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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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aus dem ganzen Reiche ergänzte. Jedes Armeekorps zählte planmäßig 6 Regi¬
menter Infanterie zu 3 Bataillonen, 6 Schützenbataillone, 4 Kavallerie-Regi¬
menter, 1 Artillerie-Regiment und 1 Geniekompagnie. Das I. Korps war um
1 Infanterie-Regiment, 3 Kavallerie Regimenter, 1 Artillerie-Regiment und
1 Schützeubataillon stärker, ebenso das III. Korps um 4 Infanterie-Regimenter
und 2 Schtttzenbataillone (dabei ist eine gesetzlich nur in Bosnien selbst zu ver¬
wendende böhmische Brigade mitgezählt), dagegen waren das VI. und VII. Korps
um je 1 Infanterie-Regiment, 1 Schützenbataillon und 2 resp. 3 Kavallerie-Regi¬
menter schwächer. Im Ganzen zählte das stehende Heer 45 Infanterie-Regi¬
menter -- 135 Bataillone, 43 Schützenbataillone, zusammen also 178 Bataillone;
26 Kavallerie-Regimenter mit je 6 (eins nur zu 5, eins zu 4), dazu 2 selbstän¬
dige Eskadrons, im Ganzen demnach 155 Eskadrons; 7 Feldartillerie-Regimenter
mit 102 Batterien, daneben 10 Regimenter Küsten- und Festnngs - Artillerie
und 2 Regimenter Artillerie-Handwerker; endlich 7 Kompagnien Sappeure.
Ein Korps von 16 Regimentern Gendarmen (Zaptie) bot gleichfalls eine für
den Kriegsdienst verwendbare Truppe.

An Landwehr sollte jeder der 45 Regiments-Ersatz-Bezirke je 4 Batail¬
lone 1. und 4 Bataillone 2. Aufgebots stellen, doch war die Errichtung der
Kadres noch nicht beendet. Für 60 Eskadrons und 6 Artillerie-Regimenter,
welche planmäßig aufzustellen waren, fehlten noch Organisationsplan und
Kadres. Für etwaige Aufbietung des Landstnrms war noch gar nichts vor¬
gesehen.

Neben der rein lokalen Eintheilung in Armeekorps gab es keine bestimmten
Divisions- und Brigade-Verbände. Auch die Regimenter waren dnrch Ab-
kvmmandirungen schon im Frieden vielfach zerrissen, so daß eigentlich das
Bataillon derjenige Truppenkörper war, über den vom Kriegsministerium aus
direkt verfügt wurde.

Einen Generalstab im europäischen Sinne besitzt die türkische Armee
nicht. Die höheren Führer wählen sich ihre Organe nach Gutdünken. Die
Intelligenz ist im Heere vertreten durch die wenigen aus der Militürschnle von
Konstantinopel hervorgegangenen Offiziere; die Mehrzahl der Offiziere aber
steht an Bildung wenig oder gar nicht über ihren Untergebenen. Trotz feh¬
lender Bildung und Ausbildung aber geben Offiziere wie Mannschaften bei
der Folgsamkeit, der Ruhe im Gefecht, der Ausdauer und Genügsamkeit der
Türken ein sehr tüchtiges Material, dem nur die entsprechende Organisation
und Leitung fehlt, um mit ihm jede Operation erfolgreich durchzuführen.

Für die Mobilmachung des türkischen Heeres fehlte es an jedem Plane.
Schon seit Beginn der böhmischen Unruhen waren die Bataillone einzeln dahin
befördert worden, wo man sie gerade brauchte; dort wurden aus ihnen nach


aus dem ganzen Reiche ergänzte. Jedes Armeekorps zählte planmäßig 6 Regi¬
menter Infanterie zu 3 Bataillonen, 6 Schützenbataillone, 4 Kavallerie-Regi¬
menter, 1 Artillerie-Regiment und 1 Geniekompagnie. Das I. Korps war um
1 Infanterie-Regiment, 3 Kavallerie Regimenter, 1 Artillerie-Regiment und
1 Schützeubataillon stärker, ebenso das III. Korps um 4 Infanterie-Regimenter
und 2 Schtttzenbataillone (dabei ist eine gesetzlich nur in Bosnien selbst zu ver¬
wendende böhmische Brigade mitgezählt), dagegen waren das VI. und VII. Korps
um je 1 Infanterie-Regiment, 1 Schützenbataillon und 2 resp. 3 Kavallerie-Regi¬
menter schwächer. Im Ganzen zählte das stehende Heer 45 Infanterie-Regi¬
menter — 135 Bataillone, 43 Schützenbataillone, zusammen also 178 Bataillone;
26 Kavallerie-Regimenter mit je 6 (eins nur zu 5, eins zu 4), dazu 2 selbstän¬
dige Eskadrons, im Ganzen demnach 155 Eskadrons; 7 Feldartillerie-Regimenter
mit 102 Batterien, daneben 10 Regimenter Küsten- und Festnngs - Artillerie
und 2 Regimenter Artillerie-Handwerker; endlich 7 Kompagnien Sappeure.
Ein Korps von 16 Regimentern Gendarmen (Zaptie) bot gleichfalls eine für
den Kriegsdienst verwendbare Truppe.

