Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Interesse an den so wichtigen und nützlichen Fragen in die Gesammtheit des
Volkes zu tragen, ein Dienst, den in den modernen Verhältnissen ja keine Ein¬
richtung besser versehen kann als die Schule.

Das Werk, welches uns zu den vorstehenden Bemerkungen veranlaßt, und
mit dem wir uns im Folgenden eingehender beschäftigen wollen, ist die "Neue
allgemeine Erdkunde" von Elise'e Reclus.*) Dieser hervorragende französische
Geograph, der vor unserm Geographen-Dreigestirn nicht nur die größte Ver¬
ehrung hegt, sondern auch, wie aus seinen Arbeiten hervorgeht, ihre Werke aufs
eingehendste und mit vollem Verständniß studirt hat, veröffentlichte schon vor
einigen Jahren unter dem Titel "I^s. Isrrs" ein Buch, das sich die Darlegung
und Erklärung der physikalischen Verhältnisse der Erde zur Aufgabe machte,
und das seiner Zeit auch in einer deutschen Umarbeitung^) erschienen ist. Nach
der Vollendung desselben arbeitete Reclus den Plan zu dem in wahrhaft
großartigem Stile angelegten neuen Werke aus, das uns hier beschäftigen soll.
Diese neue "Erdkunde" enthält nicht blos eine je nach der relativen Wichtigkeit
des Terrains mehr oder minder eingehende Schilderung der natürlichen Ver¬
hältnisse und geschichtlichen Entwickelungen der Länder nach den mannichfaltigsten
Gesichtspunkten, sondern auch eine große Anzahl aufs sauberste hergestellter
Holzschnitte und außerdem vielfache kartographische Leistungen. Die letzteren
zerfallen in größere, in Farben ausgeführte Karten und in zahlreiche kleinere,
in den Text eingedruckte Skizzen und Kärtchen. Von dem ganzen Werke,
das seit 1876 in Lieferungen erscheint, liegen bisher die ersten drei Bände
vollendet vor. Während der erste Band unter dem Gescuumttitel "Süd¬
europa" die Länder Griechenland, Türkei, Rumänien, Serbien, Italien, Spanien
und Portugal behandelt, der zweite lediglich Frankreich gewidmet ist, erregt der
Inhalt des dritten Bandes, der gegen Ende vorigen Jahres seinen Abschluß
erreichte, unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er enthält außer der Geographie
der Schweiz und Oesterreich-Ungarn's anch die des deutschen Reiches; sie nimmt
die größere Hälfte des 945 Großoktavseiten zählenden Bandes ein.

Wie Reclus als Franzose nach den Vorgängen des letzten Jahrzehnts das
deutsche Reich behandeln würde, welche Urtheile er über unsere Leistungen auf
allen geistigen Gebieten fällen und welche Stellung er Unserer wirthschaftlichen
Entwickelung unter den europäischen Nationen, besonders bei dem so naheliegenden
Vergleich mit Frankreich anweisen würde, darauf durfte man mit Recht gespannt
sein. Und wenn wir uns auch heute zunächst mit der Einrichtung des ganzen




*j NouveUs geagr-^xiiie nnivsrKeUs, 1k tsrre et Iss Komme" psr LIises Kselus. ?Ari8,
Ubrairis Saelietts. ^vns I--III. 1876--1873.
*) "Die Erde" von Otto Ule> Leipzig, Frohberg, 1875.

Interesse an den so wichtigen und nützlichen Fragen in die Gesammtheit des
Volkes zu tragen, ein Dienst, den in den modernen Verhältnissen ja keine Ein¬
richtung besser versehen kann als die Schule.

