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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Werkes beschäftigen wollen, um erst in einem zweiten Artikel speziell seine Be¬
handlung des deutschen Reiches näher zu prüfen, so wollen wir doch schon hier
hervorheben, daß nirgends eine Gereiztheit, nirgends eine aus Parteistellung
hervorgehende Ungerechtigkeit und beabsichtigte Verkennung in seinem Werke zu
Tage tritt. Reclus hat die schon früher erregten Sympathieen durch diese neue
großartige Leistung nur befestigt.

Was zunächst die äußere Form angeht, in der die drei fertigen Bände vor
uns treten, so ist diese schlechthin tadellos, imponirend, neiderweckend. Wir
können unsere ganze geographische Literatur, die gleiche Zwecke verfolgt wie
Reclus, durchmustern; beschämt müssen wir eingestehen: nichts kann ihm als eben¬
bürtig an die Seite gestellt werden. Wie ist dieses Buch allein schon typo¬
graphisch ausgestattet! Ein Papier, so kräftig, daß man beim Umblättern immer
prüfend fühlt, ob man auch nicht zwei oder mehr Blätter umgewendet habe;
so wenig find unsere deutschen Finger an dergleichen prächtigen Stoff gewöhnt!
Der Druck ist groß und klar in einer wundervollen Type ausgeführt; die nicht
kolorirten Kärtchen find gut lesbar, alle Schattirungen zur Angabe der Bevöl-
kerungsdichtigkeit und Meerestiefe praktisch gewählt, die Holzschnitte, welche
Landschaften, Städte, Gebäude und Volkstypen darstellen, find mit größter
Sorgfalt, oft geradezu glänzend ausgeführt. Den Höhepunkt aber in der äußern
Erscheinung bilden ohne Zweifel die kolorirten Karten. Sie können das reinste
Entzücken des Kartenfreundes hervorrufen, und wir erinnern uns nicht, außer
etwa einigen Leistungen des Institutes von I. Perthes in Gotha, je etwas
Schöneres in dieser Art gesehen zu haben. Sie machen oft gar nicht den Ein¬
druck von Darstellungen geographischer Formen, sondern erheben sich zu wirk¬
lichen Kunstwerken; so geschmackvoll ist die Auswahl, Abstufung und Behandlung
der Farben. Nirgends fühlt sich das Ange durch grelle Töne oder unpassende
Zusammenstellungen beleidigt, alles fügt sich harmonisch zusammen. Ein Ver¬
gleich mit Darstellungen der deutschen Kartographie zeigt, wie weit unsere
artistischen Anstalten hier hinter ihren französischen Konkurrenten zurückstehen.
Wer unsere Angaben für übertrieben halten sollte, den bitten wir, die zu Deutsch¬
land gehörigen Karten aus Reclus' Werk und die schönste aus Peschel-Andree's
Atlas des deutschen Reiches, an dessen technischer Ausführung übrigens Peschel
unschuldig ist, nebeneinander zu halten, um sich mit einem Schlage bewußt zu
werden, wo hier der Vorzug liegt.

Damit sind wir aber zugleich bei einem Punkte angelangt, der eine beson¬
dere Eigenthümlichkeit und einen rühmenswerthen Fortschritt in dem französischen
Werke ausmacht; wir meinen die Verbindung von schriftlicher, bildlicher und
kartographischer Darstellung zu einem Ganzen, dessen einzelne Theile sich gegen¬
seitig fördern und tragen. Unsere geographische Literatur hat ja an großen,


Werkes beschäftigen wollen, um erst in einem zweiten Artikel speziell seine Be¬
handlung des deutschen Reiches näher zu prüfen, so wollen wir doch schon hier
hervorheben, daß nirgends eine Gereiztheit, nirgends eine aus Parteistellung
hervorgehende Ungerechtigkeit und beabsichtigte Verkennung in seinem Werke zu
Tage tritt. Reclus hat die schon früher erregten Sympathieen durch diese neue
großartige Leistung nur befestigt.

