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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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hatte eine damals herrschende Seuche den Pferdebestand des Landes beträchtlich
gelichtet. Das von Aegypten gestellte Kontingent erreichte in Folge dieser Um¬
stände statt der vertragsmäßigen Stärke von 15 -- 20,000 Mann Infanterie,
2000 Reitern, 24 Geschützen, im Ganzen nnr eine Kopfstärke von rund 12,000
Mann. Darüber, aus welchen Truppentheileu dies Kontingent bestand, fehlen
bis jetzt verläßliche Angaben. Die Truppen zeigten sich in dem strengen Klima
wenig verwendbar und mußten bald aus der vorderen Linie zurückgezogen
werden. Ihre Hauptaufgabe blieb dann die Deckung von Varna gegen das
russische Dobrudscha-Korps.

Das steheude Heer von Tunis sollte planmäßig aus 5 Jnfanterie-Regi-
mentern zu 4 Bataillons, 2 Eskadrons und 2 Regimentern Artillerie bestehen
und auf Kriegsfuß rund 20,000 Mann zählen, woneben noch ca. 10,000 Ir¬
reguläre aufgeboten werden konnten. Das Land war zur Stellung vou 4000
Mann Fußvolk, 1000 Reitern und 8 Geschützen verpflichtet, es wußte aber
uuter allerhaud Vorwänden sich dieser Vasallenpflicht zu entziehen, und tune¬
sische Truppen kamen nirgends zum Vorschein.

Die Streitkräfte zu Wasser, über welche die Türkei gebot, setzten sich
zusammen aus 19 Panzerfahrzeugen zur Verwendung auf hoher See und 12
Panzerfahrzeugen der Twnan-Flotille. Von Verwendung uugepanzerter Schiffe
nahm nur wohl von vornherein Abstand, entgegen dem, was auf Seite der
Russen geschah. Die Schiffe waren theils Breitseitschiffe älterer Konstruktion,
theils Thurm-, theils Käsemade-Schiffe. Ihr Werth war also sehr verschieden.
Bei der Verwendung aber machte sich besonders der Mangel ausgebildeter
Offiziere und Mannschaften fühlbar. Die Wirksamkeit der Flotte war wider
Erwarten gering. Es wird genügen, ihrer zu erwähnen, wo einzelne Schiffe
sei's auf der Donau, sei's im schwarzen Meere in Thätigkeit traten.

Rußland stellt bei der großen Ausdehnung seines Gebietes und der
Verschiedenartigkeit der dasselbe bewohnenden Völkerschaften auch an die Wehr-
haftigkeit seiner Bewohner verschiedene Ansprüche. Innerhalb des Rahmens der
seit 1874 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht sind, abgesehen von den zahlreichen
Befreiungen vom Dienste, vier große Gruppen zu unterscheiden. Für die Haupt¬
masse der Bevölkerung gilt 20jährige Wehrverpflichtung und zwar in Europa
6 jährige aktive Dienstpflicht, 9 jährige Reservepflicht, für die übrigen 5 Jahre
Verpflichtung zur Reichswehr. Die nicht Ansgehobenen gehören vom 2l. bis
40. Lebensjahre der Reichswehr an, deren vier jüngste Jahrgänge im Be¬
darfsfalle noch zum Heere einberufen werden können, während die älteren be¬
sondere Truppenkörper bilden. In Asien gilt 7 jährige aktive Dienstpflicht,
und uur 3 jährige Reservepflicht. Abweichend davon ist die Wehrpflicht der


hatte eine damals herrschende Seuche den Pferdebestand des Landes beträchtlich
gelichtet. Das von Aegypten gestellte Kontingent erreichte in Folge dieser Um¬
stände statt der vertragsmäßigen Stärke von 15 — 20,000 Mann Infanterie,
2000 Reitern, 24 Geschützen, im Ganzen nnr eine Kopfstärke von rund 12,000
Mann. Darüber, aus welchen Truppentheileu dies Kontingent bestand, fehlen
bis jetzt verläßliche Angaben. Die Truppen zeigten sich in dem strengen Klima
wenig verwendbar und mußten bald aus der vorderen Linie zurückgezogen
werden. Ihre Hauptaufgabe blieb dann die Deckung von Varna gegen das
russische Dobrudscha-Korps.

Das steheude Heer von Tunis sollte planmäßig aus 5 Jnfanterie-Regi-
mentern zu 4 Bataillons, 2 Eskadrons und 2 Regimentern Artillerie bestehen
und auf Kriegsfuß rund 20,000 Mann zählen, woneben noch ca. 10,000 Ir¬
reguläre aufgeboten werden konnten. Das Land war zur Stellung vou 4000
Mann Fußvolk, 1000 Reitern und 8 Geschützen verpflichtet, es wußte aber
uuter allerhaud Vorwänden sich dieser Vasallenpflicht zu entziehen, und tune¬
sische Truppen kamen nirgends zum Vorschein.

Die Streitkräfte zu Wasser, über welche die Türkei gebot, setzten sich
zusammen aus 19 Panzerfahrzeugen zur Verwendung auf hoher See und 12
Panzerfahrzeugen der Twnan-Flotille. Von Verwendung uugepanzerter Schiffe
nahm nur wohl von vornherein Abstand, entgegen dem, was auf Seite der
Russen geschah. Die Schiffe waren theils Breitseitschiffe älterer Konstruktion,
theils Thurm-, theils Käsemade-Schiffe. Ihr Werth war also sehr verschieden.
Bei der Verwendung aber machte sich besonders der Mangel ausgebildeter
Offiziere und Mannschaften fühlbar. Die Wirksamkeit der Flotte war wider
Erwarten gering. Es wird genügen, ihrer zu erwähnen, wo einzelne Schiffe
sei's auf der Donau, sei's im schwarzen Meere in Thätigkeit traten.

Rußland stellt bei der großen Ausdehnung seines Gebietes und der
Verschiedenartigkeit der dasselbe bewohnenden Völkerschaften auch an die Wehr-
haftigkeit seiner Bewohner verschiedene Ansprüche. Innerhalb des Rahmens der
seit 1874 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht sind, abgesehen von den zahlreichen
Befreiungen vom Dienste, vier große Gruppen zu unterscheiden. Für die Haupt¬
masse der Bevölkerung gilt 20jährige Wehrverpflichtung und zwar in Europa
6 jährige aktive Dienstpflicht, 9 jährige Reservepflicht, für die übrigen 5 Jahre
Verpflichtung zur Reichswehr. Die nicht Ansgehobenen gehören vom 2l. bis
40. Lebensjahre der Reichswehr an, deren vier jüngste Jahrgänge im Be¬
darfsfalle noch zum Heere einberufen werden können, während die älteren be¬
sondere Truppenkörper bilden. In Asien gilt 7 jährige aktive Dienstpflicht,
und uur 3 jährige Reservepflicht. Abweichend davon ist die Wehrpflicht der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/67>, abgerufen am 05.02.2025.