Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Er also war es, der damals als Haupt der Stadt Kaschau mit dem Aus so harmloser Sicherheit sah er sich bald grausam aufgeschreckt. Denn Dieser schweren und zunächst unbegreiflichen Drohung gegenüber ließ Er also war es, der damals als Haupt der Stadt Kaschau mit dem Aus so harmloser Sicherheit sah er sich bald grausam aufgeschreckt. Denn Dieser schweren und zunächst unbegreiflichen Drohung gegenüber ließ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141602"/> <p xml:id="ID_561"> Er also war es, der damals als Haupt der Stadt Kaschau mit dem<lb/> General zusammenstieß. Auf jene Beschwerde der Bauern sandte er sofort<lb/> zwei Rathsherren zum Feldobristen, um Aufklärung über ein so auffälliges<lb/> und eigenmächtiges Vorgehen zu verlangen. Sie lautete dahin, der General<lb/> habe die Truppen nur zu seinem Geleite für eine Vereisung der Grenze be¬<lb/> stimmt; sie seien durch ein Versehen um einen Tag zu früh gekommen, man<lb/> möge sich also gedulden. Dabei glaubten Richter und Rath sich beruhigen zu<lb/> müssen, ja, Boeatius bewilligte sogar dem Belgivjvso auf dessen Bitte Wagen<lb/> und Pferde, um sein Gefolge zur Grenze zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_562"> Aus so harmloser Sicherheit sah er sich bald grausam aufgeschreckt. Denn<lb/> am 6. Januar Abends, als die Thore schon geschlossen waren, ließ Belgiv¬<lb/> jvso auf den nächsten Morgen früh 7 Uhr den Rath und die geschworene<lb/> Bürgerschaft (etwa „Stadtverordnete") zu sich entbieten. Zugleich trat das<lb/> Besatzungsfähnlein von Kaschau unter Gewehr, erhielt Munition und blieb<lb/> den ganzen Ta'g in Bereitschaft; auf dem Hauptplatze wurden Geschütze aufge¬<lb/> fahren und geladen, aus den Fenstern des Zeughauses die Doppelhaken auf die<lb/> Häuser der Bürgerschaft gerichtet, in die Vorstädte rückten die Arlebusiere ein,<lb/> welche bis jetzt auf den Dörfern gelegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_563" next="#ID_564"> Dieser schweren und zunächst unbegreiflichen Drohung gegenüber ließ<lb/> Boeatius schon um 3 Uhr Nachts deu gesammten Rath und die geschworene<lb/> Bürgerschaft aufs Rathhaus bescheiden und bewirkte hier den Beschluß, statt<lb/> der Gesammtheit nur eine Deputation von drei Rathsherren und zwei ge¬<lb/> schworenen Bürgern zu Belgiojoso zu senden. Doch dieser ließ sie gar nicht<lb/> vor und bewilligte erst — und auch jetzt nur auf Fürsprache der anwesenden<lb/> geistlichen Herren: des Bischofs von Neutra, Franz von ForgÄs, Kanzlers<lb/> für Ungarn, des Nicolaus Micatius, Bischofs von Groß-Wardein und Präsi¬<lb/> denten der tgi. Kammer (Finanzberwaltung) in Kaschau, endlich des Bischofs<lb/> von Fünfnrchen, Georg Szalatnok — eine Audienz, als der ganze Rath mit<lb/> zweien aus der Gemeinde vor ihm erschien, mit Vollmacht „zu hören und zu<lb/> traktiren". Dem Schlimmes ahnenden Richter überreichte darauf der General<lb/> ein kaiserliches Schreiben; es war das Mandat vom 11. November 1603,<lb/> welches die Bürgerschaft anwies, die Elisabethkirche mit der ungarischen Kapelle<lb/> dem Domkapitel zu Erlau zu übergeben und selbst fortan dem katholischen Gottes¬<lb/> dienste beizuwohnen. Umsonst bat Boeatius dieser vernichtenden Sentenz gegen¬<lb/> über um Gewährung einer Frist, erst von sechs Wochen, dann, nur Schritt für<lb/> Schritt weichend, von vier, von zwei Wochen, darauf von drei Tagen, endlich<lb/> von einem Tage; Belgiojoso bewilligte nur eine Stunde zu Verhandlungen<lb/> über eine kategorische Antwort. Umsonst protestiren Richter und Rath unter<lb/> Berufung auf ihre Privilegien und auf das Recht Ungarn's; mit Hohn ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
