Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Nutzung des vorhandenen sowie desjenigen Materials, welches die Enqueten Damit ist der Anfang zu einer wirthschaftlichen Reform gemacht, die, seit ge¬ In wirthschaftlichen Fragen handelt es sich nicht so sehr um die Erkennt¬ Nutzung des vorhandenen sowie desjenigen Materials, welches die Enqueten Damit ist der Anfang zu einer wirthschaftlichen Reform gemacht, die, seit ge¬ In wirthschaftlichen Fragen handelt es sich nicht so sehr um die Erkennt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141421"/> <p xml:id="ID_6" prev="#ID_5"> Nutzung des vorhandenen sowie desjenigen Materials, welches die Enqueten<lb/> zu beschaffen haben, die Revision des Zolltarifs vorzubereiten hätte. Die Auf¬<lb/> gabe dieser Kommission würde nur diejenigen Finanzartikel nicht berühren,<lb/> über welche man auf der Heidelberger Konferenz zum EinVerständniß gelangt<lb/> ist, und welche bereits einer besonderen Bearbeitung unterliegen. Der Kom¬<lb/> mission sowie den aus deren Mitte etwa für Detailfragen zu bildenden Snb-<lb/> kommissionen würde das Recht einzuräumen sein, Sachverständige zu vernehmen,<lb/> schriftliche Gutachten einzufordern oder Ermittelungen von Seiten der Landes¬<lb/> behörden zu veranlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_7"> Damit ist der Anfang zu einer wirthschaftlichen Reform gemacht, die, seit ge¬<lb/> raumer Zeit schon angekündigt, von vielen Seiten mit Freude begrüßt, vou anderen<lb/> gefürchtet und bekämpft wurde. Der Bundesrath hat nicht ermangelt, den<lb/> Anträgen des Reichskanzlers zuzustimmen, die Kommission ist rasch gebildet<lb/> worden, wahrscheinlich schon vor Ende des Januar werden die genannten drei<lb/> Enqueten, welche ihr Material für die beabsichtigte Revision des deutschen<lb/> Zolltarifs liefern sollen, beendet sein, und so wird die Frage vielleicht schon in<lb/> der nächsten Reichstagssession zur Sprache und hoffentlich bald zur Erledigung<lb/> kommen — zu billiger und alle Maßvollen und Verständigen befriedigender<lb/> Erledigung; denn die Gruppe der unbefangenen und nach den Thatsachen, nicht<lb/> nach Schnlmeinungen urtheilenden Volksvertreter ist seit einiger Zeit in stetiger<lb/> Zunahme begriffen. Das Manchesterthum, fast mit allen seinen Folgerungen<lb/> und Bestrebungen lange Jahre die herrschende Lehre in Deutschland, dann<lb/> milder und nachgiebiger geworden, aber immer noch gefährlich genug für unsern<lb/> Wohlstand, dessen Rückgang es zum guten Theil verschuldet hat, ist im Be¬<lb/> griffe, vom Ruder in volkswirthschaftlichen Angelegenheiten zurückgeschoben zu<lb/> werden, ohne daß deshalb die entgegengesetzte Richtung, die Schule der Schutz¬<lb/> zöllner, dasselbe bedingungslos in die Hand zu bekommen hoffen darf. Viel¬<lb/> mehr wird an die Stelle einer dem Manchesterthum zuneigenden Wirtschafts¬<lb/> politik das System des nationalen Freihandels treten. Es wird zu<lb/> einem Kompromiß kommen, welches, sich ans die thatsächlichen Verhältnisse<lb/> gründend, die Berechtigung, die beide Richtungen nach denselben auf Berück¬<lb/> sichtigung haben, anerkennt, dem Anspruch der bloßen Doktrin aber weder nach<lb/> der einen noch nach der anderen Seite Zugeständnisse macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> In wirthschaftlichen Fragen handelt es sich nicht so sehr um die Erkennt¬<lb/> niß einer