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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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katholischen Wesens, zu Ausgangspunkten gegenreformatorischer Thätigkeit
wurden. Bald ging man entschlossener vor. Anfang 1604 erfolgte die Weg¬
nahme der Elisabethkirche in Kaschan. Den Beschlüssen des Preßburger Land¬
tags im Februar fügte der Kaiser eigenmächtig einen neuen Artikel hinzu, der
die alten, längstvergessenen Ketzergesetze Stephan's des Heiligen wieder in Kraft
setzte und damit dem ungarischen Protestantismus den Krieg auf Leben und
Tod ankündigte, und als darauf die Stäude der oberungcirischen Gespanschasten,
in GÄ-Szöes lZempliner Komitat) versammelt, die Zahlung der zu Preßburg
bewilligten Steuern verweigerten, sahen sich ihre Häupter zu harten Strafen
verurtheilt. Zugleich wurde, um die Durchführung des königlichen Willens
zu sichern, eine Reformationskommission niedergesetzt, welche aus den Bischöfen
von Erlau, Neutra, Groß-Wardein, Gran und mehreren Laien bestand. An
jenem Beschlusse hatten auch die Zipser Deutschstädte theilgenommen; umsomehr
hielt sich die Regierung berechtigt, auch über sie die schärfsten Maßregeln zu
verhängen. Wie König Sigismund III. von Polen den Erzbischof Martin
Pethe von Colocsa, der seit 1603 den Posten des kaiserlichen Statthalters von
Ungarn bekleidete und zugleich Statthalter der Zips polnischen Antheils war,
beauftragte, in den dreizehn Städten dieses Antheils die Kirchen zu Visitiren,
die evangelischen Prediger zu entfernen und sie durch katholische zu ersetzen,
ohne daß freilich der Erzbischof gegenüber dem entschlossenen Widerstande der
Gemeinden, die "Worten mit Worten zu begegnen, Gewalt mit Gewalt zu
vertreiben" sich gelobten, Erhebliches durchzusetzen vermochte, so verfügte Kaiser
Rudolf II. durch Mandat vom 10. Oktober 1604 dasselbe für seine Stadt
Leutschau, den Hauptort der ungarischen Zips und Mitglied des Fünfstädte¬
bundes.

Doch diese Maßregeln, in Verbindung mit der Zurücksetzung, die der
magyarische Adel schon Jahre hindurch erfahren zu haben glaubte, wie mit
dem Haß gegen alles deutsche Wesen, das freilich hier als das Werkzeug habs-
burgischer Unterdrückung erschien, trieben einen furchtbaren Aufstand der
Magyaren hervor, der die kaiserliche Autorität in Ungarn bis in ihre Grund¬
festen erschütterte, den Türken die Wege bahnte, den Anstoß gab zu hef¬
tigster Bewegung auch in den deutsch-slavischen Landen und so die Katastrophe
der Rudolfinischen Regierung einleitete.

Das war das Werk des ostungarischen Magnaten Stephan Bocskay. Be¬
reits in heimlicher Verbindung mit den Türken in Temesvar und mit sieben-
bürgischen Unzufriedenen, wie Bethlen Gabor, den das Geschick noch zu größeren
Dingen bestimmt hatte, sah Bocskay diese Beziehungen entdeckt, sich selbst von
dem kommandirenden General in Ober-Ungarn, Graf Barbicmo von Belgiojoso
zur Verantwortung gezogen und durch starke Trnppenansammlnngen um Debreczin


katholischen Wesens, zu Ausgangspunkten gegenreformatorischer Thätigkeit
wurden. Bald ging man entschlossener vor. Anfang 1604 erfolgte die Weg¬
nahme der Elisabethkirche in Kaschan. Den Beschlüssen des Preßburger Land¬
tags im Februar fügte der Kaiser eigenmächtig einen neuen Artikel hinzu, der
die alten, längstvergessenen Ketzergesetze Stephan's des Heiligen wieder in Kraft
setzte und damit dem ungarischen Protestantismus den Krieg auf Leben und
Tod ankündigte, und als darauf die Stäude der oberungcirischen Gespanschasten,
in GÄ-Szöes lZempliner Komitat) versammelt, die Zahlung der zu Preßburg
bewilligten Steuern verweigerten, sahen sich ihre Häupter zu harten Strafen
verurtheilt. Zugleich wurde, um die Durchführung des königlichen Willens
zu sichern, eine Reformationskommission niedergesetzt, welche aus den Bischöfen
von Erlau, Neutra, Groß-Wardein, Gran und mehreren Laien bestand. An
jenem Beschlusse hatten auch die Zipser Deutschstädte theilgenommen; umsomehr
hielt sich die Regierung berechtigt, auch über sie die schärfsten Maßregeln zu
verhängen. Wie König Sigismund III. von Polen den Erzbischof Martin
Pethe von Colocsa, der seit 1603 den Posten des kaiserlichen Statthalters von
Ungarn bekleidete und zugleich Statthalter der Zips polnischen Antheils war,
beauftragte, in den dreizehn Städten dieses Antheils die Kirchen zu Visitiren,
die evangelischen Prediger zu entfernen und sie durch katholische zu ersetzen,
ohne daß freilich der Erzbischof gegenüber dem entschlossenen Widerstande der
Gemeinden, die „Worten mit Worten zu begegnen, Gewalt mit Gewalt zu
vertreiben" sich gelobten, Erhebliches durchzusetzen vermochte, so verfügte Kaiser
Rudolf II. durch Mandat vom 10. Oktober 1604 dasselbe für seine Stadt
Leutschau, den Hauptort der ungarischen Zips und Mitglied des Fünfstädte¬
bundes.

