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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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seine Entlassung einreichte. Am 21. Januar begann die Berathung der Ver¬
fassungsvorlagen, und es kam zu sehr lebhaften Debatten. Bei der zweiten Be¬
rathung dieser Gesetze, welche die Regierungsform des Landes definitiv feststellen
sollten, wurde das Amendement Walton's, welches bestimmte, daß der Präsident
"der Republik" von den beiden Kammern der Gesetzgebung auf sieben Jahre
gewählt und wieder wählbar sein sollte, von der Linken und einem Theil des
rechten Zentrums (353 gegen 352 Stimmen) angenommen, und Broglie's und
Mac Mahon's Auffassung, daß bis auf bessere Tage ein Provisorium mit
reaktionärer Tendenz das Wünschenswerte sei, war als nicht übereinstimmend
mit der Meinung der Majorität des französischen Volkes und seiner Vertreter
charakterisirt.

Später fanden auch die weiteren Anträge Walton's zur Organisirung der
Republik Annahme, darunter das Gesetz in Betreff der Bildung eines Senats
oder einer ersten Kammer, nach welchem diese Körperschaft aus 300 Mitgliedern
bestehen sollte, von denen 225 von Notabeln der Departements und 75 von
der Nationalversammlung gewählt werden sollten. Am 25. Februar nahm
letztere die gesammte Verfassung mit 436 gegen 262 Stimmen an. Die Republik
war -- auf dem Papier -- endgiltig begründet, das Provisorium hatte --
wenn die Partei der Rechten ehrlich war -- ein Ende, Mac Mahon mußte
den Umständen Rechnung tragen, Broglie aufgeben und ein Kabinet unter
Buffet's Vorsitz wählen, in welchem die Mitglieder, welche dem rechten Zentrum
angehörten, die Mehrheit bildeten.

Das war die erste Periode des Lebens der französischen Republik, und
die zweite, die noch in frischer Erinnerung ist, und die wir deshalb nicht nach
ihren Einzelheiten betrachten, war in ihren ersten anderthalb Jahren nicht viel
erfreulicher für die aufrichtigen Republikaner. Zwar wurde die zweite Kammer
durch die Wahlen und Nachwahlen fortdauernd eine festere Stütze des republi¬
kanischen Baues, aber die Gegner desselben hatten in der ersten die große
Mehrzahl der Stimmen für sich, und der Geist der Reaktion lebte im Senat
offenkundig, in der Umgebung des Präsidenten im Stillen mit den alten
Plänen fort, ja er feierte noch im Mai 1877 den bekannten kurzen Sieg, und
selbst als diesem in den Oktoberwahlen jenes Jahres eine klägliche Niederlage
gefolgt war, währte die Gegenwirkung der oberen Hälfte der Gesetzgebungs-
maschine gegen die untere in unersprießlichster Weise fort, bis endlich die
Senatorenwahlen vom 5. Januar dieses Jahres diesem Unwesen ein Ziel
setzten.

Diese Wahlen haben gezeigt,.daß die Bevölkerung Frankreich's in weit
größerer Ausdehnung als erwartet wurde, d. h. auch in Landstrichen, die
bisher unbestrittene Domäne der antirepublikanischen Alliirten waren, zu der


seine Entlassung einreichte. Am 21. Januar begann die Berathung der Ver¬
fassungsvorlagen, und es kam zu sehr lebhaften Debatten. Bei der zweiten Be¬
rathung dieser Gesetze, welche die Regierungsform des Landes definitiv feststellen
sollten, wurde das Amendement Walton's, welches bestimmte, daß der Präsident
„der Republik" von den beiden Kammern der Gesetzgebung auf sieben Jahre
gewählt und wieder wählbar sein sollte, von der Linken und einem Theil des
rechten Zentrums (353 gegen 352 Stimmen) angenommen, und Broglie's und
Mac Mahon's Auffassung, daß bis auf bessere Tage ein Provisorium mit
reaktionärer Tendenz das Wünschenswerte sei, war als nicht übereinstimmend
mit der Meinung der Majorität des französischen Volkes und seiner Vertreter
charakterisirt.

Später fanden auch die weiteren Anträge Walton's zur Organisirung der
Republik Annahme, darunter das Gesetz in Betreff der Bildung eines Senats
oder einer ersten Kammer, nach welchem diese Körperschaft aus 300 Mitgliedern
bestehen sollte, von denen 225 von Notabeln der Departements und 75 von
der Nationalversammlung gewählt werden sollten. Am 25. Februar nahm
letztere die gesammte Verfassung mit 436 gegen 262 Stimmen an. Die Republik
war — auf dem Papier — endgiltig begründet, das Provisorium hatte —
wenn die Partei der Rechten ehrlich war — ein Ende, Mac Mahon mußte
den Umständen Rechnung tragen, Broglie aufgeben und ein Kabinet unter
Buffet's Vorsitz wählen, in welchem die Mitglieder, welche dem rechten Zentrum
angehörten, die Mehrheit bildeten.

