Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Iismarck und das Wanchestertljmn.

Um die Mitte des November wies der Reichskanzler, wie bekannt, in
einem Schreiben an den Bundesrath auf die Nothwendigkeit von Vorarbeiten
zur Umgestaltung des deutschen Zolltarifs hin. Der Gedankengang in jenem
Schreiben war in den Hauptzügen folgender:

Die Verhältnisse, welche die gegenwärtige Gestaltung des Tarifs bestimmt
haben, sind in der letzten Zeit wesentlichen Veränderungen unterworfen ge¬
wesen. Sowohl die Finanzlage des Reiches wie diejenige der von ihm zu¬
sammengefaßten Einzelstaaten verlangt Vermehrung der Reichseinnahmen durch
stärkere Benutzung der dem Reiche zur Verfügung gestellten Einnahmequellen.
Bei der Heidelberger Konferenz hat man sich überzeugt, daß wir das System
der indirekten Besteuerung weiter auszubilden haben, und man ist dort in Be¬
treff der dabei vorzüglich in's Auge zu fassenden Finanzartikel zu allseitigem
Einverständniß gekommen. Sodann aber erfordert die dermalige Lage unserer
Industrie, sowie das mit Ablauf der Handelsverträge in den großen Nachbar¬
staaten und in Amerika zu Tage getretene Bestreben nach Verstärkung des
Schutzes der einheimischen Gewerbthätigkeit gegenüber der Mitbewerbung des
Auslandes eingehende Untersuchung der Frage, ob nicht auch unsern Erzeug¬
nissen in erhöhtem Maße die Versorgung des deutschen Marktes vorzubehalten
und dadurch auf die Forderung der inländischen Produktion hinzuwirken, zu¬
gleich aber Verhandlungsmaterial zu schaffen sei, um später zu versuchen, ob
und wie weit sich durch neue Verträge die Schranken beseitigen lassen, welche
unsere Exportinteressen schädigen. Die Ergebnisse der im Gange befindlichen
Enqueten über die Lage der Eisen-, Baumwollen- und Leinenindnstrie werden
nützliche Grundlagen liefern für die Beantwortung der Frage, ob es zweckmäßig
ist, die Zölle auf die Erzeugnisse dieser Gewerbszweige zu erhöhen oder wieder
einzuführen.

Um die Lösung dieser Haupt- und einiger Nebenfragen zu beschleunigen,
wird die Einsetzung einer besonderen Kommission empfohlen, welche unter Be-


GrenzbMn I. 1879. 1
Iismarck und das Wanchestertljmn.

Um die Mitte des November wies der Reichskanzler, wie bekannt, in
einem Schreiben an den Bundesrath auf die Nothwendigkeit von Vorarbeiten
zur Umgestaltung des deutschen Zolltarifs hin. Der Gedankengang in jenem
Schreiben war in den Hauptzügen folgender:

Die Verhältnisse, welche die gegenwärtige Gestaltung des Tarifs bestimmt
haben, sind in der letzten Zeit wesentlichen Veränderungen unterworfen ge¬
wesen. Sowohl die Finanzlage des Reiches wie diejenige der von ihm zu¬
sammengefaßten Einzelstaaten verlangt Vermehrung der Reichseinnahmen durch
stärkere Benutzung der dem Reiche zur Verfügung gestellten Einnahmequellen.
Bei der Heidelberger Konferenz hat man sich überzeugt, daß wir das System
der indirekten Besteuerung weiter auszubilden haben, und man ist dort in Be¬
treff der dabei vorzüglich in's Auge zu fassenden Finanzartikel zu allseitigem
Einverständniß gekommen. Sodann aber erfordert die dermalige Lage unserer
Industrie, sowie das mit Ablauf der Handelsverträge in den großen Nachbar¬
staaten und in Amerika zu Tage getretene Bestreben nach Verstärkung des
Schutzes der einheimischen Gewerbthätigkeit gegenüber der Mitbewerbung des
Auslandes eingehende Untersuchung der Frage, ob nicht auch unsern Erzeug¬
nissen in erhöhtem Maße die Versorgung des deutschen Marktes vorzubehalten
und dadurch auf die Forderung der inländischen Produktion hinzuwirken, zu¬
gleich aber Verhandlungsmaterial zu schaffen sei, um später zu versuchen, ob
und wie weit sich durch neue Verträge die Schranken beseitigen lassen, welche
unsere Exportinteressen schädigen. Die Ergebnisse der im Gange befindlichen
Enqueten über die Lage der Eisen-, Baumwollen- und Leinenindnstrie werden
nützliche Grundlagen liefern für die Beantwortung der Frage, ob es zweckmäßig
ist, die Zölle auf die Erzeugnisse dieser Gewerbszweige zu erhöhen oder wieder
einzuführen.

