Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

beim Kegelspiel; alle Regeln, die er sich dafür gebildet hatte, verfolgte er mit
äußerster Konsequenz.

Schon zu Hause, vom Vater und vom Bruder Fritz, der ihm etwa acht
Jahre im Alter voraus und bereits als Gehilfe in der väterlichen Apotheke
thätig war, lernte Robert bei dem großen Interesse, das er den Vorgängen in
der Natur entgegenbrachte, ohne allen Unterricht, nur durch gelegentliches Hören
und Sehen und durch die kleinen Hilfsleistungen, die er dann und wann ver¬
richtete, viele fundamentale Naturerscheinungen und eine Menge von Eigen¬
schaften der Naturkörper kennen. Als Knabe von 10 Jahren kannte er die
Pflanzen seiner Heimat, war mit den elementaren chemischen Vorgängen und
Versuchen bekannt und wußte über die Wirkungen der Luftpumpe und Elek-
tristrmaschine Auskunft zu geben und letztere bei seinen Spielgeführten zu
erproben. Auch beschäftigte er sich damals lange und eifrig mit der Erfin¬
dung eines Perpetunm mobile, bis er sich endlich von der Unmöglichkeit des¬
selben überzeugt hatte. Seine spätere Entdeckung sollte der endgiltige Beweis
für die Unmöglichkeit einer derartigen Zaubermaschine werden. In etwas
höherem Alter, als sein intimster Jugendfreund in das Seminar zu Schönthal
aufgenommen und Robert vereinsamt war, beschäftigte er sich mit großer Aus¬
dauer damit, die zahlreichen Mühlen und Fabriken am Neckar zu besuchen
und den Mechanismus der Maschinen und Triebwerke zu studiren.

In der Schule waren seine Leistungen gering. Sein ausgezeichnetes Ge¬
dächtniß nahm nur solche Dinge auf, für welche er Interesse hatte, und dies
Interesse erstreckte sich nur auf Dinge, in denen Regelmäßigkeit, Gesetzmäßig¬
keit oder ein ursächlicher Zusammenhang zu erkennen war. Zu solchen Dingen
rechnete er weder die lateinischen Genusregelu, noch die Verba auf 5", uoch
die Konstruktionsregeln der lateinischen und griechischen Syntax; und da die
Kenntnisse in diesen Dingen damals noch den einzigen Maßstab für die Schul-
leistuugen abgaben, so ist es begreiflich, daß er nicht hervorragte. Wohl hatte
er -- und seine Schristen bezeugen es - für die formelle Seite der Sprache
ein feines Gefühl, wohl brachte er den Schönheiten dichterischer Erzeugnisse
eine reiche und tiefe Empfindung entgegen; in der Schule aber wurden diese
Eigenschaften nicht geschätzt und noch viel weniger seine Kenntnisse von der
Natur. Auch das mathematische Wissen, das er sich von seinem Bruder Fritz
angeeignet und in dem er allen seinen Mitschülern soweit voraus war, daß
er in der Schule überhaupt nichts Neues erfuhr, fand keine Geltung; der
Abstand zwischen seinen und seiner Kameraden Schulkenntnissen konnte dadurch
nicht ausgefüllt werden und trat im Seminar zu Schönthal -- nach Schön¬
thal kam er auf seinen dringenden Wunsch, mit feinem Gefährten Rümelin
wieder vereint zu werden, der dort, weil er Theologie studiren sollte, vor ihm


beim Kegelspiel; alle Regeln, die er sich dafür gebildet hatte, verfolgte er mit
äußerster Konsequenz.

Schon zu Hause, vom Vater und vom Bruder Fritz, der ihm etwa acht
Jahre im Alter voraus und bereits als Gehilfe in der väterlichen Apotheke
thätig war, lernte Robert bei dem großen Interesse, das er den Vorgängen in
der Natur entgegenbrachte, ohne allen Unterricht, nur durch gelegentliches Hören
und Sehen und durch die kleinen Hilfsleistungen, die er dann und wann ver¬
richtete, viele fundamentale Naturerscheinungen und eine Menge von Eigen¬
schaften der Naturkörper kennen. Als Knabe von 10 Jahren kannte er die
Pflanzen seiner Heimat, war mit den elementaren chemischen Vorgängen und
Versuchen bekannt und wußte über die Wirkungen der Luftpumpe und Elek-
tristrmaschine Auskunft zu geben und letztere bei seinen Spielgeführten zu
erproben. Auch beschäftigte er sich damals lange und eifrig mit der Erfin¬
dung eines Perpetunm mobile, bis er sich endlich von der Unmöglichkeit des¬
selben überzeugt hatte. Seine spätere Entdeckung sollte der endgiltige Beweis
für die Unmöglichkeit einer derartigen Zaubermaschine werden. In etwas
höherem Alter, als sein intimster Jugendfreund in das Seminar zu Schönthal
aufgenommen und Robert vereinsamt war, beschäftigte er sich mit großer Aus¬
dauer damit, die zahlreichen Mühlen und Fabriken am Neckar zu besuchen
und den Mechanismus der Maschinen und Triebwerke zu studiren.

