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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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neuem ausgebrochen. Unterstützt vom deutschen Reiche gelang es den kaiser¬
lichen Generalen, nicht unbedeutende Vortheile über die Osmanen zu erfechten.
Sie entrissen ihnen das wichtige Stuhlweißenburg, die alte Krönungsstadt
Ungarn's, sie vertheidigten mit Glück das donaubeherrschende Gran gegen einen
gewaltigen Angriff, während auf der anderen Seite eben damals Siebenbürgen
in ihre Hände fiel. Diese militärischen Erfolge verführten Kaiser Rudolf II.
oder vielmehr die Partei, welche ihn damals beherrschte, zu einem ebenso un¬
billigen als unvorsichtigen Vorgehen. Eben damals arbeitete das Haus Habs¬
burg in seinen deutsch-slavischen Landen eifrig daran, mit dem Protestantis¬
mus auch die überwiegende Macht seiner Stände, die ihrerseits wieder die
wesentlichste Stütze des evangelischen Bekenntnisses bildeten, zu zerstören und
mit der Herrschaft der katholischen Kirche zugleich eine kräftige landesherrliche
Gewalt aufzurichten. Es sollte das Verhängniß des österreichischen Protestan¬
tismus werden, daß seine Sache unauflöslich verbunden war mit einem poli¬
tischen Interesse, welches nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit vertrat
-- denn der Zug der Zeit drängte allerorten auf die Schwächung der adelichen,
die Stärkung der monarchischen Macht -- und der Sympathie der deutschen
Reichsfürsten völlig entbehrte. Wie nun mit fanatischer Konsequenz Erzherzog
Ferdinand in Steiermark und Kärnthen den heimischen Protestantismus vernich¬
tete, in den österreichischen und böhmischen Landen überall die Reaktion wenig¬
stens kräftig einsetzte, so sollte auch in Ungarn gleichzeitig die evangelische Kirche
zerstört, der magyarische Adel gebrochen werden, weil seine Uebermacht aller¬
dings in diesem Grenzlande, dessen Vertheidigung die schärfste Konzentration
aller Kräfte verlangte, unerträglich schien.

Zum Werkzeug hatte sich die kaiserliche Regierung wie natürlich das starke
Heer ausersehen, das sie in Ungarn unterhielt, ein dem Lande völlig fremdes
Söldnerheer, zusammengesetzt vorwiegend aus Deutschen und Wallonen, fast
durchaus befehligt von italienischen Generalen, deutschen und wallonischen
Obersten, jedenfalls also skrupellos genug, sich gegen Ungarn und Protestanten
verwenden zu lassen, soweit nicht etwa Sympathieen für die letzteren evangelische
Söldner störten. So ging denn zunächst die königliche Kammer bei jeder Ver¬
anlassung gegen magyarisch-protestantische Edelleute mit Prozessen vor, um sie
in ihrem Besitze zu schädigen, militärische Exekutionen gaben den Rechtssprüchen
Nachdruck. Das allein indeß hätte wenig bedeutet. Binnen kurzem aber ge¬
sellten sich kirchliche Bedrückungen hinzu. Seit 1586 bestanden zwei Jesniten-
niederlassungen in Ungarn, die bald wie überall zu festen Haltpunkten des


Fehler, Geschichte von Ungarn IV. (137L). -- Ritter, Geschichte der deutschen Union
II. (1873). -- Kron e5, H.intimes der Geschichte Oesterreich'S III, (l878).
Grenzboten I. 187!). 23

neuem ausgebrochen. Unterstützt vom deutschen Reiche gelang es den kaiser¬
lichen Generalen, nicht unbedeutende Vortheile über die Osmanen zu erfechten.
Sie entrissen ihnen das wichtige Stuhlweißenburg, die alte Krönungsstadt
Ungarn's, sie vertheidigten mit Glück das donaubeherrschende Gran gegen einen
gewaltigen Angriff, während auf der anderen Seite eben damals Siebenbürgen
in ihre Hände fiel. Diese militärischen Erfolge verführten Kaiser Rudolf II.
oder vielmehr die Partei, welche ihn damals beherrschte, zu einem ebenso un¬
billigen als unvorsichtigen Vorgehen. Eben damals arbeitete das Haus Habs¬
burg in seinen deutsch-slavischen Landen eifrig daran, mit dem Protestantis¬
mus auch die überwiegende Macht seiner Stände, die ihrerseits wieder die
wesentlichste Stütze des evangelischen Bekenntnisses bildeten, zu zerstören und
mit der Herrschaft der katholischen Kirche zugleich eine kräftige landesherrliche
Gewalt aufzurichten. Es sollte das Verhängniß des österreichischen Protestan¬
tismus werden, daß seine Sache unauflöslich verbunden war mit einem poli¬
tischen Interesse, welches nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit vertrat
— denn der Zug der Zeit drängte allerorten auf die Schwächung der adelichen,
die Stärkung der monarchischen Macht — und der Sympathie der deutschen
Reichsfürsten völlig entbehrte. Wie nun mit fanatischer Konsequenz Erzherzog
Ferdinand in Steiermark und Kärnthen den heimischen Protestantismus vernich¬
tete, in den österreichischen und böhmischen Landen überall die Reaktion wenig¬
stens kräftig einsetzte, so sollte auch in Ungarn gleichzeitig die evangelische Kirche
zerstört, der magyarische Adel gebrochen werden, weil seine Uebermacht aller¬
dings in diesem Grenzlande, dessen Vertheidigung die schärfste Konzentration
aller Kräfte verlangte, unerträglich schien.