Um die Lösung dieser Haupt- und einiger Nebenfragen zu beschleunigen,
wird die Einsetzung einer besonderen Kommission empfohlen, welche unter Be-


GrenzbMn I. 1879. 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141420"/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Iismarck und das Wanchestertljmn.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_3"> Um die Mitte des November wies der Reichskanzler, wie bekannt, in<lb/>
einem Schreiben an den Bundesrath auf die Nothwendigkeit von Vorarbeiten<lb/>
zur Umgestaltung des deutschen Zolltarifs hin. Der Gedankengang in jenem<lb/>
Schreiben war in den Hauptzügen folgender:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_4"> Die Verhältnisse, welche die gegenwärtige Gestaltung des Tarifs bestimmt<lb/>
haben, sind in der letzten Zeit wesentlichen Veränderungen unterworfen ge¬<lb/>
wesen. Sowohl die Finanzlage des Reiches wie diejenige der von ihm zu¬<lb/>
sammengefaßten Einzelstaaten verlangt Vermehrung der Reichseinnahmen durch<lb/>
stärkere Benutzung der dem Reiche zur Verfügung gestellten Einnahmequellen.<lb/>
Bei der Heidelberger Konferenz hat man sich überzeugt, daß wir das System<lb/>
der indirekten Besteuerung weiter auszubilden haben, und man ist dort in Be¬<lb/>
treff der dabei vorzüglich in's Auge zu fassenden Finanzartikel zu allseitigem<lb/>
Einverständniß gekommen. Sodann aber erfordert die dermalige Lage unserer<lb/>
Industrie, sowie das mit Ablauf der Handelsverträge in den großen Nachbar¬<lb/>
staaten und in Amerika zu Tage getretene Bestreben nach Verstärkung des<lb/>
Schutzes der einheimischen Gewerbthätigkeit gegenüber der Mitbewerbung des<lb/>
Auslandes eingehende Untersuchung der Frage, ob nicht auch unsern Erzeug¬<lb/>
nissen in erhöhtem Maße die Versorgung des deutschen Marktes vorzubehalten<lb/>
und dadurch auf die Forderung der inländischen Produktion hinzuwirken, zu¬<lb/>
gleich aber Verhandlungsmaterial zu schaffen sei, um später zu versuchen, ob<lb/>
und wie weit sich durch neue Verträge die Schranken beseitigen lassen, welche<lb/>
unsere Exportinteressen schädigen. Die Ergebnisse der im Gange befindlichen<lb/>
Enqueten über die Lage der Eisen-, Baumwollen- und Leinenindnstrie werden<lb/>
nützliche Grundlagen liefern für die Beantwortung der Frage, ob es zweckmäßig<lb/>
ist, die Zölle auf die Erzeugnisse dieser Gewerbszweige zu erhöhen oder wieder<lb/>
einzuführen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_5" next="#ID_6"> Um die Lösung dieser Haupt- und einiger Nebenfragen zu beschleunigen,<lb/>
wird die Einsetzung einer besonderen Kommission empfohlen, welche unter Be-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenzbMn I. 1879. 1</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] Iismarck und das Wanchestertljmn. Um die Mitte des November wies der Reichskanzler, wie bekannt, in einem Schreiben an den Bundesrath auf die Nothwendigkeit von Vorarbeiten zur Umgestaltung des deutschen Zolltarifs hin. Der Gedankengang in jenem Schreiben war in den Hauptzügen folgender: Die Verhältnisse, welche die gegenwärtige Gestaltung des Tarifs bestimmt haben, sind in der letzten Zeit wesentlichen Veränderungen unterworfen ge¬ wesen. Sowohl die Finanzlage des Reiches wie diejenige der von ihm zu¬ sammengefaßten Einzelstaaten verlangt Vermehrung der Reichseinnahmen durch stärkere Benutzung der dem Reiche zur Verfügung gestellten Einnahmequellen. Bei der Heidelberger Konferenz hat man sich überzeugt, daß wir das System der indirekten Besteuerung weiter auszubilden haben, und man ist dort in Be¬ treff der dabei vorzüglich in's Auge zu fassenden Finanzartikel zu allseitigem Einverständniß gekommen. Sodann aber erfordert die dermalige Lage unserer Industrie, sowie das mit Ablauf der Handelsverträge in den großen Nachbar¬ staaten und in Amerika zu Tage getretene Bestreben nach Verstärkung des Schutzes der einheimischen Gewerbthätigkeit gegenüber der Mitbewerbung des Auslandes eingehende Untersuchung der Frage, ob nicht auch unsern Erzeug¬ nissen in erhöhtem Maße die Versorgung des deutschen Marktes vorzubehalten und dadurch auf die Forderung der inländischen Produktion hinzuwirken, zu¬ gleich aber Verhandlungsmaterial zu schaffen sei, um später zu versuchen, ob und wie weit sich durch neue Verträge die Schranken beseitigen lassen, welche unsere Exportinteressen schädigen. Die Ergebnisse der im Gange befindlichen Enqueten über die Lage der Eisen-, Baumwollen- und Leinenindnstrie werden nützliche Grundlagen liefern für die Beantwortung der Frage, ob es zweckmäßig ist, die Zölle auf die Erzeugnisse dieser Gewerbszweige zu erhöhen oder wieder einzuführen. Um die Lösung dieser Haupt- und einiger Nebenfragen zu beschleunigen, wird die Einsetzung einer besonderen Kommission empfohlen, welche unter Be- GrenzbMn I. 1879. 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/9
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/9>, abgerufen am 01.07.2024.