An Landwehr sollte jeder der 45 Regiments-Ersatz-Bezirke je 4 Batail¬
lone 1. und 4 Bataillone 2. Aufgebots stellen, doch war die Errichtung der
Kadres noch nicht beendet. Für 60 Eskadrons und 6 Artillerie-Regimenter,
welche planmäßig aufzustellen waren, fehlten noch Organisationsplan und
Kadres. Für etwaige Aufbietung des Landstnrms war noch gar nichts vor¬
gesehen.

Neben der rein lokalen Eintheilung in Armeekorps gab es keine bestimmten
Divisions- und Brigade-Verbände. Auch die Regimenter waren dnrch Ab-
kvmmandirungen schon im Frieden vielfach zerrissen, so daß eigentlich das
Bataillon derjenige Truppenkörper war, über den vom Kriegsministerium aus
direkt verfügt wurde.

Einen Generalstab im europäischen Sinne besitzt die türkische Armee
nicht. Die höheren Führer wählen sich ihre Organe nach Gutdünken. Die
Intelligenz ist im Heere vertreten durch die wenigen aus der Militürschnle von
Konstantinopel hervorgegangenen Offiziere; die Mehrzahl der Offiziere aber
steht an Bildung wenig oder gar nicht über ihren Untergebenen. Trotz feh¬
lender Bildung und Ausbildung aber geben Offiziere wie Mannschaften bei
der Folgsamkeit, der Ruhe im Gefecht, der Ausdauer und Genügsamkeit der
Türken ein sehr tüchtiges Material, dem nur die entsprechende Organisation
und Leitung fehlt, um mit ihm jede Operation erfolgreich durchzuführen.

Für die Mobilmachung des türkischen Heeres fehlte es an jedem Plane.
Schon seit Beginn der böhmischen Unruhen waren die Bataillone einzeln dahin
befördert worden, wo man sie gerade brauchte; dort wurden aus ihnen nach


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[0065] aus dem ganzen Reiche ergänzte. Jedes Armeekorps zählte planmäßig 6 Regi¬ menter Infanterie zu 3 Bataillonen, 6 Schützenbataillone, 4 Kavallerie-Regi¬ menter, 1 Artillerie-Regiment und 1 Geniekompagnie. Das I. Korps war um 1 Infanterie-Regiment, 3 Kavallerie Regimenter, 1 Artillerie-Regiment und 1 Schützeubataillon stärker, ebenso das III. Korps um 4 Infanterie-Regimenter und 2 Schtttzenbataillone (dabei ist eine gesetzlich nur in Bosnien selbst zu ver¬ wendende böhmische Brigade mitgezählt), dagegen waren das VI. und VII. Korps um je 1 Infanterie-Regiment, 1 Schützenbataillon und 2 resp. 3 Kavallerie-Regi¬ menter schwächer. Im Ganzen zählte das stehende Heer 45 Infanterie-Regi¬ menter — 135 Bataillone, 43 Schützenbataillone, zusammen also 178 Bataillone; 26 Kavallerie-Regimenter mit je 6 (eins nur zu 5, eins zu 4), dazu 2 selbstän¬ dige Eskadrons, im Ganzen demnach 155 Eskadrons; 7 Feldartillerie-Regimenter mit 102 Batterien, daneben 10 Regimenter Küsten- und Festnngs - Artillerie und 2 Regimenter Artillerie-Handwerker; endlich 7 Kompagnien Sappeure. Ein Korps von 16 Regimentern Gendarmen (Zaptie) bot gleichfalls eine für den Kriegsdienst verwendbare Truppe. An Landwehr sollte jeder der 45 Regiments-Ersatz-Bezirke je 4 Batail¬ lone 1. und 4 Bataillone 2. Aufgebots stellen, doch war die Errichtung der Kadres noch nicht beendet. Für 60 Eskadrons und 6 Artillerie-Regimenter, welche planmäßig aufzustellen waren, fehlten noch Organisationsplan und Kadres. Für etwaige Aufbietung des Landstnrms war noch gar nichts vor¬ gesehen. Neben der rein lokalen Eintheilung in Armeekorps gab es keine bestimmten Divisions- und Brigade-Verbände. Auch die Regimenter waren dnrch Ab- kvmmandirungen schon im Frieden vielfach zerrissen, so daß eigentlich das Bataillon derjenige Truppenkörper war, über den vom Kriegsministerium aus direkt verfügt wurde. Einen Generalstab im europäischen Sinne besitzt die türkische Armee nicht. Die höheren Führer wählen sich ihre Organe nach Gutdünken. Die Intelligenz ist im Heere vertreten durch die wenigen aus der Militürschnle von Konstantinopel hervorgegangenen Offiziere; die Mehrzahl der Offiziere aber steht an Bildung wenig oder gar nicht über ihren Untergebenen. Trotz feh¬ lender Bildung und Ausbildung aber geben Offiziere wie Mannschaften bei der Folgsamkeit, der Ruhe im Gefecht, der Ausdauer und Genügsamkeit der Türken ein sehr tüchtiges Material, dem nur die entsprechende Organisation und Leitung fehlt, um mit ihm jede Operation erfolgreich durchzuführen. Für die Mobilmachung des türkischen Heeres fehlte es an jedem Plane. Schon seit Beginn der böhmischen Unruhen waren die Bataillone einzeln dahin befördert worden, wo man sie gerade brauchte; dort wurden aus ihnen nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/65>, abgerufen am 05.02.2025.