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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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was ihm widerfahren. Wie leicht hätte sich sonst jetzt nach seinem Tode Alles
in anderem Lichte darstellen lassen!

Außer Dühring hat Rümelin, ein Jugendgespiele und Jugendfreund Mayer's
(gegenwärtig Professor an der Universität Tübingen), in der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung (1878, Beilage zu Ur. 120--123) bald nach dem Tode Mayer's
unter dem Titel "Erinnerungen an Robert Mayer" Einiges über sein Leben
und namentlich über seine Jugend mitgetheilt, wogegen aber nach unserer
Ueberzeugung Mayer Protest einlegen würde, wenn er könnte. Auch der
Nachlaß Mayer's, in welchem sich eine kleine Selbstbiographie befand, ging in
den Besitz Rümelin's über. Die Biographie ist bis jetzt nicht veröffentlicht,
und doch hätte Rümelin die Pflicht gehabt, Mayer's eigne Aeußerungen über
sein Leben eher als alles Andere zur öffentlichen Kenntniß zu bringen; nur
so hätte er im Sinne Mayer's gehandelt.

Robert Mayer wurde am 25. November 1814 in Heilbronn geboren.
Sein Vater war Apotheker und ein Mann von reichen Kenntnissen und wissen¬
schaftlichem Streben. Er war in mehreren Städten Deutschland's und Frank¬
reich's in Apotheken als Gehilfe thätig gewesen und hatte dabei mannichfache
Anregungen erfahren. Da geselliger Verkehr für ihn keinen Reiz hatte, so
widmete er die freie Zeit, die sein Beruf ihm ließ, gänzlich seinen naturwissen¬
schaftlichen und besonders seinen chemischen Studien. Sein ganzes Haus war
gefüllt mit physikalischen und chemischen Apparaten, mit botanischen und mine¬
ralogischen Sammlungen, mit Vorräthen von Droguen und Chemikalien, wie
sie zu den Bedürfnissen einer Apotheke gehören.

Robert war der jüngste von drei Söhnen und der Liebling seiner Mutter.
Lebhafter und frohen Sinnes, brachte er als Knabe den ganzen Tag im Freien,
in den Höfen und Gärten und am oder auf dem Neckar zu. Ein eifriger
und kühner Kahnfahrer, ein unübertrefflicher und unermüdlicher Schwimmer,
ein unbesiegbarer Dauerläufer, erregte er die Bewunderung seiner Gefährten
nicht sowohl durch Stärke und Gewandtheit seines Körpers, als durch die un¬
glaubliche Ausdauer und Zähigkeit, die er bewies. Den Weg von Heilbronn
nach Schönthal, der 7 Stunden beträgt, legte er stets in einem Nachmittage
zurück und ging am folgenden Nachmittage wieder heim. Später, als Student,
ging er von Tübingen bis Heilbronn, 77 Kilometer, an einem Tage innerhalb
von 14 bis 15 Stunden mit einer einzigen Ruhepause. Spiele aller Art er¬
regten von Jugend auf sein lebhaftestes Interesse; als Knabe ersann er immer
neue und trieb jedes so lange, bis er ergründet hatte, von welchen Umständen
das Gewinnen abhing. Später war er ausgezeichnet im Schach-, Whist-,
L'hombre- und Tarokspiel, nicht minder geschickt zeigte er sich im Billard- und


was ihm widerfahren. Wie leicht hätte sich sonst jetzt nach seinem Tode Alles
in anderem Lichte darstellen lassen!

Außer Dühring hat Rümelin, ein Jugendgespiele und Jugendfreund Mayer's
(gegenwärtig Professor an der Universität Tübingen), in der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung (1878, Beilage zu Ur. 120—123) bald nach dem Tode Mayer's
unter dem Titel „Erinnerungen an Robert Mayer" Einiges über sein Leben
und namentlich über seine Jugend mitgetheilt, wogegen aber nach unserer
Ueberzeugung Mayer Protest einlegen würde, wenn er könnte. Auch der
Nachlaß Mayer's, in welchem sich eine kleine Selbstbiographie befand, ging in
den Besitz Rümelin's über. Die Biographie ist bis jetzt nicht veröffentlicht,
und doch hätte Rümelin die Pflicht gehabt, Mayer's eigne Aeußerungen über
sein Leben eher als alles Andere zur öffentlichen Kenntniß zu bringen; nur
so hätte er im Sinne Mayer's gehandelt.

Robert Mayer wurde am 25. November 1814 in Heilbronn geboren.
Sein Vater war Apotheker und ein Mann von reichen Kenntnissen und wissen¬
schaftlichem Streben. Er war in mehreren Städten Deutschland's und Frank¬
reich's in Apotheken als Gehilfe thätig gewesen und hatte dabei mannichfache
Anregungen erfahren. Da geselliger Verkehr für ihn keinen Reiz hatte, so
widmete er die freie Zeit, die sein Beruf ihm ließ, gänzlich seinen naturwissen¬
schaftlichen und besonders seinen chemischen Studien. Sein ganzes Haus war
gefüllt mit physikalischen und chemischen Apparaten, mit botanischen und mine¬
ralogischen Sammlungen, mit Vorräthen von Droguen und Chemikalien, wie
sie zu den Bedürfnissen einer Apotheke gehören.

Robert war der jüngste von drei Söhnen und der Liebling seiner Mutter.
Lebhafter und frohen Sinnes, brachte er als Knabe den ganzen Tag im Freien,
in den Höfen und Gärten und am oder auf dem Neckar zu. Ein eifriger
und kühner Kahnfahrer, ein unübertrefflicher und unermüdlicher Schwimmer,
ein unbesiegbarer Dauerläufer, erregte er die Bewunderung seiner Gefährten
nicht sowohl durch Stärke und Gewandtheit seines Körpers, als durch die un¬
glaubliche Ausdauer und Zähigkeit, die er bewies. Den Weg von Heilbronn
nach Schönthal, der 7 Stunden beträgt, legte er stets in einem Nachmittage
zurück und ging am folgenden Nachmittage wieder heim. Später, als Student,
ging er von Tübingen bis Heilbronn, 77 Kilometer, an einem Tage innerhalb
von 14 bis 15 Stunden mit einer einzigen Ruhepause. Spiele aller Art er¬
regten von Jugend auf sein lebhaftestes Interesse; als Knabe ersann er immer
neue und trieb jedes so lange, bis er ergründet hatte, von welchen Umständen
das Gewinnen abhing. Später war er ausgezeichnet im Schach-, Whist-,
L'hombre- und Tarokspiel, nicht minder geschickt zeigte er sich im Billard- und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/102>, abgerufen am 24.07.2024.