste dürfte der Verwirklichung des Springer'schen Ideals
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