In der Schule waren seine Leistungen gering. Sein ausgezeichnetes Ge¬
dächtniß nahm nur solche Dinge auf, für welche er Interesse hatte, und dies
Interesse erstreckte sich nur auf Dinge, in denen Regelmäßigkeit, Gesetzmäßig¬
keit oder ein ursächlicher Zusammenhang zu erkennen war. Zu solchen Dingen
rechnete er weder die lateinischen Genusregelu, noch die Verba auf 5», uoch
die Konstruktionsregeln der lateinischen und griechischen Syntax; und da die
Kenntnisse in diesen Dingen damals noch den einzigen Maßstab für die Schul-
leistuugen abgaben, so ist es begreiflich, daß er nicht hervorragte. Wohl hatte
er — und seine Schristen bezeugen es - für die formelle Seite der Sprache
ein feines Gefühl, wohl brachte er den Schönheiten dichterischer Erzeugnisse
eine reiche und tiefe Empfindung entgegen; in der Schule aber wurden diese
Eigenschaften nicht geschätzt und noch viel weniger seine Kenntnisse von der
Natur. Auch das mathematische Wissen, das er sich von seinem Bruder Fritz
angeeignet und in dem er allen seinen Mitschülern soweit voraus war, daß
er in der Schule überhaupt nichts Neues erfuhr, fand keine Geltung; der
Abstand zwischen seinen und seiner Kameraden Schulkenntnissen konnte dadurch
nicht ausgefüllt werden und trat im Seminar zu Schönthal — nach Schön¬
thal kam er auf seinen dringenden Wunsch, mit feinem Gefährten Rümelin
wieder vereint zu werden, der dort, weil er Theologie studiren sollte, vor ihm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141514"/>
          <p xml:id="ID_307" prev="#ID_306"> beim Kegelspiel; alle Regeln, die er sich dafür gebildet hatte, verfolgte er mit<lb/>
äußerster Konsequenz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_308"> Schon zu Hause, vom Vater und vom Bruder Fritz, der ihm etwa acht<lb/>
Jahre im Alter voraus und bereits als Gehilfe in der väterlichen Apotheke<lb/>
thätig war, lernte Robert bei dem großen Interesse, das er den Vorgängen in<lb/>
der Natur entgegenbrachte, ohne allen Unterricht, nur durch gelegentliches Hören<lb/>
und Sehen und durch die kleinen Hilfsleistungen, die er dann und wann ver¬<lb/>
richtete, viele fundamentale Naturerscheinungen und eine Menge von Eigen¬<lb/>
schaften der Naturkörper kennen. Als Knabe von 10 Jahren kannte er die<lb/>
Pflanzen seiner Heimat, war mit den elementaren chemischen Vorgängen und<lb/>
Versuchen bekannt und wußte über die Wirkungen der Luftpumpe und Elek-<lb/>
tristrmaschine Auskunft zu geben und letztere bei seinen Spielgeführten zu<lb/>
erproben. Auch beschäftigte er sich damals lange und eifrig mit der Erfin¬<lb/>
dung eines Perpetunm mobile, bis er sich endlich von der Unmöglichkeit des¬<lb/>
selben überzeugt hatte. Seine spätere Entdeckung sollte der endgiltige Beweis<lb/>
für die Unmöglichkeit einer derartigen Zaubermaschine werden. In etwas<lb/>
höherem Alter, als sein intimster Jugendfreund in das Seminar zu Schönthal<lb/>
aufgenommen und Robert vereinsamt war, beschäftigte er sich mit großer Aus¬<lb/>
dauer damit, die zahlreichen Mühlen und Fabriken am Neckar zu besuchen<lb/>
und den Mechanismus der Maschinen und Triebwerke zu studiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_309" next="#ID_310"> In der Schule waren seine Leistungen gering. Sein ausgezeichnetes Ge¬<lb/>
dächtniß nahm nur solche Dinge auf, für welche er Interesse hatte, und dies<lb/>
Interesse erstreckte sich nur auf Dinge, in denen Regelmäßigkeit, Gesetzmäßig¬<lb/>
keit oder ein ursächlicher Zusammenhang zu erkennen war. Zu solchen Dingen<lb/>
rechnete er weder die lateinischen Genusregelu, noch die Verba auf 5», uoch<lb/>
die Konstruktionsregeln der lateinischen und griechischen Syntax; und da die<lb/>
Kenntnisse in diesen Dingen damals noch den einzigen Maßstab für die Schul-<lb/>
leistuugen abgaben, so ist es begreiflich, daß er nicht hervorragte. Wohl hatte<lb/>
er &#x2014; und seine Schristen bezeugen es - für die formelle Seite der Sprache<lb/>