Zum Werkzeug hatte sich die kaiserliche Regierung wie natürlich das starke
Heer ausersehen, das sie in Ungarn unterhielt, ein dem Lande völlig fremdes
Söldnerheer, zusammengesetzt vorwiegend aus Deutschen und Wallonen, fast
durchaus befehligt von italienischen Generalen, deutschen und wallonischen
Obersten, jedenfalls also skrupellos genug, sich gegen Ungarn und Protestanten
verwenden zu lassen, soweit nicht etwa Sympathieen für die letzteren evangelische
Söldner störten. So ging denn zunächst die königliche Kammer bei jeder Ver¬
anlassung gegen magyarisch-protestantische Edelleute mit Prozessen vor, um sie
in ihrem Besitze zu schädigen, militärische Exekutionen gaben den Rechtssprüchen
Nachdruck. Das allein indeß hätte wenig bedeutet. Binnen kurzem aber ge¬
sellten sich kirchliche Bedrückungen hinzu. Seit 1586 bestanden zwei Jesniten-
niederlassungen in Ungarn, die bald wie überall zu festen Haltpunkten des


Fehler, Geschichte von Ungarn IV. (137L). — Ritter, Geschichte der deutschen Union
II. (1873). — Kron e5, H.intimes der Geschichte Oesterreich'S III, (l878).
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[0185] neuem ausgebrochen. Unterstützt vom deutschen Reiche gelang es den kaiser¬ lichen Generalen, nicht unbedeutende Vortheile über die Osmanen zu erfechten. Sie entrissen ihnen das wichtige Stuhlweißenburg, die alte Krönungsstadt Ungarn's, sie vertheidigten mit Glück das donaubeherrschende Gran gegen einen gewaltigen Angriff, während auf der anderen Seite eben damals Siebenbürgen in ihre Hände fiel. Diese militärischen Erfolge verführten Kaiser Rudolf II. oder vielmehr die Partei, welche ihn damals beherrschte, zu einem ebenso un¬ billigen als unvorsichtigen Vorgehen. Eben damals arbeitete das Haus Habs¬ burg in seinen deutsch-slavischen Landen eifrig daran, mit dem Protestantis¬ mus auch die überwiegende Macht seiner Stände, die ihrerseits wieder die wesentlichste Stütze des evangelischen Bekenntnisses bildeten, zu zerstören und mit der Herrschaft der katholischen Kirche zugleich eine kräftige landesherrliche Gewalt aufzurichten. Es sollte das Verhängniß des österreichischen Protestan¬ tismus werden, daß seine Sache unauflöslich verbunden war mit einem poli¬ tischen Interesse, welches nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit vertrat — denn der Zug der Zeit drängte allerorten auf die Schwächung der adelichen, die Stärkung der monarchischen Macht — und der Sympathie der deutschen Reichsfürsten völlig entbehrte. Wie nun mit fanatischer Konsequenz Erzherzog Ferdinand in Steiermark und Kärnthen den heimischen Protestantismus vernich¬ tete, in den österreichischen und böhmischen Landen überall die Reaktion wenig¬ stens kräftig einsetzte, so sollte auch in Ungarn gleichzeitig die evangelische Kirche zerstört, der magyarische Adel gebrochen werden, weil seine Uebermacht aller¬ dings in diesem Grenzlande, dessen Vertheidigung die schärfste Konzentration aller Kräfte verlangte, unerträglich schien. Zum Werkzeug hatte sich die kaiserliche Regierung wie natürlich das starke Heer ausersehen, das sie in Ungarn unterhielt, ein dem Lande völlig fremdes Söldnerheer, zusammengesetzt vorwiegend aus Deutschen und Wallonen, fast durchaus befehligt von italienischen Generalen, deutschen und wallonischen Obersten, jedenfalls also skrupellos genug, sich gegen Ungarn und Protestanten verwenden zu lassen, soweit nicht etwa Sympathieen für die letzteren evangelische Söldner störten. So ging denn zunächst die königliche Kammer bei jeder Ver¬ anlassung gegen magyarisch-protestantische Edelleute mit Prozessen vor, um sie in ihrem Besitze zu schädigen, militärische Exekutionen gaben den Rechtssprüchen Nachdruck. Das allein indeß hätte wenig bedeutet. Binnen kurzem aber ge¬ sellten sich kirchliche Bedrückungen hinzu. Seit 1586 bestanden zwei Jesniten- niederlassungen in Ungarn, die bald wie überall zu festen Haltpunkten des Fehler, Geschichte von Ungarn IV. (137L). — Ritter, Geschichte der deutschen Union II. (1873). — Kron e5, H.intimes der Geschichte Oesterreich'S III, (l878). Grenzboten I. 187!). 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/185>, abgerufen am 01.10.2024.