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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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der Erwiederung Mayer's damit, daß vielleicht formelle Bedenken obgewaltet
hätten. Als ob die Form sich nicht hätte mildern lassen, oder der allzeit höf¬
liche Mayer überhaupt die Form hätte verletzen können. Ihr Benehmen zeigt
nur, daß hinter ihr und dem Privatdozenten noch andere Leute steckten, die
Mayer, sei es aus Unverstand oder aus Neid, nicht wohlwollten. Doch wir
wollen die Attentatswaffe, womit man den schlichten "Dr. der Medizin" glaubte
abthun zu können, hier in öffentlicher Verhandlung vorlegen. Das Schriftstück
lautet in seinen Hauptstellen:

"Dr. Mayer's neue physikalische Entdeckung.

Die "neue physikalische Entdeckung", welche Herr Dr. Mayer von Heil¬
bronn vor wenigen Tagen in diesen Blättern ankündigte, bedarf für den Mann
vom Fach keiner näheren Erörterung, da er dieselbe auf den Standpunkt zu¬
rückzuführen weiß, der ihr zukommt; der Leser aber, welcher in solchen Dingen
unbewandert ist, wird eine Erläuterung nach dem Stande der Wissenschaft
gern vernehmen.

Herr Mayer hat schon vor mehreren Jahren in den Annalen der Chemie
und Pharmazie einen Aufsatz über die Kräfte der unbelebten Natur bekannt
gemacht und daselbst eine Menge von unhaltbaren Ansichten über die Natur¬
kräfte aufgestellt. Die Verwirrung, welche darin zwischen den Begriffen Kraft,
Ursache, Wirkung herrscht, und die Deduktionen, welche er daraus zieht/ sind
schon hinlänglich in ihrer UnHaltbarkeit in wissenschaftlichen Organen beleuchtet
worden. Er sprach in demselben von dem Verhältniß der durch Bewegung,
insbesondere durch Reibung entstandenen Wärme zu dieser Bewegung und stellte
als Resultat seiner Ansichten hin, wie die Wärme Bewegung hervorbringen
könne, könne umgekehrt auch wieder Bewegung Wärme hervorbringen; die
Wärme an und für sich hat aber noch nie Bewegung hervorgebracht und die
Bewegung noch nie Wärme; interpretirt man den SatMnders und sagt man,
die Wärme kann unter gewissen Bedingungen in Gemeinschaft des materiellen
Körpers, an den sie gebunden ist (oder wie man hier sagen will), Bewegung an
einem andern Körper hervorrufen, auf den dieser Körper mechanisch wirkt, so
mag dieser Satz seine vollkommenste Richtigkeit haben, und Niemand wird ihn
bestreiten; so wie ihn sich aber Herr Mayer denkt, daß eine wirkliche Meta-
morphosirung zwischen Wärme und Bewegung stattfinde, ist er ein vollkommen
unwissenschaftliches, allen klaren Ansichten über die Naturthätigkeit widerspre¬
chendes Paradoxon, dessen vollkommenste UnHaltbarkeit in dem Ausspruche
hingestellt ist, den Herr Mayer später thut, eine Lokomotive sei einem Destillir-
apparat zu vergleichen, die Wärme gehe in Bewegung über und setze sich an
den Achsen der Räder als Wärme wieder ab.... Ebenso gehört auch die neue
Mayer'sche Entdeckung hierher, welche sich auf die Wahrnehmung beschränkt,


der Erwiederung Mayer's damit, daß vielleicht formelle Bedenken obgewaltet
hätten. Als ob die Form sich nicht hätte mildern lassen, oder der allzeit höf¬
liche Mayer überhaupt die Form hätte verletzen können. Ihr Benehmen zeigt
nur, daß hinter ihr und dem Privatdozenten noch andere Leute steckten, die
Mayer, sei es aus Unverstand oder aus Neid, nicht wohlwollten. Doch wir
wollen die Attentatswaffe, womit man den schlichten „Dr. der Medizin" glaubte
abthun zu können, hier in öffentlicher Verhandlung vorlegen. Das Schriftstück
lautet in seinen Hauptstellen:

„Dr. Mayer's neue physikalische Entdeckung.

Die „neue physikalische Entdeckung", welche Herr Dr. Mayer von Heil¬
bronn vor wenigen Tagen in diesen Blättern ankündigte, bedarf für den Mann
vom Fach keiner näheren Erörterung, da er dieselbe auf den Standpunkt zu¬
rückzuführen weiß, der ihr zukommt; der Leser aber, welcher in solchen Dingen
unbewandert ist, wird eine Erläuterung nach dem Stande der Wissenschaft
gern vernehmen.