Das Werk, welches uns zu den vorstehenden Bemerkungen veranlaßt, und
mit dem wir uns im Folgenden eingehender beschäftigen wollen, ist die „Neue
allgemeine Erdkunde" von Elise'e Reclus.*) Dieser hervorragende französische
Geograph, der vor unserm Geographen-Dreigestirn nicht nur die größte Ver¬
ehrung hegt, sondern auch, wie aus seinen Arbeiten hervorgeht, ihre Werke aufs
eingehendste und mit vollem Verständniß studirt hat, veröffentlichte schon vor
einigen Jahren unter dem Titel „I^s. Isrrs" ein Buch, das sich die Darlegung
und Erklärung der physikalischen Verhältnisse der Erde zur Aufgabe machte,
und das seiner Zeit auch in einer deutschen Umarbeitung^) erschienen ist. Nach
der Vollendung desselben arbeitete Reclus den Plan zu dem in wahrhaft
großartigem Stile angelegten neuen Werke aus, das uns hier beschäftigen soll.
Diese neue „Erdkunde" enthält nicht blos eine je nach der relativen Wichtigkeit
des Terrains mehr oder minder eingehende Schilderung der natürlichen Ver¬
hältnisse und geschichtlichen Entwickelungen der Länder nach den mannichfaltigsten
Gesichtspunkten, sondern auch eine große Anzahl aufs sauberste hergestellter
Holzschnitte und außerdem vielfache kartographische Leistungen. Die letzteren
zerfallen in größere, in Farben ausgeführte Karten und in zahlreiche kleinere,
in den Text eingedruckte Skizzen und Kärtchen. Von dem ganzen Werke,
das seit 1876 in Lieferungen erscheint, liegen bisher die ersten drei Bände
vollendet vor. Während der erste Band unter dem Gescuumttitel „Süd¬
europa" die Länder Griechenland, Türkei, Rumänien, Serbien, Italien, Spanien
und Portugal behandelt, der zweite lediglich Frankreich gewidmet ist, erregt der
Inhalt des dritten Bandes, der gegen Ende vorigen Jahres seinen Abschluß
erreichte, unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er enthält außer der Geographie
der Schweiz und Oesterreich-Ungarn's anch die des deutschen Reiches; sie nimmt
die größere Hälfte des 945 Großoktavseiten zählenden Bandes ein.

Wie Reclus als Franzose nach den Vorgängen des letzten Jahrzehnts das
deutsche Reich behandeln würde, welche Urtheile er über unsere Leistungen auf
allen geistigen Gebieten fällen und welche Stellung er Unserer wirthschaftlichen
Entwickelung unter den europäischen Nationen, besonders bei dem so naheliegenden
Vergleich mit Frankreich anweisen würde, darauf durfte man mit Recht gespannt
sein. Und wenn wir uns auch heute zunächst mit der Einrichtung des ganzen




