Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

zwei Linien spaltet, deren eine die Rhön, deren andere der Vogelsberg vertritt,
und sich schließlich in die zahlreichen, scheinbar zusammenhangslosen Einzel¬
erhebungen des hessischen Berglandes auflöst. Ihr steht an Alter das von
O. Peschel in seinen leider ungedruckt gebliebenen Vorlesungen über das deutsche
Reich als "hercynisches" bezeichnete Hebungssystem gleich, ebenfalls eine
Art Parcillelgebirgszug, der nahezu die zwei Schenkel eines gleichseitigen
Dreiecks darstellt. Der südliche dieser Schenkel beginnt mit dem Böhmer Wald,
wird fortgesetzt durch das Fichtelgebirge, Franken und den Thüringer Wald
und läuft in den südlichen Weserketten aus, der nördliche hebt an mit dem Ge-
sammtzuge der Sudeten, erleidet dann allerdings eine Unterbrechung, in die sich
die sächsische Tieflandsbucht einschiebt, steigt noch einmal kräftig im Gebirgsstock
des Harzes auf und zerspaltet sich dann in mehrere schmale, niedrige Ketten,
die in den nordwestlichsten aller deutscheu Erhebungen, im Teutoburger Walde,
mit den inneren Kettenenden gewissermaßen zusammenlaufen, während sie un¬
gefähr in der Mitte durch den Querriegel des Erzgebirges zusammengehalten
werden. Die vierte und jüngste Hebung endlich findet sich in dem schwäbisch-
fränkischen Jura, der die Fortsetzung des gleichnamigen Zuges der Schweiz
bildet. Hätte Reclus das hier kurz skizzirte und gruppirte Gebirgssystem zur
Grundlage seiner natürlichen Eintheilung Deutschland's gemacht, so würde er
jedenfalls die meisten der Verstöße, die ihm zum Vorwurf gemacht werden
können, vermieden haben. Zunächst verbindet er das Vogesengebiet des Elsaß mit
dem zu Deutschland gehörigen Abschnitt des Lothringischen Plateau und
scheidet dabei die Hardt, die unmittelbare Fortsetzung der Vogesen, aus. Loth¬
ringen hätte aber mit dem Moselgebiet zusammen besprochen werden müssen,
ebenso wie das rechtsliegende Gebiet des Oberrhein's mit dem linken hätte
vereint werden sollen. Es ist durchaus ungerechtfertigt, den jüngsten politischen
Ereignissen zu Liebe die natürliche und in der Hauptsache geschichtlich gleiche
Anordnung des Terrains zu zerstören. Ebenso verfehlt ist es, wenn Taunus
und Hunsrück zu den oberrheinischen Gebieten gezogen werden, während sie
doch wesentliche Glieder des niederrheinischen Schiefergebirges bilden. Auch
ist kein Grund ersichtlich, weshalb der schwäbische Jura getrennt von dem
fränkischen behandelt worden ist, denn gerade Süddeutschland ist durch bestimmt
ausgesprochene Terramlinien leicht in natürlich abgegrenzte Gebiete einzutheilen;
man denke nur an das durch das rechte oberrheinische Gebirge, den Jura und
Main gebildete Dreieck. Ebenso wenig kann die Zerlegung des norddeutschen
Tieflandes in drei Theile einleuchten, denu die Natur des Landes zwischen
Elbe und Weser unterscheidet sich wesentlich von dem links von der Weser
gelegenen, dagegen läßt es sich von den Ebenen rechts von der Elbe gar nicht
trennen. Das nichtgebirgige Deutschland hätte also, wenn nicht in einem