Was zunächst die äußere Form angeht, in der die drei fertigen Bände vor
uns treten, so ist diese schlechthin tadellos, imponirend, neiderweckend. Wir
können unsere ganze geographische Literatur, die gleiche Zwecke verfolgt wie
Reclus, durchmustern; beschämt müssen wir eingestehen: nichts kann ihm als eben¬
bürtig an die Seite gestellt werden. Wie ist dieses Buch allein schon typo¬
graphisch ausgestattet! Ein Papier, so kräftig, daß man beim Umblättern immer
prüfend fühlt, ob man auch nicht zwei oder mehr Blätter umgewendet habe;
so wenig find unsere deutschen Finger an dergleichen prächtigen Stoff gewöhnt!
Der Druck ist groß und klar in einer wundervollen Type ausgeführt; die nicht
kolorirten Kärtchen find gut lesbar, alle Schattirungen zur Angabe der Bevöl-
kerungsdichtigkeit und Meerestiefe praktisch gewählt, die Holzschnitte, welche
Landschaften, Städte, Gebäude und Volkstypen darstellen, find mit größter
Sorgfalt, oft geradezu glänzend ausgeführt. Den Höhepunkt aber in der äußern
Erscheinung bilden ohne Zweifel die kolorirten Karten. Sie können das reinste
Entzücken des Kartenfreundes hervorrufen, und wir erinnern uns nicht, außer
etwa einigen Leistungen des Institutes von I. Perthes in Gotha, je etwas
Schöneres in dieser Art gesehen zu haben. Sie machen oft gar nicht den Ein¬
druck von Darstellungen geographischer Formen, sondern erheben sich zu wirk¬
lichen Kunstwerken; so geschmackvoll ist die Auswahl, Abstufung und Behandlung
der Farben. Nirgends fühlt sich das Ange durch grelle Töne oder unpassende
Zusammenstellungen beleidigt, alles fügt sich harmonisch zusammen. Ein Ver¬
gleich mit Darstellungen der deutschen Kartographie zeigt, wie weit unsere
artistischen Anstalten hier hinter ihren französischen Konkurrenten zurückstehen.
Wer unsere Angaben für übertrieben halten sollte, den bitten wir, die zu Deutsch¬
land gehörigen Karten aus Reclus' Werk und die schönste aus Peschel-Andree's
Atlas des deutschen Reiches, an dessen technischer Ausführung übrigens Peschel
unschuldig ist, nebeneinander zu halten, um sich mit einem Schlage bewußt zu
werden, wo hier der Vorzug liegt.

Damit sind wir aber zugleich bei einem Punkte angelangt, der eine beson¬
dere Eigenthümlichkeit und einen rühmenswerthen Fortschritt in dem französischen
Werke ausmacht; wir meinen die Verbindung von schriftlicher, bildlicher und
kartographischer Darstellung zu einem Ganzen, dessen einzelne Theile sich gegen¬
seitig fördern und tragen. Unsere geographische Literatur hat ja an großen,


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[0223] Werkes beschäftigen wollen, um erst in einem zweiten Artikel speziell seine Be¬ handlung des deutschen Reiches näher zu prüfen, so wollen wir doch schon hier hervorheben, daß nirgends eine Gereiztheit, nirgends eine aus Parteistellung hervorgehende Ungerechtigkeit und beabsichtigte Verkennung in seinem Werke zu Tage tritt. Reclus hat die schon früher erregten Sympathieen durch diese neue großartige Leistung nur befestigt. Was zunächst die äußere Form angeht, in der die drei fertigen Bände vor uns treten, so ist diese schlechthin tadellos, imponirend, neiderweckend. Wir können unsere ganze geographische Literatur, die gleiche Zwecke verfolgt wie Reclus, durchmustern; beschämt müssen wir eingestehen: nichts kann ihm als eben¬ bürtig an die Seite gestellt werden. Wie ist dieses Buch allein schon typo¬ graphisch ausgestattet! Ein Papier, so kräftig, daß man beim Umblättern immer prüfend fühlt, ob man auch nicht zwei oder mehr Blätter umgewendet habe; so wenig find unsere deutschen Finger an dergleichen prächtigen Stoff gewöhnt! Der Druck ist groß und klar in einer wundervollen Type ausgeführt; die nicht kolorirten Kärtchen find gut lesbar, alle Schattirungen zur Angabe der Bevöl- kerungsdichtigkeit und Meerestiefe praktisch gewählt, die Holzschnitte, welche Landschaften, Städte, Gebäude und Volkstypen darstellen, find mit größter Sorgfalt, oft geradezu glänzend ausgeführt. Den Höhepunkt aber in der äußern Erscheinung bilden ohne Zweifel die kolorirten Karten. Sie können das reinste Entzücken des Kartenfreundes hervorrufen, und wir erinnern uns nicht, außer etwa einigen Leistungen des Institutes von I. Perthes in Gotha, je etwas Schöneres in dieser Art gesehen zu haben. Sie machen oft gar nicht den Ein¬ druck von Darstellungen geographischer Formen, sondern erheben sich zu wirk¬ lichen Kunstwerken; so geschmackvoll ist die Auswahl, Abstufung und Behandlung der Farben. Nirgends fühlt sich das Ange durch grelle Töne oder unpassende Zusammenstellungen beleidigt, alles fügt sich harmonisch zusammen. Ein Ver¬ gleich mit Darstellungen der deutschen Kartographie zeigt, wie weit unsere artistischen Anstalten hier hinter ihren französischen Konkurrenten zurückstehen. Wer unsere Angaben für übertrieben halten sollte, den bitten wir, die zu Deutsch¬ land gehörigen Karten aus Reclus' Werk und die schönste aus Peschel-Andree's Atlas des deutschen Reiches, an dessen technischer Ausführung übrigens Peschel unschuldig ist, nebeneinander zu halten, um sich mit einem Schlage bewußt zu werden, wo hier der Vorzug liegt. Damit sind wir aber zugleich bei einem Punkte angelangt, der eine beson¬ dere Eigenthümlichkeit und einen rühmenswerthen Fortschritt in dem französischen Werke ausmacht; wir meinen die Verbindung von schriftlicher, bildlicher und kartographischer Darstellung zu einem Ganzen, dessen einzelne Theile sich gegen¬ seitig fördern und tragen. Unsere geographische Literatur hat ja an großen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/223>, abgerufen am 23.07.2024.