*j NouveUs geagr-^xiiie nnivsrKeUs, 1k tsrre et Iss Komme» psr LIises Kselus. ?Ari8,
Ubrairis Saelietts. ^vns I—III. 1876—1873.
*) „Die Erde" von Otto Ule> Leipzig, Frohberg, 1875.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141633"/>
          <p xml:id="ID_665" prev="#ID_664"> Interesse an den so wichtigen und nützlichen Fragen in die Gesammtheit des<lb/>
Volkes zu tragen, ein Dienst, den in den modernen Verhältnissen ja keine Ein¬<lb/>
richtung besser versehen kann als die Schule.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_666"> Das Werk, welches uns zu den vorstehenden Bemerkungen veranlaßt, und<lb/>
mit dem wir uns im Folgenden eingehender beschäftigen wollen, ist die &#x201E;Neue<lb/>
allgemeine Erdkunde" von Elise'e Reclus.*) Dieser hervorragende französische<lb/>
Geograph, der vor unserm Geographen-Dreigestirn nicht nur die größte Ver¬<lb/>
ehrung hegt, sondern auch, wie aus seinen Arbeiten hervorgeht, ihre Werke aufs<lb/>
eingehendste und mit vollem Verständniß studirt hat, veröffentlichte schon vor<lb/>
einigen Jahren unter dem Titel &#x201E;I^s. Isrrs" ein Buch, das sich die Darlegung<lb/>
und Erklärung der physikalischen Verhältnisse der Erde zur Aufgabe machte,<lb/>
und das seiner Zeit auch in einer deutschen Umarbeitung^) erschienen ist. Nach<lb/>
der Vollendung desselben arbeitete Reclus den Plan zu dem in wahrhaft<lb/>
großartigem Stile angelegten neuen Werke aus, das uns hier beschäftigen soll.<lb/>
Diese neue &#x201E;Erdkunde" enthält nicht blos eine je nach der relativen Wichtigkeit<lb/>
des Terrains mehr oder minder eingehende Schilderung der natürlichen Ver¬<lb/>
hältnisse und geschichtlichen Entwickelungen der Länder nach den mannichfaltigsten<lb/>
Gesichtspunkten, sondern auch eine große Anzahl aufs sauberste hergestellter<lb/>
Holzschnitte und außerdem vielfache kartographische Leistungen. Die letzteren<lb/>
zerfallen in größere, in Farben ausgeführte Karten und in zahlreiche kleinere,<lb/>
in den Text eingedruckte Skizzen und Kärtchen. Von dem ganzen Werke,<lb/>
das seit 1876 in Lieferungen erscheint, liegen bisher die ersten drei Bände<lb/>
vollendet vor. Während der erste Band unter dem Gescuumttitel &#x201E;Süd¬<lb/>
europa" die Länder Griechenland, Türkei, Rumänien, Serbien, Italien, Spanien<lb/>
und Portugal behandelt, der zweite lediglich Frankreich gewidmet ist, erregt der<lb/>
Inhalt des dritten Bandes, der gegen Ende vorigen Jahres seinen Abschluß<lb/>
erreichte, unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er enthält außer der Geographie<lb/>
der Schweiz und Oesterreich-Ungarn's anch die des deutschen Reiches; sie nimmt<lb/>
die größere Hälfte des 945 Großoktavseiten zählenden Bandes ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_667" next="#ID_668"> Wie Reclus als Franzose nach den Vorgängen des letzten Jahrzehnts das<lb/>
deutsche Reich behandeln würde, welche Urtheile er über unsere Leistungen auf<lb/>
allen geistigen Gebieten fällen und welche Stellung er Unserer wirthschaftlichen<lb/>
Entwickelung unter den europäischen Nationen, besonders bei dem so naheliegenden<lb/>
Vergleich mit Frankreich anweisen würde, darauf durfte man mit Recht gespannt<lb/>
sein. Und wenn wir uns auch heute zunächst mit der Einrichtung des ganzen</p><lb/>
          <note xml:id="FID_51" place="foot"> *j NouveUs geagr-^xiiie nnivsrKeUs, 1k tsrre et Iss Komme» psr LIises Kselus. ?Ari8,<lb/>
Ubrairis Saelietts.  ^vns I&#x2014;III. 1876&#x2014;1873.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_52" place="foot"> *) &#x201E;Die Erde" von Otto Ule&gt; Leipzig, Frohberg, 1875.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0222] Interesse an den so wichtigen und nützlichen Fragen in die Gesammtheit des Volkes zu tragen, ein Dienst, den in den modernen Verhältnissen ja keine Ein¬ richtung besser versehen kann als die Schule. Das Werk, welches uns zu den vorstehenden Bemerkungen veranlaßt, und mit dem wir uns im Folgenden eingehender beschäftigen wollen, ist die „Neue allgemeine Erdkunde" von Elise'e Reclus.*) Dieser hervorragende französische Geograph, der vor unserm Geographen-Dreigestirn nicht nur die größte Ver¬ ehrung hegt, sondern auch, wie aus seinen Arbeiten hervorgeht, ihre Werke aufs eingehendste und mit vollem Verständniß studirt hat, veröffentlichte schon vor einigen Jahren unter dem Titel „I^s. Isrrs" ein Buch, das sich die Darlegung und Erklärung der physikalischen Verhältnisse der Erde zur Aufgabe machte, und das seiner Zeit auch in einer deutschen Umarbeitung^) erschienen ist. Nach der Vollendung desselben arbeitete Reclus den Plan zu dem in wahrhaft großartigem Stile angelegten neuen Werke aus, das uns hier beschäftigen soll. Diese neue „Erdkunde" enthält nicht blos eine je nach der relativen Wichtigkeit des Terrains mehr oder minder eingehende Schilderung der natürlichen Ver¬ hältnisse und geschichtlichen Entwickelungen der Länder nach den mannichfaltigsten Gesichtspunkten, sondern auch eine große Anzahl aufs sauberste hergestellter Holzschnitte und außerdem vielfache kartographische Leistungen. Die letzteren zerfallen in größere, in Farben ausgeführte Karten und in zahlreiche kleinere, in den Text eingedruckte Skizzen und Kärtchen. Von dem ganzen Werke, das seit 1876 in Lieferungen erscheint, liegen bisher die ersten drei Bände vollendet vor. Während der erste Band unter dem Gescuumttitel „Süd¬ europa" die Länder Griechenland, Türkei, Rumänien, Serbien, Italien, Spanien und Portugal behandelt, der zweite lediglich Frankreich gewidmet ist, erregt der Inhalt des dritten Bandes, der gegen Ende vorigen Jahres seinen Abschluß erreichte, unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er enthält außer der Geographie der Schweiz und Oesterreich-Ungarn's anch die des deutschen Reiches; sie nimmt die größere Hälfte des 945 Großoktavseiten zählenden Bandes ein. Wie Reclus als Franzose nach den Vorgängen des letzten Jahrzehnts das deutsche Reich behandeln würde, welche Urtheile er über unsere Leistungen auf allen geistigen Gebieten fällen und welche Stellung er Unserer wirthschaftlichen Entwickelung unter den europäischen Nationen, besonders bei dem so naheliegenden Vergleich mit Frankreich anweisen würde, darauf durfte man mit Recht gespannt sein. Und wenn wir uns auch heute zunächst mit der Einrichtung des ganzen *j NouveUs geagr-^xiiie nnivsrKeUs, 1k tsrre et Iss Komme» psr LIises Kselus. ?Ari8, Ubrairis Saelietts. ^vns I—III. 1876—1873. *) „Die Erde" von Otto Ule> Leipzig, Frohberg, 1875.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/222
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/222>, abgerufen am 23.07.2024.