Grenzboten I. 1379. 35

zwei Linien spaltet, deren eine die Rhön, deren andere der Vogelsberg vertritt,
und sich schließlich in die zahlreichen, scheinbar zusammenhangslosen Einzel¬
erhebungen des hessischen Berglandes auflöst. Ihr steht an Alter das von
O. Peschel in seinen leider ungedruckt gebliebenen Vorlesungen über das deutsche
Reich als „hercynisches" bezeichnete Hebungssystem gleich, ebenfalls eine
Art Parcillelgebirgszug, der nahezu die zwei Schenkel eines gleichseitigen
Dreiecks darstellt. Der südliche dieser Schenkel beginnt mit dem Böhmer Wald,
wird fortgesetzt durch das Fichtelgebirge, Franken und den Thüringer Wald
und läuft in den südlichen Weserketten aus, der nördliche hebt an mit dem Ge-
sammtzuge der Sudeten, erleidet dann allerdings eine Unterbrechung, in die sich
die sächsische Tieflandsbucht einschiebt, steigt noch einmal kräftig im Gebirgsstock
des Harzes auf und zerspaltet sich dann in mehrere schmale, niedrige Ketten,
die in den nordwestlichsten aller deutscheu Erhebungen, im Teutoburger Walde,
mit den inneren Kettenenden gewissermaßen zusammenlaufen, während sie un¬
gefähr in der Mitte durch den Querriegel des Erzgebirges zusammengehalten
werden. Die vierte und jüngste Hebung endlich findet sich in dem schwäbisch-
fränkischen Jura, der die Fortsetzung des gleichnamigen Zuges der Schweiz
bildet. Hätte Reclus das hier kurz skizzirte und gruppirte Gebirgssystem zur
Grundlage seiner natürlichen Eintheilung Deutschland's gemacht, so würde er
jedenfalls die meisten der Verstöße, die ihm zum Vorwurf gemacht werden
können, vermieden haben. Zunächst verbindet er das Vogesengebiet des Elsaß mit
dem zu Deutschland gehörigen Abschnitt des Lothringischen Plateau und
scheidet dabei die Hardt, die unmittelbare Fortsetzung der Vogesen, aus. Loth¬
ringen hätte aber mit dem Moselgebiet zusammen besprochen werden müssen,
ebenso wie das rechtsliegende Gebiet des Oberrhein's mit dem linken hätte
vereint werden sollen. Es ist durchaus ungerechtfertigt, den jüngsten politischen
Ereignissen zu Liebe die natürliche und in der Hauptsache geschichtlich gleiche
Anordnung des Terrains zu zerstören. Ebenso verfehlt ist es, wenn Taunus
und Hunsrück zu den oberrheinischen Gebieten gezogen werden, während sie
doch wesentliche Glieder des niederrheinischen Schiefergebirges bilden. Auch
ist kein Grund ersichtlich, weshalb der schwäbische Jura getrennt von dem
fränkischen behandelt worden ist, denn gerade Süddeutschland ist durch bestimmt
ausgesprochene Terramlinien leicht in natürlich abgegrenzte Gebiete einzutheilen;
man denke nur an das durch das rechte oberrheinische Gebirge, den Jura und
Main gebildete Dreieck. Ebenso wenig kann die Zerlegung des norddeutschen
Tieflandes in drei Theile einleuchten, denu die Natur des Landes zwischen
Elbe und Weser unterscheidet sich wesentlich von dem links von der Weser
gelegenen, dagegen läßt es sich von den Ebenen rechts von der Elbe gar nicht
trennen. Das nichtgebirgige Deutschland hätte also, wenn nicht in einem


