Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.müssen. Zeitweilige Erfolge, die durch Einschüchterungen herbeigeführt wurden, Ein Vergleich der Leistungen nordamerikanischer Durchschnittsarbeiter mit Zu wünschen wäre, daß in Deutschland u. ni. das recht beachtet würde, *) Bor etwa zwanzig Jahren wurde ein Histörchen erzählt (irrt der Schreiber dieser Zeilen nicht, so hörte er es in Leipzig von Gerstäcker), daß der Vielgereiste dem Herzog von Gotha folgende Wette vorschlug und -- gewann. Es wurden zwei benachbarte, gleich¬ artige und gleich dicke Waldbäume ausgesucht, an deren einem stand Gerstäcker, der bekannt¬ lich nichts weniger als Athlet war, mit einer amerikanischen Axt, am andern Baume der stärkste und gewandteste Waldarbeiter, den der Herzog finden konnte, mit einer deutschen Axt. Ans ein Kommando begann die Thätigkeit an beiden Stellen. Der Arbeiter schonte sich nicht, sondern hieb augenscheinlich aus allen Kräften drauf los, denn als Siegespreis war ihm eine gute Belohnung zugesichert. Aber vergebens. Unter den Streichen des kleinen, schmächtigen, im Holzfällen gewiß nicht sonderlich geübten Touristen fiel der Baumriese, lange bevor der andere niedergestreckt war. Ob diese äswonstr"dio ooulos, so recht amerikanisch, nach Art Franklin's, weitere praktische Folgen gehabt hat, ob etwa für die herzoglichen Forsten nun amerikanische Aexte angeschafft worden sind, wissen wir nicht. Jedenfalls liegt die Betrachtung nahe, daß man in Deutschland wohl thäte, sich mehr als bisher auf Ein¬ führung desjenigen zu verlegen, was in praktischem Gebiete das Ausland erprobt hat. Mit dem Herbeischaffen gewisser anderer Importartikel, sowie dem Ausklügeln uagelneucr Gesell¬ schaftsformen hat es keine Eile. Grenzboten I. 137S. LL
müssen. Zeitweilige Erfolge, die durch Einschüchterungen herbeigeführt wurden, Ein Vergleich der Leistungen nordamerikanischer Durchschnittsarbeiter mit Zu wünschen wäre, daß in Deutschland u. ni. das recht beachtet würde, *) Bor etwa zwanzig Jahren wurde ein Histörchen erzählt (irrt der Schreiber dieser Zeilen nicht, so hörte er es in Leipzig von Gerstäcker), daß der Vielgereiste dem Herzog von Gotha folgende Wette vorschlug und — gewann. Es wurden zwei benachbarte, gleich¬ artige und gleich dicke Waldbäume ausgesucht, an deren einem stand Gerstäcker, der bekannt¬ lich nichts weniger als Athlet war, mit einer amerikanischen Axt, am andern Baume der stärkste und gewandteste Waldarbeiter, den der Herzog finden konnte, mit einer deutschen Axt. Ans ein Kommando begann die Thätigkeit an beiden Stellen. Der Arbeiter schonte sich nicht, sondern hieb augenscheinlich aus allen Kräften drauf los, denn als Siegespreis war ihm eine gute Belohnung zugesichert. Aber vergebens. Unter den Streichen des kleinen, schmächtigen, im Holzfällen gewiß nicht sonderlich geübten Touristen fiel der Baumriese, lange bevor der andere niedergestreckt war. Ob diese äswonstr»dio ooulos, so recht amerikanisch, nach Art Franklin's, weitere praktische Folgen gehabt hat, ob etwa für die herzoglichen Forsten nun amerikanische Aexte angeschafft worden sind, wissen wir nicht. Jedenfalls liegt die Betrachtung nahe, daß man in Deutschland wohl thäte, sich mehr als bisher auf Ein¬ führung desjenigen zu verlegen, was in praktischem Gebiete das Ausland erprobt hat. Mit dem Herbeischaffen gewisser anderer Importartikel, sowie dem Ausklügeln uagelneucr Gesell¬ schaftsformen hat es keine Eile. Grenzboten I. 137S. LL
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müssen. Zeitweilige Erfolge, die durch Einschüchterungen herbeigeführt wurden,
sind nie von Bestand. Denn die wirthschaftlichen Gesetze, nicht Menschen sind
hier die Machthaber.
