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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Bedarf höhere Verbände gebildet. Eine regelmäßige Ergänzung fand nicht
statt. Man zog es vor, aus den eingezogenen Reservisten und Landwehrleuten
immer neue Bataillone zu errichten und diese dann, nothdürftig ausgerüstet,
uach dem Kriegsschauplatz zu befördern. Die Zahl der Bataillone stieg damit
über jedes normale Verhältniß, ihre Stärke aber hat wohl niemals dem Etat
entsprochen und sie kann während des Feldzuges nur zu höchstens 600 Mann
veranschlagt werdeu. Die Abgänge an Kavallerie wurden vollends ausschlie߬
lich durch irreguläre Truppen ersetzt, die reichlich beitrugen, die Kopfstürke der
Heere manchmal in unerwarteter Weise anschwellen zu lassen, und an denen
die asiatische Türkei sich besonders fruchtbar erwies.

Ein Ueberblick dessen, was die Türkei wirklich aufgeboten, ist bei dieser
Sachlage und in Ermangelung jeder offiziellen Veröffentlichung unmöglich zu
geben; nur annähernd lassen sich für einzelne Zeitpunkte die Zahlen der Trup-
penkörper berechnen, und nnr wo ganze Truppenkörper in russische Hände
fielen ließ sich die Kopfstärke derselben feststellen. Oben sind 178 Bataillone,
155 Eskadrons, 102 Batterien für das stehende Heer und 180 Bataillone des
1., 180 des 2. Aufgebots der Landwehr als etatsmäßige Truppeuzahl aufge¬
führt, (wobei vou letzterer Zahl die Menge der nicht völlig unterworfenen und
noch nicht organisirten Distrikte abzuziehen ist, so daß entsprechend den oben
angegebenen 115,000 Mann Landwehr höchstens 200 Bataillone als organi-
sirt gelten können). Nach türkischen Quellen werden aber für die Zeit der Er¬
öffnung des Krieges, Mitte April 1877, als auf den verschiedenen Punkten be¬
findlich aufgezählt:

in der europäischen Türkei: 402 Bat. 86 Esk. 70 Bater. 253,100 Mann.
in Asien: _108 Bat. 32 Esk. 30 Bater. 70,700 Manu.
zusammen: 510 Bat. 118 Esk. 100 Bater. 323.800 Mann.

Während also bei der Kavallerie und Artillerie noch nicht einmal die plan¬
mäßigen Friedenskadres der Feldarmee hatten kriegsbereit aufgestellt werdeu
können, waren bei der Infanterie schon Neuformationen in erklecklicher Anzahl
gebildet wobei allerdings für den Kriegsschauplatz in Asien auch schon irreguläre
Formationen mit eingerechnet sind.

Den türkischen Truppen zur Seite stand das Kontingent von Aegypten.
Dieses Land hat eine reguläre Armee von 16 Infanterie-Regimentern zu 4
Bataillonen, jedes 840 Köpfe stark, 8 Kavallerie-Regimentern zu 5 Eskadrons,
4 Feldartillerie-Regimentern mit zusammen 40 Batterien, 3 Regimentern Festungs-
Artillerie und einer Anzahl irregulärer berittener Truppen. Die 64 Bataillone,
40 Eskadrons, 40 Batterien sollten zählen 53,760 Mann, 5120 Pferde und
240 Geschütze. Die Armee war jedoch durch den vorangegangenen Feldzug
gegen Abyssinien empfindlich geschwächt und einigermaßen desorganisirt; ferner


Bedarf höhere Verbände gebildet. Eine regelmäßige Ergänzung fand nicht
statt. Man zog es vor, aus den eingezogenen Reservisten und Landwehrleuten
immer neue Bataillone zu errichten und diese dann, nothdürftig ausgerüstet,
uach dem Kriegsschauplatz zu befördern. Die Zahl der Bataillone stieg damit
über jedes normale Verhältniß, ihre Stärke aber hat wohl niemals dem Etat
entsprochen und sie kann während des Feldzuges nur zu höchstens 600 Mann
veranschlagt werdeu. Die Abgänge an Kavallerie wurden vollends ausschlie߬
lich durch irreguläre Truppen ersetzt, die reichlich beitrugen, die Kopfstürke der
Heere manchmal in unerwarteter Weise anschwellen zu lassen, und an denen
die asiatische Türkei sich besonders fruchtbar erwies.

Ein Ueberblick dessen, was die Türkei wirklich aufgeboten, ist bei dieser
Sachlage und in Ermangelung jeder offiziellen Veröffentlichung unmöglich zu
geben; nur annähernd lassen sich für einzelne Zeitpunkte die Zahlen der Trup-
penkörper berechnen, und nnr wo ganze Truppenkörper in russische Hände
fielen ließ sich die Kopfstärke derselben feststellen. Oben sind 178 Bataillone,
155 Eskadrons, 102 Batterien für das stehende Heer und 180 Bataillone des
1., 180 des 2. Aufgebots der Landwehr als etatsmäßige Truppeuzahl aufge¬
führt, (wobei vou letzterer Zahl die Menge der nicht völlig unterworfenen und
noch nicht organisirten Distrikte abzuziehen ist, so daß entsprechend den oben
angegebenen 115,000 Mann Landwehr höchstens 200 Bataillone als organi-
sirt gelten können). Nach türkischen Quellen werden aber für die Zeit der Er¬
öffnung des Krieges, Mitte April 1877, als auf den verschiedenen Punkten be¬
findlich aufgezählt:

in der europäischen Türkei: 402 Bat. 86 Esk. 70 Bater. 253,100 Mann.
in Asien: _108 Bat. 32 Esk. 30 Bater. 70,700 Manu.
zusammen: 510 Bat. 118 Esk. 100 Bater. 323.800 Mann.