absoluten prinzipiellen Wahrheit, als um die Anerkennung und Be»<lb/> sriedigung eiues relativen praktischen Bedürfnisses. Das hat unser Reichs¬<lb/> kanzler erkannt und trotz des zu erwartenden Alarmrufs „Reaktion!" offen zu<lb/> bekennen den Entschluß gefaßt. Keiner nationalökonomischen Schule angehörig,<lb/> theilte er auch keins von deren Vorurtheilen, und so gelangte seine geniale</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Nutzung des vorhandenen sowie desjenigen Materials, welches die Enqueten
zu beschaffen haben, die Revision des Zolltarifs vorzubereiten hätte. Die Auf¬
gabe dieser Kommission würde nur diejenigen Finanzartikel nicht berühren,
über welche man auf der Heidelberger Konferenz zum EinVerständniß gelangt
ist, und welche bereits einer besonderen Bearbeitung unterliegen. Der Kom¬
mission sowie den aus deren Mitte etwa für Detailfragen zu bildenden Snb-
kommissionen würde das Recht einzuräumen sein, Sachverständige zu vernehmen,
schriftliche Gutachten einzufordern oder Ermittelungen von Seiten der Landes¬
behörden zu veranlassen.
Damit ist der Anfang zu einer wirthschaftlichen Reform gemacht, die, seit ge¬
raumer Zeit schon angekündigt, von vielen Seiten mit Freude begrüßt, vou anderen
gefürchtet und bekämpft wurde. Der Bundesrath hat nicht ermangelt, den
Anträgen des Reichskanzlers zuzustimmen, die Kommission ist rasch gebildet
worden, wahrscheinlich schon vor Ende des Januar werden die genannten drei
Enqueten, welche ihr Material für die beabsichtigte Revision des deutschen
Zolltarifs liefern sollen, beendet sein, und so wird die Frage vielleicht schon in
der nächsten Reichstagssession zur Sprache und hoffentlich bald zur Erledigung
kommen — zu billiger und alle Maßvollen und Verständigen befriedigender
Erledigung; denn die Gruppe der unbefangenen und nach den Thatsachen, nicht
nach Schnlmeinungen urtheilenden Volksvertreter ist seit einiger Zeit in stetiger
Zunahme begriffen. Das Manchesterthum, fast mit allen seinen Folgerungen
und Bestrebungen lange Jahre die herrschende Lehre in Deutschland, dann
milder und nachgiebiger geworden, aber immer noch gefährlich genug für unsern
Wohlstand, dessen Rückgang es zum guten Theil verschuldet hat, ist im Be¬
griffe, vom Ruder in volkswirthschaftlichen Angelegenheiten zurückgeschoben zu
werden, ohne daß deshalb die entgegengesetzte Richtung, die Schule der Schutz¬
zöllner, dasselbe bedingungslos in die Hand zu bekommen hoffen darf. Viel¬
mehr wird an die Stelle einer dem Manchesterthum zuneigenden Wirtschafts¬
politik das System des nationalen Freihandels treten. Es wird zu
einem Kompromiß kommen, welches, sich ans die thatsächlichen Verhältnisse
gründend, die Berechtigung, die beide Richtungen nach denselben auf Berück¬
sichtigung haben, anerkennt, dem Anspruch der bloßen Doktrin aber weder nach
der einen noch nach der anderen Seite Zugeständnisse macht.
In wirthschaftlichen Fragen handelt es sich nicht so sehr um die Erkennt¬
niß einer absoluten prinzipiellen Wahrheit, als um die Anerkennung und Be»
sriedigung eiues relativen praktischen Bedürfnisses. Das hat unser Reichs¬
kanzler erkannt und trotz des zu erwartenden Alarmrufs „Reaktion!" offen zu
bekennen den Entschluß gefaßt. Keiner nationalökonomischen Schule angehörig,
theilte er auch keins von deren Vorurtheilen, und so gelangte seine geniale
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