Grenzboten I. 1379. 35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141688"/>
          <p xml:id="ID_833" prev="#ID_832" next="#ID_834"> zwei Linien spaltet, deren eine die Rhön, deren andere der Vogelsberg vertritt,<lb/>
und sich schließlich in die zahlreichen, scheinbar zusammenhangslosen Einzel¬<lb/>
erhebungen des hessischen Berglandes auflöst. Ihr steht an Alter das von<lb/>
O. Peschel in seinen leider ungedruckt gebliebenen Vorlesungen über das deutsche<lb/>
Reich als &#x201E;hercynisches" bezeichnete Hebungssystem gleich, ebenfalls eine<lb/>
Art Parcillelgebirgszug, der nahezu die zwei Schenkel eines gleichseitigen<lb/>
Dreiecks darstellt. Der südliche dieser Schenkel beginnt mit dem Böhmer Wald,<lb/>
wird fortgesetzt durch das Fichtelgebirge, Franken und den Thüringer Wald<lb/>
und läuft in den südlichen Weserketten aus, der nördliche hebt an mit dem Ge-<lb/>
sammtzuge der Sudeten, erleidet dann allerdings eine Unterbrechung, in die sich<lb/>
die sächsische Tieflandsbucht einschiebt, steigt noch einmal kräftig im Gebirgsstock<lb/>
des Harzes auf und zerspaltet sich dann in mehrere schmale, niedrige Ketten,<lb/>
die in den nordwestlichsten aller deutscheu Erhebungen, im Teutoburger Walde,<lb/>
mit den inneren Kettenenden gewissermaßen zusammenlaufen, während sie un¬<lb/>
gefähr in der Mitte durch den Querriegel des Erzgebirges zusammengehalten<lb/>
werden. Die vierte und jüngste Hebung endlich findet sich in dem schwäbisch-<lb/>
fränkischen Jura, der die Fortsetzung des gleichnamigen Zuges der Schweiz<lb/>
bildet. Hätte Reclus das hier kurz skizzirte und gruppirte Gebirgssystem zur<lb/>
Grundlage seiner natürlichen Eintheilung Deutschland's gemacht, so würde er<lb/>
jedenfalls die meisten der Verstöße, die ihm zum Vorwurf gemacht werden<lb/>
können, vermieden haben. Zunächst verbindet er das Vogesengebiet des Elsaß mit<lb/>
dem zu Deutschland gehörigen Abschnitt des Lothringischen Plateau und<lb/>
scheidet dabei die Hardt, die unmittelbare Fortsetzung der Vogesen, aus. Loth¬<lb/>
ringen hätte aber mit dem Moselgebiet zusammen besprochen werden müssen,<lb/>
ebenso wie das rechtsliegende Gebiet des Oberrhein's mit dem linken hätte<lb/>
vereint werden sollen. Es ist durchaus ungerechtfertigt, den jüngsten politischen<lb/>
Ereignissen zu Liebe die natürliche und in der Hauptsache geschichtlich gleiche<lb/>
Anordnung des Terrains zu zerstören. Ebenso verfehlt ist es, wenn Taunus<lb/>
und Hunsrück zu den oberrheinischen Gebieten gezogen werden, während sie<lb/>
doch wesentliche Glieder des niederrheinischen Schiefergebirges bilden. Auch<lb/>
ist kein Grund ersichtlich, weshalb der schwäbische Jura getrennt von dem<lb/>
fränkischen behandelt worden ist, denn gerade Süddeutschland ist durch bestimmt<lb/>
ausgesprochene Terramlinien leicht in natürlich abgegrenzte Gebiete einzutheilen;<lb/>
man denke nur an das durch das rechte oberrheinische Gebirge, den Jura und<lb/>
Main gebildete Dreieck. Ebenso wenig kann die Zerlegung des norddeutschen<lb/>
Tieflandes in drei Theile einleuchten, denu die Natur des Landes zwischen<lb/>
Elbe und Weser unterscheidet sich wesentlich von dem links von der Weser<lb/>
gelegenen, dagegen läßt es sich von den Ebenen rechts von der Elbe gar nicht<lb/>
trennen. Das nichtgebirgige Deutschland hätte also, wenn nicht in einem</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1379. 35</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] zwei Linien spaltet, deren eine die Rhön, deren andere der Vogelsberg vertritt, und sich schließlich in die zahlreichen, scheinbar zusammenhangslosen Einzel¬ erhebungen des hessischen Berglandes auflöst. Ihr steht an Alter das von O. Peschel in seinen leider ungedruckt gebliebenen Vorlesungen über das deutsche Reich als „hercynisches" bezeichnete Hebungssystem gleich, ebenfalls eine Art Parcillelgebirgszug, der nahezu die zwei Schenkel eines gleichseitigen Dreiecks darstellt. Der südliche dieser Schenkel beginnt mit dem Böhmer Wald, wird fortgesetzt durch das Fichtelgebirge, Franken und den Thüringer Wald und läuft in den südlichen Weserketten aus, der nördliche hebt an mit dem Ge- sammtzuge der Sudeten, erleidet dann allerdings eine Unterbrechung, in die sich die sächsische Tieflandsbucht einschiebt, steigt noch einmal kräftig im Gebirgsstock des Harzes auf und zerspaltet sich dann in mehrere schmale, niedrige Ketten, die in den nordwestlichsten aller deutscheu Erhebungen, im Teutoburger Walde, mit den inneren Kettenenden gewissermaßen zusammenlaufen, während sie un¬ gefähr in der Mitte durch den Querriegel des Erzgebirges zusammengehalten werden. Die vierte und jüngste Hebung endlich findet sich in dem schwäbisch- fränkischen Jura, der die Fortsetzung des gleichnamigen Zuges der Schweiz bildet. Hätte Reclus das hier kurz skizzirte und gruppirte Gebirgssystem zur Grundlage seiner natürlichen Eintheilung Deutschland's gemacht, so würde er jedenfalls die meisten der Verstöße, die ihm zum Vorwurf gemacht werden können, vermieden haben. Zunächst verbindet er das Vogesengebiet des Elsaß mit dem zu Deutschland gehörigen Abschnitt des Lothringischen Plateau und scheidet dabei die Hardt, die unmittelbare Fortsetzung der Vogesen, aus. Loth¬ ringen hätte aber mit dem Moselgebiet zusammen besprochen werden müssen, ebenso wie das rechtsliegende Gebiet des Oberrhein's mit dem linken hätte vereint werden sollen. Es ist durchaus ungerechtfertigt, den jüngsten politischen Ereignissen zu Liebe die natürliche und in der Hauptsache geschichtlich gleiche Anordnung des Terrains zu zerstören. Ebenso verfehlt ist es, wenn Taunus und Hunsrück zu den oberrheinischen Gebieten gezogen werden, während sie doch wesentliche Glieder des niederrheinischen Schiefergebirges bilden. Auch ist kein Grund ersichtlich, weshalb der schwäbische Jura getrennt von dem fränkischen behandelt worden ist, denn gerade Süddeutschland ist durch bestimmt ausgesprochene Terramlinien leicht in natürlich abgegrenzte Gebiete einzutheilen; man denke nur an das durch das rechte oberrheinische Gebirge, den Jura und Main gebildete Dreieck. Ebenso wenig kann die Zerlegung des norddeutschen Tieflandes in drei Theile einleuchten, denu die Natur des Landes zwischen Elbe und Weser unterscheidet sich wesentlich von dem links von der Weser gelegenen, dagegen läßt es sich von den Ebenen rechts von der Elbe gar nicht trennen. Das nichtgebirgige Deutschland hätte also, wenn nicht in einem Grenzboten I. 1379. 35

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/277>, abgerufen am 23.07.2024.