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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Laufbahn ist charakteristisch fiir seine Zeit wie für die engen Beziehungen,
welche damals zwischen den entlegenen Kolonieen und dem Mutterlande be¬
standen. Geboren zu Vetschan in der Nieder-Lausitz hatte er in Wittenberg
seine theologischen Studien gemacht, dort auch den Magistertitel sich erworben
und mit einer Reihe bedeutender Männer daselbst persönliche Beziehungen an¬
geknüpft. Früh war er dann, wahrscheinlich auf Veranlassung seines Lehrers
Nicolaus Gabel, der damals die Leitung der Schule in Kremnitz erhielt,
nach Ungarn gekommen und hatte hier Anfang 1594 das Rektorat der blü¬
henden Schule zu Eperies übernommen. In weiteren Kreisen bekannt machte
ihn nicht nur diese Thätigkeit, -- denn zahlreiche junge Edelleute Ober-Un¬
garn's wurden seiner Erziehung anvertraut -- sondern vor allem seine lateinische
Dichtung, deren erste größere Probe der Siracida war, eine freie Umarbeitung
der Sprüche des Jesus Sirach (Wittenberg 1596); sie verschaffte ihm auch im
Jahre 1596 den Kranz des pvstg. lanroa-tus und die Erhebung in den Adels¬
stand durch Kaiser Rudolf II., der, so viele Schwächen er sonst haben mochte,
für Interessen geistiger Art sehr empfänglich war. Durch so reiche Anerkennung
aufgemuntert gab sich Bocatius auf's eifrigste seinen poetischen Arbeiten
hin und verherrlichte in einer Reihe von epischen und elegischen Gedichten, die
große Gewandtheit der Form mit wirklichem Talent verbinden, die Ereignisse
und die Feldherren des türkischen Krieges; er hat sie später in seiner Hungarias
vereinigt (Bartfeld 1599). Obwohl er nun in Eperies durch seiue Vermählung
mit der Tochter des hochangesehenen Johann Beis, der gelegentlich als kaiser¬
licher Gesandter verwendet wurde und lange in Konstantinopel gelebt hatte,
festen Fuß gefaßt zu haben schien, so folgte er doch im Jahre 1599 dem
ehrenvollen Rufe als Rektor der Stadtschule des bedeutenderen Kaschau und
so rasch gewann er hier das Vertrauen seiner neuen Mitbürger, daß er kurze
Zeit darauf in den Rath gewählt und endlich zum Richter, d. h. zum Bür¬
germeister der großen Gemeinde erhoben wurde. Gelehrter Theolog und treff¬
licher Schulmann, eine Natur, wenn man aus seinen Schriften schließen darf,
von feiner, fast weicher Empfindung und doch bereit, für seinen evangelischen
Glauben auch das Schwerste auf sich zu nehmen, sollte er, in dem sich gewisser¬
maßen die ganze Fülle deutsch-ungarischer Geistesbildung konzentrirte, das harte
Schicksal haben, mit der brutalen Gewalt eines kaiserlichen Söldnerführers den
hoffnungslosen Kampf aufzunehmen und dann als Diener des Jnsurgenten-
führers Stephan Bocskay in den Kampf gegen seinen Landesherrn auf's
tiefste verflochten zu werden.


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aber die Hunggri"." (s. unten).

Laufbahn ist charakteristisch fiir seine Zeit wie für die engen Beziehungen,
welche damals zwischen den entlegenen Kolonieen und dem Mutterlande be¬
standen. Geboren zu Vetschan in der Nieder-Lausitz hatte er in Wittenberg
seine theologischen Studien gemacht, dort auch den Magistertitel sich erworben
und mit einer Reihe bedeutender Männer daselbst persönliche Beziehungen an¬
geknüpft. Früh war er dann, wahrscheinlich auf Veranlassung seines Lehrers
Nicolaus Gabel, der damals die Leitung der Schule in Kremnitz erhielt,
nach Ungarn gekommen und hatte hier Anfang 1594 das Rektorat der blü¬
henden Schule zu Eperies übernommen. In weiteren Kreisen bekannt machte
ihn nicht nur diese Thätigkeit, — denn zahlreiche junge Edelleute Ober-Un¬
garn's wurden seiner Erziehung anvertraut — sondern vor allem seine lateinische
Dichtung, deren erste größere Probe der Siracida war, eine freie Umarbeitung
der Sprüche des Jesus Sirach (Wittenberg 1596); sie verschaffte ihm auch im
Jahre 1596 den Kranz des pvstg. lanroa-tus und die Erhebung in den Adels¬
stand durch Kaiser Rudolf II., der, so viele Schwächen er sonst haben mochte,
für Interessen geistiger Art sehr empfänglich war. Durch so reiche Anerkennung
aufgemuntert gab sich Bocatius auf's eifrigste seinen poetischen Arbeiten
hin und verherrlichte in einer Reihe von epischen und elegischen Gedichten, die
große Gewandtheit der Form mit wirklichem Talent verbinden, die Ereignisse
und die Feldherren des türkischen Krieges; er hat sie später in seiner Hungarias
vereinigt (Bartfeld 1599). Obwohl er nun in Eperies durch seiue Vermählung
mit der Tochter des hochangesehenen Johann Beis, der gelegentlich als kaiser¬
licher Gesandter verwendet wurde und lange in Konstantinopel gelebt hatte,
festen Fuß gefaßt zu haben schien, so folgte er doch im Jahre 1599 dem
ehrenvollen Rufe als Rektor der Stadtschule des bedeutenderen Kaschau und
so rasch gewann er hier das Vertrauen seiner neuen Mitbürger, daß er kurze
Zeit darauf in den Rath gewählt und endlich zum Richter, d. h. zum Bür¬
germeister der großen Gemeinde erhoben wurde. Gelehrter Theolog und treff¬
licher Schulmann, eine Natur, wenn man aus seinen Schriften schließen darf,
von feiner, fast weicher Empfindung und doch bereit, für seinen evangelischen
Glauben auch das Schwerste auf sich zu nehmen, sollte er, in dem sich gewisser¬
maßen die ganze Fülle deutsch-ungarischer Geistesbildung konzentrirte, das harte
Schicksal haben, mit der brutalen Gewalt eines kaiserlichen Söldnerführers den
hoffnungslosen Kampf aufzunehmen und dann als Diener des Jnsurgenten-
führers Stephan Bocskay in den Kampf gegen seinen Landesherrn auf's
tiefste verflochten zu werden.


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aber die Hunggri«.« (s. unten).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/190>, abgerufen am 06.02.2025.