Er also war es, der damals als Haupt der Stadt Kaschau mit dem
General zusammenstieß. Auf jene Beschwerde der Bauern sandte er sofort
zwei Rathsherren zum Feldobristen, um Aufklärung über ein so auffälliges
und eigenmächtiges Vorgehen zu verlangen. Sie lautete dahin, der General
habe die Truppen nur zu seinem Geleite für eine Vereisung der Grenze be¬
stimmt; sie seien durch ein Versehen um einen Tag zu früh gekommen, man
möge sich also gedulden. Dabei glaubten Richter und Rath sich beruhigen zu
müssen, ja, Boeatius bewilligte sogar dem Belgivjvso auf dessen Bitte Wagen
und Pferde, um sein Gefolge zur Grenze zu bringen.
Aus so harmloser Sicherheit sah er sich bald grausam aufgeschreckt. Denn
am 6. Januar Abends, als die Thore schon geschlossen waren, ließ Belgiv¬
jvso auf den nächsten Morgen früh 7 Uhr den Rath und die geschworene
Bürgerschaft (etwa „Stadtverordnete") zu sich entbieten. Zugleich trat das
Besatzungsfähnlein von Kaschau unter Gewehr, erhielt Munition und blieb
den ganzen Ta'g in Bereitschaft; auf dem Hauptplatze wurden Geschütze aufge¬
fahren und geladen, aus den Fenstern des Zeughauses die Doppelhaken auf die
Häuser der Bürgerschaft gerichtet, in die Vorstädte rückten die Arlebusiere ein,
welche bis jetzt auf den Dörfern gelegen.
Dieser schweren und zunächst unbegreiflichen Drohung gegenüber ließ
Boeatius schon um 3 Uhr Nachts deu gesammten Rath und die geschworene
Bürgerschaft aufs Rathhaus bescheiden und bewirkte hier den Beschluß, statt
der Gesammtheit nur eine Deputation von drei Rathsherren und zwei ge¬
schworenen Bürgern zu Belgiojoso zu senden. Doch dieser ließ sie gar nicht
vor und bewilligte erst — und auch jetzt nur auf Fürsprache der anwesenden
geistlichen Herren: des Bischofs von Neutra, Franz von ForgÄs, Kanzlers
für Ungarn, des Nicolaus Micatius, Bischofs von Groß-Wardein und Präsi¬
denten der tgi. Kammer (Finanzberwaltung) in Kaschau, endlich des Bischofs
von Fünfnrchen, Georg Szalatnok — eine Audienz, als der ganze Rath mit
zweien aus der Gemeinde vor ihm erschien, mit Vollmacht „zu hören und zu
traktiren". Dem Schlimmes ahnenden Richter überreichte darauf der General
ein kaiserliches Schreiben; es war das Mandat vom 11. November 1603,
welches die Bürgerschaft anwies, die Elisabethkirche mit der ungarischen Kapelle
dem Domkapitel zu Erlau zu übergeben und selbst fortan dem katholischen Gottes¬
dienste beizuwohnen. Umsonst bat Boeatius dieser vernichtenden Sentenz gegen¬
über um Gewährung einer Frist, erst von sechs Wochen, dann, nur Schritt für
Schritt weichend, von vier, von zwei Wochen, darauf von drei Tagen, endlich
von einem Tage; Belgiojoso bewilligte nur eine Stunde zu Verhandlungen
über eine kategorische Antwort. Umsonst protestiren Richter und Rath unter
Berufung auf ihre Privilegien und auf das Recht Ungarn's; mit Hohn ent-
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