Herr Mayer hat schon vor mehreren Jahren in den Annalen der Chemie
und Pharmazie einen Aufsatz über die Kräfte der unbelebten Natur bekannt
gemacht und daselbst eine Menge von unhaltbaren Ansichten über die Natur¬
kräfte aufgestellt. Die Verwirrung, welche darin zwischen den Begriffen Kraft,
Ursache, Wirkung herrscht, und die Deduktionen, welche er daraus zieht/ sind
schon hinlänglich in ihrer UnHaltbarkeit in wissenschaftlichen Organen beleuchtet
worden. Er sprach in demselben von dem Verhältniß der durch Bewegung,
insbesondere durch Reibung entstandenen Wärme zu dieser Bewegung und stellte
als Resultat seiner Ansichten hin, wie die Wärme Bewegung hervorbringen
könne, könne umgekehrt auch wieder Bewegung Wärme hervorbringen; die
Wärme an und für sich hat aber noch nie Bewegung hervorgebracht und die
Bewegung noch nie Wärme; interpretirt man den SatMnders und sagt man,
die Wärme kann unter gewissen Bedingungen in Gemeinschaft des materiellen
Körpers, an den sie gebunden ist (oder wie man hier sagen will), Bewegung an
einem andern Körper hervorrufen, auf den dieser Körper mechanisch wirkt, so
mag dieser Satz seine vollkommenste Richtigkeit haben, und Niemand wird ihn
bestreiten; so wie ihn sich aber Herr Mayer denkt, daß eine wirkliche Meta-
morphosirung zwischen Wärme und Bewegung stattfinde, ist er ein vollkommen
unwissenschaftliches, allen klaren Ansichten über die Naturthätigkeit widerspre¬
chendes Paradoxon, dessen vollkommenste UnHaltbarkeit in dem Ausspruche
hingestellt ist, den Herr Mayer später thut, eine Lokomotive sei einem Destillir-
apparat zu vergleichen, die Wärme gehe in Bewegung über und setze sich an
den Achsen der Räder als Wärme wieder ab.... Ebenso gehört auch die neue
Mayer'sche Entdeckung hierher, welche sich auf die Wahrnehmung beschränkt,


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[0110] der Erwiederung Mayer's damit, daß vielleicht formelle Bedenken obgewaltet hätten. Als ob die Form sich nicht hätte mildern lassen, oder der allzeit höf¬ liche Mayer überhaupt die Form hätte verletzen können. Ihr Benehmen zeigt nur, daß hinter ihr und dem Privatdozenten noch andere Leute steckten, die Mayer, sei es aus Unverstand oder aus Neid, nicht wohlwollten. Doch wir wollen die Attentatswaffe, womit man den schlichten „Dr. der Medizin" glaubte abthun zu können, hier in öffentlicher Verhandlung vorlegen. Das Schriftstück lautet in seinen Hauptstellen: „Dr. Mayer's neue physikalische Entdeckung. Die „neue physikalische Entdeckung", welche Herr Dr. Mayer von Heil¬ bronn vor wenigen Tagen in diesen Blättern ankündigte, bedarf für den Mann vom Fach keiner näheren Erörterung, da er dieselbe auf den Standpunkt zu¬ rückzuführen weiß, der ihr zukommt; der Leser aber, welcher in solchen Dingen unbewandert ist, wird eine Erläuterung nach dem Stande der Wissenschaft gern vernehmen. Herr Mayer hat schon vor mehreren Jahren in den Annalen der Chemie und Pharmazie einen Aufsatz über die Kräfte der unbelebten Natur bekannt gemacht und daselbst eine Menge von unhaltbaren Ansichten über die Natur¬ kräfte aufgestellt. Die Verwirrung, welche darin zwischen den Begriffen Kraft, Ursache, Wirkung herrscht, und die Deduktionen, welche er daraus zieht/ sind schon hinlänglich in ihrer UnHaltbarkeit in wissenschaftlichen Organen beleuchtet worden. Er sprach in demselben von dem Verhältniß der durch Bewegung, insbesondere durch Reibung entstandenen Wärme zu dieser Bewegung und stellte als Resultat seiner Ansichten hin, wie die Wärme Bewegung hervorbringen könne, könne umgekehrt auch wieder Bewegung Wärme hervorbringen; die Wärme an und für sich hat aber noch nie Bewegung hervorgebracht und die Bewegung noch nie Wärme; interpretirt man den SatMnders und sagt man, die Wärme kann unter gewissen Bedingungen in Gemeinschaft des materiellen Körpers, an den sie gebunden ist (oder wie man hier sagen will), Bewegung an einem andern Körper hervorrufen, auf den dieser Körper mechanisch wirkt, so mag dieser Satz seine vollkommenste Richtigkeit haben, und Niemand wird ihn bestreiten; so wie ihn sich aber Herr Mayer denkt, daß eine wirkliche Meta- morphosirung zwischen Wärme und Bewegung stattfinde, ist er ein vollkommen unwissenschaftliches, allen klaren Ansichten über die Naturthätigkeit widerspre¬ chendes Paradoxon, dessen vollkommenste UnHaltbarkeit in dem Ausspruche hingestellt ist, den Herr Mayer später thut, eine Lokomotive sei einem Destillir- apparat zu vergleichen, die Wärme gehe in Bewegung über und setze sich an den Achsen der Räder als Wärme wieder ab.... Ebenso gehört auch die neue Mayer'sche Entdeckung hierher, welche sich auf die Wahrnehmung beschränkt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/110>, abgerufen am 03.07.2024.