Doch diese Maßregeln, in Verbindung mit der Zurücksetzung, die der
magyarische Adel schon Jahre hindurch erfahren zu haben glaubte, wie mit
dem Haß gegen alles deutsche Wesen, das freilich hier als das Werkzeug habs-
burgischer Unterdrückung erschien, trieben einen furchtbaren Aufstand der
Magyaren hervor, der die kaiserliche Autorität in Ungarn bis in ihre Grund¬
festen erschütterte, den Türken die Wege bahnte, den Anstoß gab zu hef¬
tigster Bewegung auch in den deutsch-slavischen Landen und so die Katastrophe
der Rudolfinischen Regierung einleitete.

Das war das Werk des ostungarischen Magnaten Stephan Bocskay. Be¬
reits in heimlicher Verbindung mit den Türken in Temesvar und mit sieben-
bürgischen Unzufriedenen, wie Bethlen Gabor, den das Geschick noch zu größeren
Dingen bestimmt hatte, sah Bocskay diese Beziehungen entdeckt, sich selbst von
dem kommandirenden General in Ober-Ungarn, Graf Barbicmo von Belgiojoso
zur Verantwortung gezogen und durch starke Trnppenansammlnngen um Debreczin


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[0186] katholischen Wesens, zu Ausgangspunkten gegenreformatorischer Thätigkeit wurden. Bald ging man entschlossener vor. Anfang 1604 erfolgte die Weg¬ nahme der Elisabethkirche in Kaschan. Den Beschlüssen des Preßburger Land¬ tags im Februar fügte der Kaiser eigenmächtig einen neuen Artikel hinzu, der die alten, längstvergessenen Ketzergesetze Stephan's des Heiligen wieder in Kraft setzte und damit dem ungarischen Protestantismus den Krieg auf Leben und Tod ankündigte, und als darauf die Stäude der oberungcirischen Gespanschasten, in GÄ-Szöes lZempliner Komitat) versammelt, die Zahlung der zu Preßburg bewilligten Steuern verweigerten, sahen sich ihre Häupter zu harten Strafen verurtheilt. Zugleich wurde, um die Durchführung des königlichen Willens zu sichern, eine Reformationskommission niedergesetzt, welche aus den Bischöfen von Erlau, Neutra, Groß-Wardein, Gran und mehreren Laien bestand. An jenem Beschlusse hatten auch die Zipser Deutschstädte theilgenommen; umsomehr hielt sich die Regierung berechtigt, auch über sie die schärfsten Maßregeln zu verhängen. Wie König Sigismund III. von Polen den Erzbischof Martin Pethe von Colocsa, der seit 1603 den Posten des kaiserlichen Statthalters von Ungarn bekleidete und zugleich Statthalter der Zips polnischen Antheils war, beauftragte, in den dreizehn Städten dieses Antheils die Kirchen zu Visitiren, die evangelischen Prediger zu entfernen und sie durch katholische zu ersetzen, ohne daß freilich der Erzbischof gegenüber dem entschlossenen Widerstande der Gemeinden, die „Worten mit Worten zu begegnen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben" sich gelobten, Erhebliches durchzusetzen vermochte, so verfügte Kaiser Rudolf II. durch Mandat vom 10. Oktober 1604 dasselbe für seine Stadt Leutschau, den Hauptort der ungarischen Zips und Mitglied des Fünfstädte¬ bundes. Doch diese Maßregeln, in Verbindung mit der Zurücksetzung, die der magyarische Adel schon Jahre hindurch erfahren zu haben glaubte, wie mit dem Haß gegen alles deutsche Wesen, das freilich hier als das Werkzeug habs- burgischer Unterdrückung erschien, trieben einen furchtbaren Aufstand der Magyaren hervor, der die kaiserliche Autorität in Ungarn bis in ihre Grund¬ festen erschütterte, den Türken die Wege bahnte, den Anstoß gab zu hef¬ tigster Bewegung auch in den deutsch-slavischen Landen und so die Katastrophe der Rudolfinischen Regierung einleitete. Das war das Werk des ostungarischen Magnaten Stephan Bocskay. Be¬ reits in heimlicher Verbindung mit den Türken in Temesvar und mit sieben- bürgischen Unzufriedenen, wie Bethlen Gabor, den das Geschick noch zu größeren Dingen bestimmt hatte, sah Bocskay diese Beziehungen entdeckt, sich selbst von dem kommandirenden General in Ober-Ungarn, Graf Barbicmo von Belgiojoso zur Verantwortung gezogen und durch starke Trnppenansammlnngen um Debreczin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/186>, abgerufen am 01.10.2024.