Ein Vergleich der Leistungen nordamerikanischer Durchschnittsarbeiter mit
denen deutscher fällt zu Ungunsten der letzteren aus, welche von ersteren an
Ernst, Tüchtigkeit und Sorgfalt übertroffen werden. Auch wir haben von
Landsleuten, die Amerika näher kennen lernten, von jeher leider durchweg das¬
selbe Urtheil vernommen. Die Arbeit wird dort geschäftlich, nicht „gemüthlich"
betrieben, wie so oft in Deutschland, es wird nicht dabei geschwatzt und ge¬
raucht, die Mahlzeiten werden nicht über die Gebühr ausgedehnt, Versprechen
pünktlich gehalten, endlich grassirt das Kneipenwesen nicht dermaßen, wie bei
uns. Im übertriebenen Genusse berauschender Getränke wetteifern unsere neu-
eingewcmderten Landsleute vielfach mit den Jrlündern. ,
Zu wünschen wäre, daß in Deutschland u. ni. das recht beachtet würde,
was Herr von Stubnitz über die Werkzeuge der Arbeiter mittheilt. Diese sind
bekanntlich weit besser als die deutschen, manche sogar den englischen überlegen.
Das erklärt sich z. Th. daraus, daß in Amerika Arbeitszeit und Kraft so
theuer ist, daß die ganze Nation, eifriger als jede andere, ihr Dichten und
Trachten auf Ersparnisse daran richtet und schon darum es weiter bringen
mußte in der Herstellung von Geräthen, Werkzeugen und Maschinen. Das
amerikanische Werkzeug ist leicht, härtlich und aus bestem Material. Hammer,
Bohrer, Feilen, Schärfungs- und Schneidewerkzeuge, Aexte,*) Sägen, Hobel,
Spaten, Sicheln, Schrauben, Nägel haben sich neugestaltet. Auch dem Gu߬
eisen hat man mit Vortheil eine viel weitere Anwendung gegeben, als bei
uns. Eine Menge Maschinen- und Werkzeugtheile siud nicht Schmiedeeisen,
sondern werden gegossen, und zwar in vorzüglicher Güte und genauesten Dienen-
*) Bor etwa zwanzig Jahren wurde ein Histörchen erzählt (irrt der Schreiber dieser
Zeilen nicht, so hörte er es in Leipzig von Gerstäcker), daß der Vielgereiste dem Herzog
von Gotha folgende Wette vorschlug und — gewann. Es wurden zwei benachbarte, gleich¬
artige und gleich dicke Waldbäume ausgesucht, an deren einem stand Gerstäcker, der bekannt¬
lich nichts weniger als Athlet war, mit einer amerikanischen Axt, am andern Baume der
stärkste und gewandteste Waldarbeiter, den der Herzog finden konnte, mit einer deutschen
Axt. Ans ein Kommando begann die Thätigkeit an beiden Stellen. Der Arbeiter schonte
sich nicht, sondern hieb augenscheinlich aus allen Kräften drauf los, denn als Siegespreis
war ihm eine gute Belohnung zugesichert. Aber vergebens. Unter den Streichen des kleinen,
schmächtigen, im Holzfällen gewiß nicht sonderlich geübten Touristen fiel der Baumriese, lange
bevor der andere niedergestreckt war. Ob diese äswonstr»dio ooulos, so recht amerikanisch,
nach Art Franklin's, weitere praktische Folgen gehabt hat, ob etwa für die herzoglichen
Forsten nun amerikanische Aexte angeschafft worden sind, wissen wir nicht. Jedenfalls liegt
die Betrachtung nahe, daß man in Deutschland wohl thäte, sich mehr als bisher auf Ein¬
führung desjenigen zu verlegen, was in praktischem Gebiete das Ausland erprobt hat. Mit
dem Herbeischaffen gewisser anderer Importartikel, sowie dem Ausklügeln uagelneucr Gesell¬
schaftsformen hat es keine Eile.
Grenzboten I. 137S. LL
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