Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.zur Besprechung gelangen und einen Gesammtüberblick über die Kulturstellung Wenn der Verfasser hervorhebt, daß das deutsche Reich zwar im Wenn dagegen Reclus behauptet, das deutsche Reich sei einerseits in geolo¬ zur Besprechung gelangen und einen Gesammtüberblick über die Kulturstellung Wenn der Verfasser hervorhebt, daß das deutsche Reich zwar im Wenn dagegen Reclus behauptet, das deutsche Reich sei einerseits in geolo¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141682"/> <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> zur Besprechung gelangen und einen Gesammtüberblick über die Kulturstellung<lb/> des Landes geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_821"> Wenn der Verfasser hervorhebt, daß das deutsche Reich zwar im<lb/> Mittelpunkte Europa's gelegen sei, aber dennoch die durch seine natürliche Lage<lb/> ihm eigentlich zukommende Rolle der Vermittelung zwischen Süd und Nord<lb/> des Erdtheils gegenwärtig nicht in wirksamer Weise erfülle, so läßt sich da¬<lb/> gegen kaum ein stichhaltiger Grund anführen; denn richtig ist es, daß die Alpen,<lb/> die Südgrenze des deutschen Reichs und der deutschen Nationalität, den Zu¬<lb/> gang zum mittelländischen Meere, der Wiege europäischer Kultur, versperren,<lb/> richtig auch, daß die Ost- und die Nordsee, denen sich Deutschland als ein<lb/> von den Alpen nach Norden zu abfallendes Land zuneigt, niemals, auch nicht<lb/> zur Zeit der Blüthe der Hansa, die Bedeutung des Mittelmeeres erreicht haben,<lb/> denn die Küsten der Ostsee sind wegen ihrer nördlichen Lage zum nicht ge¬<lb/> ringen Theile unproduktiv und gestatten daher nnr in beschränktem Maße die<lb/> Entfaltung eines den Volkswohlstand hebenden Handelsverkehrs und kolonisa¬<lb/> torischer Thätigkeit >— von der letzteren hält sich freilich das deutsche Reich<lb/> systematisch fern und läßt sich so grundsätzlich einen wichtigen volkswirtschaft¬<lb/> lichen Faktor entgehen. Die Nordsee dagegen ist nach Norden zu offen, hat<lb/> also an und für sich gar nicht das Wesen eines Kulturmeeres, erfüllt aber<lb/> auch die Aufgabe eines Pasfagemeeres wegen der ausgedehnten Sandbänke und<lb/> häufigen Nebel nur in unvollkommener Weise. Zudem besitzen die nordeuro¬<lb/> päischen Seestaaten, vor allem England und Dänemark, von Alters her die un¬<lb/> bestrittene Herrschaft über dieses Meer, so daß es nicht zu erwartender An¬<lb/> strengungen bedürfte, um auf demselben zu einer dominirenden Stellung zu<lb/> gelangen. Endlich aber ist nicht zu vergessen, daß das deutsche Reich mit dem<lb/> in neuerer Zeit für die Schifffahrt so wichtig gewordenen Atlantischen Ozean<lb/> nur in indirekter Verbindung steht, nämlich durch den Kanal, von dessen ge¬<lb/> fährlichem Fahrwasser die letzten Jahre nicht nur für uns so schmerzliche Be¬<lb/> weise lieferten, sondern dessen Eingang auch von Dover oder Calais eventuell<lb/> leicht abgesperrt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_822" next="#ID_823"> Wenn dagegen Reclus behauptet, das deutsche Reich sei einerseits in geolo¬<lb/> gischem Sinne nur die Fortsetzung seiner Nachbarländer, andererseits entbehre<lb/> es außer im Süden jeglicher natürlichen Grenze, so kann ihm darin nur theil¬<lb/> weise beigestimmt werden. Allerdings weist es zwei bedenkliche Blößen auf,<lb/> die eine im Norden, gebildet durch das von Osten her sich breit ansetzende<lb/> Tiefland, das nach Westen zu an Breite abnimmt, die andere im Süden, die<lb/> Pforte der Donau und die Längsthäler der Ostalpen, vor allem die Drau;<lb/> durch beide drangen verschiedene Male fremde Völkerschaften vor, am gefähr¬<lb/> lichsten wurde das Passagethal der Donau für die Existenz der germanischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
zur Besprechung gelangen und einen Gesammtüberblick über die Kulturstellung
des Landes geben.
Wenn der Verfasser hervorhebt, daß das deutsche Reich zwar im
Mittelpunkte Europa's gelegen sei, aber dennoch die durch seine natürliche Lage
ihm eigentlich zukommende Rolle der Vermittelung zwischen Süd und Nord
des Erdtheils gegenwärtig nicht in wirksamer Weise erfülle, so läßt sich da¬
gegen kaum ein stichhaltiger Grund anführen; denn richtig ist es, daß die Alpen,
die Südgrenze des deutschen Reichs und der deutschen Nationalität, den Zu¬
gang zum mittelländischen Meere, der Wiege europäischer Kultur, versperren,
richtig auch, daß die Ost- und die Nordsee, denen sich Deutschland als ein
von den Alpen nach Norden zu abfallendes Land zuneigt, niemals, auch nicht
zur Zeit der Blüthe der Hansa, die Bedeutung des Mittelmeeres erreicht haben,
denn die Küsten der Ostsee sind wegen ihrer nördlichen Lage zum nicht ge¬
ringen Theile unproduktiv und gestatten daher nnr in beschränktem Maße die
Entfaltung eines den Volkswohlstand hebenden Handelsverkehrs und kolonisa¬
torischer Thätigkeit >— von der letzteren hält sich freilich das deutsche Reich
systematisch fern und läßt sich so grundsätzlich einen wichtigen volkswirtschaft¬
lichen Faktor entgehen. Die Nordsee dagegen ist nach Norden zu offen, hat
also an und für sich gar nicht das Wesen eines Kulturmeeres, erfüllt aber
auch die Aufgabe eines Pasfagemeeres wegen der ausgedehnten Sandbänke und
häufigen Nebel nur in unvollkommener Weise. Zudem besitzen die nordeuro¬
päischen Seestaaten, vor allem England und Dänemark, von Alters her die un¬
bestrittene Herrschaft über dieses Meer, so daß es nicht zu erwartender An¬
strengungen bedürfte, um auf demselben zu einer dominirenden Stellung zu
gelangen. Endlich aber ist nicht zu vergessen, daß das deutsche Reich mit dem
in neuerer Zeit für die Schifffahrt so wichtig gewordenen Atlantischen Ozean
nur in indirekter Verbindung steht, nämlich durch den Kanal, von dessen ge¬
fährlichem Fahrwasser die letzten Jahre nicht nur für uns so schmerzliche Be¬
weise lieferten, sondern dessen Eingang auch von Dover oder Calais eventuell
leicht abgesperrt werden kann.
Wenn dagegen Reclus behauptet, das deutsche Reich sei einerseits in geolo¬
gischem Sinne nur die Fortsetzung seiner Nachbarländer, andererseits entbehre
es außer im Süden jeglicher natürlichen Grenze, so kann ihm darin nur theil¬
weise beigestimmt werden. Allerdings weist es zwei bedenkliche Blößen auf,
die eine im Norden, gebildet durch das von Osten her sich breit ansetzende
Tiefland, das nach Westen zu an Breite abnimmt, die andere im Süden, die
Pforte der Donau und die Längsthäler der Ostalpen, vor allem die Drau;
durch beide drangen verschiedene Male fremde Völkerschaften vor, am gefähr¬
lichsten wurde das Passagethal der Donau für die Existenz der germanischen
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