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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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lassen, durch einen anderen Stoff entbehrlich zu machen. Nun besitzt aber
gerade Deutschland den Vorzug, daß seine Bevölkerung vorzugsweise leinene
Unterkleider trägt, und ein Land, welches das Glück hat, ein so werthvolles
Rohmaterial zu haben, sollte dasselbe festhalten und es daheim zur Herstellung
feiner Jndustrieerzeugnisse verwenden. So gebietet eine gesunde Handelspolitik.
Die Doktrin des Manchesterthums aber hat, wie in Betreff anderer Dinge, so
auch in Bezug auf diese Frage zu Gunsten England's erfunden, das Gegen¬
theil herbeigeführt, und die unheilvollen Folgen sind nicht ausgeblieben. "Zwar
haben die Engländer," so bemerkt unsere Denkschrift, "in ihrer kolossalen Baum¬
wollenindustrie und ihrer umfassenden Fischerei, Rhederei und Marine ergiebige
und regelmäßige Bezugsquellen sür den Bedarf der Papierfabrikation, aber
denselben fehlten bis 1873 die leinenen Hadern, und weil fast alle Länder
sich durch Ausfuhrzölle geschützt haben, so war es vom größten Vortheil für
England, als seinen Händlern in jenem Jahre der deutsche Markt für ihre
Ankäufe geöffnet wurde. Die Krisis, welche seit 1874 auf dem Gebiete unserer
Papiermühlen herrscht, ist dadurch wesentlich gesteigert worden. Der Betrieb
dieser Etablissements hat aufgehört, rentabel zu sein, und viele Fabriken haben
ihn deshalb einstellen müssen. Andere beschränken sich, da die feineren Hadern
in's Ausland gehen, auf die Herstellung von geringeren Papiersorten. Die
besseren werden jetzt vielfach jenseits unserer Grenzen gemacht, erfahrungs-
mäßig aber geht jede Produktion zurück, welche genöthigt wird, die Anfertigung
der werthvolleren Stoffe Fremden zu überlassen."

Einzelne Lumpengroßhändler, die aus der Aufhebung des Zolles Nutzen
gezogen haben, sollen gegen die Wiedereinführung desselben eingewendet haben,
daß dadurch ihr Gewinn geschmälert werde. Wir meinen mit unserer Denk¬
schrift, daß dieses verhältnißmäßig nicht bedeutende Interesse gegenüber den
Rücksichten, welche die deutschen Papiermühlen mit ihren Massen von Arbeitern
und den in ihnen angelegten auf mindestens 250 Millionen Mark zu veran¬
schlagenden Kapitalien beanspruchen dürfen, kaum in Frage kommt. Auf keinen
Fall werden die Lumpensammler in ihrem Gewinne beeinträchtigt werden; denn
da bisher die Einfuhr von Hadern immer noch größer gewesen ist als die
Ausfuhr (nur das Jahr 1877 machte eine Ausnahme), so muß die Nachfrage
nach den im Lande vorhandenen Hadern größer als das Angebot, und somit
den Sammlern die Abnahme ihrer Vorräthe gesichert sein.

Der Einwand ferner, daß die Beseitigung des Ausgangszolles auf Lumpen
den Preis der letzteren nicht beeinflußt habe, ist unbegründet. Die Preise für
die besseren Sorten, die vorzüglich exportfähig sind, stiegen 1873 sehr beträcht¬
lich, und noch jetzt, wo sie unter dem Druck der Gewerbekrisis gefallen sind,
stehen sie noch höher als 1872, während die Papierpreise bedeutend unter den


lassen, durch einen anderen Stoff entbehrlich zu machen. Nun besitzt aber
gerade Deutschland den Vorzug, daß seine Bevölkerung vorzugsweise leinene
Unterkleider trägt, und ein Land, welches das Glück hat, ein so werthvolles
Rohmaterial zu haben, sollte dasselbe festhalten und es daheim zur Herstellung
feiner Jndustrieerzeugnisse verwenden. So gebietet eine gesunde Handelspolitik.
Die Doktrin des Manchesterthums aber hat, wie in Betreff anderer Dinge, so
auch in Bezug auf diese Frage zu Gunsten England's erfunden, das Gegen¬
theil herbeigeführt, und die unheilvollen Folgen sind nicht ausgeblieben. „Zwar
haben die Engländer," so bemerkt unsere Denkschrift, „in ihrer kolossalen Baum¬
wollenindustrie und ihrer umfassenden Fischerei, Rhederei und Marine ergiebige
und regelmäßige Bezugsquellen sür den Bedarf der Papierfabrikation, aber
denselben fehlten bis 1873 die leinenen Hadern, und weil fast alle Länder
sich durch Ausfuhrzölle geschützt haben, so war es vom größten Vortheil für
England, als seinen Händlern in jenem Jahre der deutsche Markt für ihre
Ankäufe geöffnet wurde. Die Krisis, welche seit 1874 auf dem Gebiete unserer
Papiermühlen herrscht, ist dadurch wesentlich gesteigert worden. Der Betrieb
dieser Etablissements hat aufgehört, rentabel zu sein, und viele Fabriken haben
ihn deshalb einstellen müssen. Andere beschränken sich, da die feineren Hadern
in's Ausland gehen, auf die Herstellung von geringeren Papiersorten. Die
besseren werden jetzt vielfach jenseits unserer Grenzen gemacht, erfahrungs-
mäßig aber geht jede Produktion zurück, welche genöthigt wird, die Anfertigung
der werthvolleren Stoffe Fremden zu überlassen."

Einzelne Lumpengroßhändler, die aus der Aufhebung des Zolles Nutzen
gezogen haben, sollen gegen die Wiedereinführung desselben eingewendet haben,
daß dadurch ihr Gewinn geschmälert werde. Wir meinen mit unserer Denk¬
schrift, daß dieses verhältnißmäßig nicht bedeutende Interesse gegenüber den
Rücksichten, welche die deutschen Papiermühlen mit ihren Massen von Arbeitern
und den in ihnen angelegten auf mindestens 250 Millionen Mark zu veran¬
schlagenden Kapitalien beanspruchen dürfen, kaum in Frage kommt. Auf keinen
Fall werden die Lumpensammler in ihrem Gewinne beeinträchtigt werden; denn
da bisher die Einfuhr von Hadern immer noch größer gewesen ist als die
Ausfuhr (nur das Jahr 1877 machte eine Ausnahme), so muß die Nachfrage
nach den im Lande vorhandenen Hadern größer als das Angebot, und somit
den Sammlern die Abnahme ihrer Vorräthe gesichert sein.

Der Einwand ferner, daß die Beseitigung des Ausgangszolles auf Lumpen
den Preis der letzteren nicht beeinflußt habe, ist unbegründet. Die Preise für
die besseren Sorten, die vorzüglich exportfähig sind, stiegen 1873 sehr beträcht¬
lich, und noch jetzt, wo sie unter dem Druck der Gewerbekrisis gefallen sind,
stehen sie noch höher als 1872, während die Papierpreise bedeutend unter den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/117>, abgerufen am 23.07.2024.