ein feines Gefühl, wohl brachte er den Schönheiten dichterischer Erzeugnisse<lb/>
eine reiche und tiefe Empfindung entgegen; in der Schule aber wurden diese<lb/>
Eigenschaften nicht geschätzt und noch viel weniger seine Kenntnisse von der<lb/>
Natur. Auch das mathematische Wissen, das er sich von seinem Bruder Fritz<lb/>
angeeignet und in dem er allen seinen Mitschülern soweit voraus war, daß<lb/>
er in der Schule überhaupt nichts Neues erfuhr, fand keine Geltung; der<lb/>
Abstand zwischen seinen und seiner Kameraden Schulkenntnissen konnte dadurch<lb/>
nicht ausgefüllt werden und trat im Seminar zu Schönthal &#x2014; nach Schön¬<lb/>
thal kam er auf seinen dringenden Wunsch, mit feinem Gefährten Rümelin<lb/>
wieder vereint zu werden, der dort, weil er Theologie studiren sollte, vor ihm</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0103] beim Kegelspiel; alle Regeln, die er sich dafür gebildet hatte, verfolgte er mit äußerster Konsequenz. Schon zu Hause, vom Vater und vom Bruder Fritz, der ihm etwa acht Jahre im Alter voraus und bereits als Gehilfe in der väterlichen Apotheke thätig war, lernte Robert bei dem großen Interesse, das er den Vorgängen in der Natur entgegenbrachte, ohne allen Unterricht, nur durch gelegentliches Hören und Sehen und durch die kleinen Hilfsleistungen, die er dann und wann ver¬ richtete, viele fundamentale Naturerscheinungen und eine Menge von Eigen¬ schaften der Naturkörper kennen. Als Knabe von 10 Jahren kannte er die Pflanzen seiner Heimat, war mit den elementaren chemischen Vorgängen und Versuchen bekannt und wußte über die Wirkungen der Luftpumpe und Elek- tristrmaschine Auskunft zu geben und letztere bei seinen Spielgeführten zu erproben. Auch beschäftigte er sich damals lange und eifrig mit der Erfin¬ dung eines Perpetunm mobile, bis er sich endlich von der Unmöglichkeit des¬ selben überzeugt hatte. Seine spätere Entdeckung sollte der endgiltige Beweis für die Unmöglichkeit einer derartigen Zaubermaschine werden. In etwas höherem Alter, als sein intimster Jugendfreund in das Seminar zu Schönthal aufgenommen und Robert vereinsamt war, beschäftigte er sich mit großer Aus¬ dauer damit, die zahlreichen Mühlen und Fabriken am Neckar zu besuchen und den Mechanismus der Maschinen und Triebwerke zu studiren. In der Schule waren seine Leistungen gering. Sein ausgezeichnetes Ge¬ dächtniß nahm nur solche Dinge auf, für welche er Interesse hatte, und dies Interesse erstreckte sich nur auf Dinge, in denen Regelmäßigkeit, Gesetzmäßig¬ keit oder ein ursächlicher Zusammenhang zu erkennen war. Zu solchen Dingen rechnete er weder die lateinischen Genusregelu, noch die Verba auf 5», uoch die Konstruktionsregeln der lateinischen und griechischen Syntax; und da die Kenntnisse in diesen Dingen damals noch den einzigen Maßstab für die Schul- leistuugen abgaben, so ist es begreiflich, daß er nicht hervorragte. Wohl hatte er — und seine Schristen bezeugen es - für die formelle Seite der Sprache ein feines Gefühl, wohl brachte er den Schönheiten dichterischer Erzeugnisse eine reiche und tiefe Empfindung entgegen; in der Schule aber wurden diese Eigenschaften nicht geschätzt und noch viel weniger seine Kenntnisse von der Natur. Auch das mathematische Wissen, das er sich von seinem Bruder Fritz angeeignet und in dem er allen seinen Mitschülern soweit voraus war, daß er in der Schule überhaupt nichts Neues erfuhr, fand keine Geltung; der Abstand zwischen seinen und seiner Kameraden Schulkenntnissen konnte dadurch nicht ausgefüllt werden und trat im Seminar zu Schönthal — nach Schön¬ thal kam er auf seinen dringenden Wunsch, mit feinem Gefährten Rümelin wieder vereint zu werden, der dort, weil er Theologie studiren sollte, vor ihm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/103
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/103>, abgerufen am 24.07.2024.