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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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und Groß-Wardein bedroht. Da brach er los. Mit Hilfe der ungarischen
Truppen in kaiserlichen Diensten, die er zum Abfall bewogen, überfiel und
vernichtete er am 15. Oktober bei Adoricm (zwischen jenen beiden Städten) das
deutsche Reiterregiment des Obersten Petz und zwang, durch eine rasche und
allgemeine Erhebung der magyarischen Bevölkerung unterstützt, den kaiserlichen
General zum schleunigen Rückzüge nach der oberen Theiß.

Doch schwerlich wäre es ihm gelungen, die oberungarischen Gespanschaften
mit sich fortzureißen, deren deutsche Städte dem nationalen Fanatismus der
Magyaren durchaus keine Sympathieen entgegenbrachten, hätte nicht die kaiser¬
liche Regierung durch die Versuche zu rücksichtsloser Reaktion diese Städte
selbst, ihre natürlichen Stützpunkte, aus's schwerste gereizt und sie gezwungen,
in den wilden Haufen Bocskay's ihre Befreier von unerträglichem Drucke zu
begrüßen.

Die Haltung keiner anderen Stadt aber hat in diesem Konflikte zwischen
monarchischer Gewalt und adelicher Libertät, zwischen katholischer Reaktion und
protestantischer Gegenwehr, zwischen magyarischem Nationalstolz und der Herr¬
schaft fremder Beamten eine so entscheidende Bedeutung gewonnen wie die von
Kaschan, des Platzes, der durch seine Lage an der großen Straße nach Polen
und am Eingänge des karpathischen Hochgebirges in der gesammten Geschichte
dieser Gegenden eine hervorragende Rolle gespielt hat.

Wie Kaschau's Bürgerschaft in die verzweifelte Stimmung versetzt wurde,
die sie zum Abfall vom Kaiser geneigt machte, und wie sich dann dieser Abfall
vollzog, das soll im Folgenden, zum guten Theil nach ungedruckten Aktenstücken
des königlich sächsischen Hauptstaatsarchives, dargestellt werdeu.

Der Ursprung von Kaschau*), das im fruchtreichen Thale der Herrad sich
ausbreitet, reicht bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. Denn
schon im Jahre 1261 wird es als königliche Viti^, also als offener Ort er¬
wähnt, und zwar neben einer Burg Ober-Kaschau, welche erst im Jahre 1347
in den Stadtbezirk von Kaschan einbezogen wurde. Ans diesem Dorfe erwuchs
um 1290, zu derselben Zeit als die Zipser Städte fröhlich aufblühten, eine
königliche Freistadt mit deutscher Verfassung, deren Bestimmungen wesentlich
dem sächsischen Rechte entnommen waren, wiewohl auch das schwäbische Recht
von Ofen her einen sekundären Einfluß gewann, und die dann wieder für das
Recht der benachbarten Gemeinden: Eperies, Bartfeld, Klein-Zehen muster-
giltig wurde. Eben in dieser Rechtsgemeinschaft liegt der Ursprung des Fünf-



*) Vgl. Fr. Krones, zur Geschichte der oberungarischen Frcistndt Kaschcm, im Archiv
für Kunde österreichischer Geschichtsquellen 1864, XXXI., -- Zur Geschichte des deutschen
Volksthums im Karpcithenlandc. Graz, 1373.

und Groß-Wardein bedroht. Da brach er los. Mit Hilfe der ungarischen
Truppen in kaiserlichen Diensten, die er zum Abfall bewogen, überfiel und
vernichtete er am 15. Oktober bei Adoricm (zwischen jenen beiden Städten) das
deutsche Reiterregiment des Obersten Petz und zwang, durch eine rasche und
allgemeine Erhebung der magyarischen Bevölkerung unterstützt, den kaiserlichen
General zum schleunigen Rückzüge nach der oberen Theiß.

Doch schwerlich wäre es ihm gelungen, die oberungarischen Gespanschaften
mit sich fortzureißen, deren deutsche Städte dem nationalen Fanatismus der
Magyaren durchaus keine Sympathieen entgegenbrachten, hätte nicht die kaiser¬
liche Regierung durch die Versuche zu rücksichtsloser Reaktion diese Städte
selbst, ihre natürlichen Stützpunkte, aus's schwerste gereizt und sie gezwungen,
in den wilden Haufen Bocskay's ihre Befreier von unerträglichem Drucke zu
begrüßen.

Die Haltung keiner anderen Stadt aber hat in diesem Konflikte zwischen
monarchischer Gewalt und adelicher Libertät, zwischen katholischer Reaktion und
protestantischer Gegenwehr, zwischen magyarischem Nationalstolz und der Herr¬
schaft fremder Beamten eine so entscheidende Bedeutung gewonnen wie die von
Kaschan, des Platzes, der durch seine Lage an der großen Straße nach Polen
und am Eingänge des karpathischen Hochgebirges in der gesammten Geschichte
dieser Gegenden eine hervorragende Rolle gespielt hat.

Wie Kaschau's Bürgerschaft in die verzweifelte Stimmung versetzt wurde,
die sie zum Abfall vom Kaiser geneigt machte, und wie sich dann dieser Abfall
vollzog, das soll im Folgenden, zum guten Theil nach ungedruckten Aktenstücken
des königlich sächsischen Hauptstaatsarchives, dargestellt werdeu.

Der Ursprung von Kaschau*), das im fruchtreichen Thale der Herrad sich
ausbreitet, reicht bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. Denn
schon im Jahre 1261 wird es als königliche Viti^, also als offener Ort er¬
wähnt, und zwar neben einer Burg Ober-Kaschau, welche erst im Jahre 1347
in den Stadtbezirk von Kaschan einbezogen wurde. Ans diesem Dorfe erwuchs
um 1290, zu derselben Zeit als die Zipser Städte fröhlich aufblühten, eine
königliche Freistadt mit deutscher Verfassung, deren Bestimmungen wesentlich
dem sächsischen Rechte entnommen waren, wiewohl auch das schwäbische Recht
von Ofen her einen sekundären Einfluß gewann, und die dann wieder für das
Recht der benachbarten Gemeinden: Eperies, Bartfeld, Klein-Zehen muster-
giltig wurde. Eben in dieser Rechtsgemeinschaft liegt der Ursprung des Fünf-



*) Vgl. Fr. Krones, zur Geschichte der oberungarischen Frcistndt Kaschcm, im Archiv
für Kunde österreichischer Geschichtsquellen 1864, XXXI., — Zur Geschichte des deutschen
Volksthums im Karpcithenlandc. Graz, 1373.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/187>, abgerufen am 02.10.2024.