Das war die erste Periode des Lebens der französischen Republik, und
die zweite, die noch in frischer Erinnerung ist, und die wir deshalb nicht nach
ihren Einzelheiten betrachten, war in ihren ersten anderthalb Jahren nicht viel
erfreulicher für die aufrichtigen Republikaner. Zwar wurde die zweite Kammer
durch die Wahlen und Nachwahlen fortdauernd eine festere Stütze des republi¬
kanischen Baues, aber die Gegner desselben hatten in der ersten die große
Mehrzahl der Stimmen für sich, und der Geist der Reaktion lebte im Senat
offenkundig, in der Umgebung des Präsidenten im Stillen mit den alten
Plänen fort, ja er feierte noch im Mai 1877 den bekannten kurzen Sieg, und
selbst als diesem in den Oktoberwahlen jenes Jahres eine klägliche Niederlage
gefolgt war, währte die Gegenwirkung der oberen Hälfte der Gesetzgebungs-
maschine gegen die untere in unersprießlichster Weise fort, bis endlich die
Senatorenwahlen vom 5. Januar dieses Jahres diesem Unwesen ein Ziel
setzten.

Diese Wahlen haben gezeigt,.daß die Bevölkerung Frankreich's in weit
größerer Ausdehnung als erwartet wurde, d. h. auch in Landstrichen, die
bisher unbestrittene Domäne der antirepublikanischen Alliirten waren, zu der


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[0133] seine Entlassung einreichte. Am 21. Januar begann die Berathung der Ver¬ fassungsvorlagen, und es kam zu sehr lebhaften Debatten. Bei der zweiten Be¬ rathung dieser Gesetze, welche die Regierungsform des Landes definitiv feststellen sollten, wurde das Amendement Walton's, welches bestimmte, daß der Präsident „der Republik" von den beiden Kammern der Gesetzgebung auf sieben Jahre gewählt und wieder wählbar sein sollte, von der Linken und einem Theil des rechten Zentrums (353 gegen 352 Stimmen) angenommen, und Broglie's und Mac Mahon's Auffassung, daß bis auf bessere Tage ein Provisorium mit reaktionärer Tendenz das Wünschenswerte sei, war als nicht übereinstimmend mit der Meinung der Majorität des französischen Volkes und seiner Vertreter charakterisirt. Später fanden auch die weiteren Anträge Walton's zur Organisirung der Republik Annahme, darunter das Gesetz in Betreff der Bildung eines Senats oder einer ersten Kammer, nach welchem diese Körperschaft aus 300 Mitgliedern bestehen sollte, von denen 225 von Notabeln der Departements und 75 von der Nationalversammlung gewählt werden sollten. Am 25. Februar nahm letztere die gesammte Verfassung mit 436 gegen 262 Stimmen an. Die Republik war — auf dem Papier — endgiltig begründet, das Provisorium hatte — wenn die Partei der Rechten ehrlich war — ein Ende, Mac Mahon mußte den Umständen Rechnung tragen, Broglie aufgeben und ein Kabinet unter Buffet's Vorsitz wählen, in welchem die Mitglieder, welche dem rechten Zentrum angehörten, die Mehrheit bildeten. Das war die erste Periode des Lebens der französischen Republik, und die zweite, die noch in frischer Erinnerung ist, und die wir deshalb nicht nach ihren Einzelheiten betrachten, war in ihren ersten anderthalb Jahren nicht viel erfreulicher für die aufrichtigen Republikaner. Zwar wurde die zweite Kammer durch die Wahlen und Nachwahlen fortdauernd eine festere Stütze des republi¬ kanischen Baues, aber die Gegner desselben hatten in der ersten die große Mehrzahl der Stimmen für sich, und der Geist der Reaktion lebte im Senat offenkundig, in der Umgebung des Präsidenten im Stillen mit den alten Plänen fort, ja er feierte noch im Mai 1877 den bekannten kurzen Sieg, und selbst als diesem in den Oktoberwahlen jenes Jahres eine klägliche Niederlage gefolgt war, währte die Gegenwirkung der oberen Hälfte der Gesetzgebungs- maschine gegen die untere in unersprießlichster Weise fort, bis endlich die Senatorenwahlen vom 5. Januar dieses Jahres diesem Unwesen ein Ziel setzten. Diese Wahlen haben gezeigt,.daß die Bevölkerung Frankreich's in weit größerer Ausdehnung als erwartet wurde, d. h. auch in Landstrichen, die bisher unbestrittene Domäne der antirepublikanischen Alliirten waren, zu der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/133>, abgerufen am 03.07.2024.