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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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städtebundes, der durch die Zipserstadt Leutschcm verstärkt unter Kcischau's
Leitung sich bildete und namentlich seit dem 15. Jahrhundert scharf hervortritt.
Die städtische Selbständigkeit wurde noch verstärkt durch die Verleihung des
Blutbannes im Jahre 1346 und des Münzrechtes unter König Matthias Corvinus
(1457--1490). Dem Protestantismus schloß sich Kaschau aufs eifrigste an;
eine evangelische Schule blühte auf, der auch die benachbarten Magnaten mit
Vorliebe ihre Sohne anvertrauten, und zahlreiche Fäden spannen sich aus dem
Thale der Herrad zu der kleinen Elbstadt Wittenberg. Zwar begannen in der¬
selben Zeit, als eben deutsches Geistesleben hier am kräftigsten sich entfaltete,
magyarische Elemente in die Bürgerschaft, ja sogar in den Rath einzudringen,
was für die künftige Entwickelung der Stadt von großer Bedeutung war, aber
der materielle Wohlstand behauptete sich trotz arger Kriegsbedräugniß. Die
Gemeinde verfügte über ein ausgedehntes Gebiet, das nicht weniger als 28
Dörfer umfaßte; ihren Bürgern gehörte ein großer Theil der Weinberge in
der Hegyallja, und ihr edles Gewächs lieferte den Hauptgegenstand ihres schwung¬
haften Handels mit Polen. Die kommerzielle Bedeutung und der darauf be¬
ruhende Reichthum machte die Stadt zum wichtigsten Platze des gestimmten
habsburgischen Ungarn. Hier befand sich der Hauptsitz der königlichen Finanz¬
verwaltung (Kammer), ein königliches Zeughaus, ein stattliches Residenzgebäude;
von hier aus nahmen die kriegerischen Operationen in diesen Gegenden ihren
Ausgang, weshalb auch eine stehende Garnison -- damals ein deutsches Fähn¬
lein-- sich hier befand, und der Oberkommandcini auf diesem Theile des
Kriegsschauplatzes hier sein Hauptquartier aufzuschlagen pflegte.

So durfte die Stadt in jeder Beziehung eine hervorragende Geltung be¬
anspruchen, als die kaiserliche Regierung sich anschickte, in diesem seinem Haupt¬
sitze dem Protestantismus Ober-Ungcirn's einen tödtlichen Schlag zu versetze,:.
Auf Antrag des Domkapitels von Erlau, das nach der Einnahme dieser Stadt
durch die Türken im Jahre 1596 seine Zuflucht in Kaschau gefunden hatte,
wies ein kaiserliches Mandat vom 11. November 1603 den Rath der Stadt an,
die von den ungarischen Königen für den katholischen Kultus erbaute Elisabeth¬
kirche und die sogenannte ungarische Kapelle mit ihren Kleinodien dem Kapitel
zu übergeben und dem katholischen Gottesdienste fortan veizuwohneu. Zugleich
kam dem kommandirenden General in Ober-Ungarn, Graf Belgiojoso, der Be¬
fehl, den kaiserlichen Willen durchzuführen.

Die Elisabethkirche, um die es sich handelte, ist noch gegenwärtig eines
der herrlichsten Denkmäler gothischer Baukunst in Ungarn*) und war des



*) Ueber sie außer Kron es, Zur Geschichte u. s. w. besonders K. Weiß, Der Eli¬
sabeth-Dom zu Kaschau in Ungarn, in den Mittheilungen der k. k, Ccntralkommisston zur
Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, II. 1387 (mit Ansichten und Plänen).

städtebundes, der durch die Zipserstadt Leutschcm verstärkt unter Kcischau's
Leitung sich bildete und namentlich seit dem 15. Jahrhundert scharf hervortritt.
Die städtische Selbständigkeit wurde noch verstärkt durch die Verleihung des
Blutbannes im Jahre 1346 und des Münzrechtes unter König Matthias Corvinus
(1457—1490). Dem Protestantismus schloß sich Kaschau aufs eifrigste an;
eine evangelische Schule blühte auf, der auch die benachbarten Magnaten mit
Vorliebe ihre Sohne anvertrauten, und zahlreiche Fäden spannen sich aus dem
Thale der Herrad zu der kleinen Elbstadt Wittenberg. Zwar begannen in der¬
selben Zeit, als eben deutsches Geistesleben hier am kräftigsten sich entfaltete,
magyarische Elemente in die Bürgerschaft, ja sogar in den Rath einzudringen,
was für die künftige Entwickelung der Stadt von großer Bedeutung war, aber
der materielle Wohlstand behauptete sich trotz arger Kriegsbedräugniß. Die
Gemeinde verfügte über ein ausgedehntes Gebiet, das nicht weniger als 28
Dörfer umfaßte; ihren Bürgern gehörte ein großer Theil der Weinberge in
der Hegyallja, und ihr edles Gewächs lieferte den Hauptgegenstand ihres schwung¬
haften Handels mit Polen. Die kommerzielle Bedeutung und der darauf be¬
ruhende Reichthum machte die Stadt zum wichtigsten Platze des gestimmten
habsburgischen Ungarn. Hier befand sich der Hauptsitz der königlichen Finanz¬
verwaltung (Kammer), ein königliches Zeughaus, ein stattliches Residenzgebäude;
von hier aus nahmen die kriegerischen Operationen in diesen Gegenden ihren
Ausgang, weshalb auch eine stehende Garnison — damals ein deutsches Fähn¬
lein— sich hier befand, und der Oberkommandcini auf diesem Theile des
Kriegsschauplatzes hier sein Hauptquartier aufzuschlagen pflegte.

So durfte die Stadt in jeder Beziehung eine hervorragende Geltung be¬
anspruchen, als die kaiserliche Regierung sich anschickte, in diesem seinem Haupt¬
sitze dem Protestantismus Ober-Ungcirn's einen tödtlichen Schlag zu versetze,:.
Auf Antrag des Domkapitels von Erlau, das nach der Einnahme dieser Stadt
durch die Türken im Jahre 1596 seine Zuflucht in Kaschau gefunden hatte,
wies ein kaiserliches Mandat vom 11. November 1603 den Rath der Stadt an,
die von den ungarischen Königen für den katholischen Kultus erbaute Elisabeth¬
kirche und die sogenannte ungarische Kapelle mit ihren Kleinodien dem Kapitel
zu übergeben und dem katholischen Gottesdienste fortan veizuwohneu. Zugleich
kam dem kommandirenden General in Ober-Ungarn, Graf Belgiojoso, der Be¬
fehl, den kaiserlichen Willen durchzuführen.

Die Elisabethkirche, um die es sich handelte, ist noch gegenwärtig eines
der herrlichsten Denkmäler gothischer Baukunst in Ungarn*) und war des



*) Ueber sie außer Kron es, Zur Geschichte u. s. w. besonders K. Weiß, Der Eli¬
sabeth-Dom zu Kaschau in Ungarn, in den Mittheilungen der k. k, Ccntralkommisston zur
Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, II. 1387 (mit Ansichten und Plänen).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/188>, abgerufen am 02.10.2024.