Während also bei der Kavallerie und Artillerie noch nicht einmal die plan¬
mäßigen Friedenskadres der Feldarmee hatten kriegsbereit aufgestellt werdeu
können, waren bei der Infanterie schon Neuformationen in erklecklicher Anzahl
gebildet wobei allerdings für den Kriegsschauplatz in Asien auch schon irreguläre
Formationen mit eingerechnet sind.

Den türkischen Truppen zur Seite stand das Kontingent von Aegypten.
Dieses Land hat eine reguläre Armee von 16 Infanterie-Regimentern zu 4
Bataillonen, jedes 840 Köpfe stark, 8 Kavallerie-Regimentern zu 5 Eskadrons,
4 Feldartillerie-Regimentern mit zusammen 40 Batterien, 3 Regimentern Festungs-
Artillerie und einer Anzahl irregulärer berittener Truppen. Die 64 Bataillone,
40 Eskadrons, 40 Batterien sollten zählen 53,760 Mann, 5120 Pferde und
240 Geschütze. Die Armee war jedoch durch den vorangegangenen Feldzug
gegen Abyssinien empfindlich geschwächt und einigermaßen desorganisirt; ferner


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[0066] Bedarf höhere Verbände gebildet. Eine regelmäßige Ergänzung fand nicht statt. Man zog es vor, aus den eingezogenen Reservisten und Landwehrleuten immer neue Bataillone zu errichten und diese dann, nothdürftig ausgerüstet, uach dem Kriegsschauplatz zu befördern. Die Zahl der Bataillone stieg damit über jedes normale Verhältniß, ihre Stärke aber hat wohl niemals dem Etat entsprochen und sie kann während des Feldzuges nur zu höchstens 600 Mann veranschlagt werdeu. Die Abgänge an Kavallerie wurden vollends ausschlie߬ lich durch irreguläre Truppen ersetzt, die reichlich beitrugen, die Kopfstürke der Heere manchmal in unerwarteter Weise anschwellen zu lassen, und an denen die asiatische Türkei sich besonders fruchtbar erwies. Ein Ueberblick dessen, was die Türkei wirklich aufgeboten, ist bei dieser Sachlage und in Ermangelung jeder offiziellen Veröffentlichung unmöglich zu geben; nur annähernd lassen sich für einzelne Zeitpunkte die Zahlen der Trup- penkörper berechnen, und nnr wo ganze Truppenkörper in russische Hände fielen ließ sich die Kopfstärke derselben feststellen. Oben sind 178 Bataillone, 155 Eskadrons, 102 Batterien für das stehende Heer und 180 Bataillone des 1., 180 des 2. Aufgebots der Landwehr als etatsmäßige Truppeuzahl aufge¬ führt, (wobei vou letzterer Zahl die Menge der nicht völlig unterworfenen und noch nicht organisirten Distrikte abzuziehen ist, so daß entsprechend den oben angegebenen 115,000 Mann Landwehr höchstens 200 Bataillone als organi- sirt gelten können). Nach türkischen Quellen werden aber für die Zeit der Er¬ öffnung des Krieges, Mitte April 1877, als auf den verschiedenen Punkten be¬ findlich aufgezählt: in der europäischen Türkei: 402 Bat. 86 Esk. 70 Bater. 253,100 Mann. in Asien: _108 Bat. 32 Esk. 30 Bater. 70,700 Manu. zusammen: 510 Bat. 118 Esk. 100 Bater. 323.800 Mann. Während also bei der Kavallerie und Artillerie noch nicht einmal die plan¬ mäßigen Friedenskadres der Feldarmee hatten kriegsbereit aufgestellt werdeu können, waren bei der Infanterie schon Neuformationen in erklecklicher Anzahl gebildet wobei allerdings für den Kriegsschauplatz in Asien auch schon irreguläre Formationen mit eingerechnet sind. Den türkischen Truppen zur Seite stand das Kontingent von Aegypten. Dieses Land hat eine reguläre Armee von 16 Infanterie-Regimentern zu 4 Bataillonen, jedes 840 Köpfe stark, 8 Kavallerie-Regimentern zu 5 Eskadrons, 4 Feldartillerie-Regimentern mit zusammen 40 Batterien, 3 Regimentern Festungs- Artillerie und einer Anzahl irregulärer berittener Truppen. Die 64 Bataillone, 40 Eskadrons, 40 Batterien sollten zählen 53,760 Mann, 5120 Pferde und 240 Geschütze. Die Armee war jedoch durch den vorangegangenen Feldzug gegen Abyssinien empfindlich geschwächt und einigermaßen desorganisirt; ferner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/66>, abgerufen am 05.02.2025.