Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Verwaltuugsmechanismus absorvirte, so entging auch die Kirche diesem Ge¬ Ein anderes Moment, das uns die veränderte Stellung des Staates zu War so die staatskirchliche Gestalt des organischen Zusammenhangs beider *) Staatskirche, Freikirche, Landeskirche. Grenzboten 137S, Separatabdrnck, Leipzig, F. W. Grunow, 187S. Grenzboten 187S. IV. 59
Verwaltuugsmechanismus absorvirte, so entging auch die Kirche diesem Ge¬ Ein anderes Moment, das uns die veränderte Stellung des Staates zu War so die staatskirchliche Gestalt des organischen Zusammenhangs beider *) Staatskirche, Freikirche, Landeskirche. Grenzboten 137S, Separatabdrnck, Leipzig, F. W. Grunow, 187S. Grenzboten 187S. IV. 59
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Verwaltuugsmechanismus absorvirte, so entging auch die Kirche diesem Ge¬
schicke nicht.
Ein anderes Moment, das uns die veränderte Stellung des Staates zu
den Kirchen begreiflich macht, ist der Einfluß der modernen Philosophie, welche
den Gesichtskreis erweiterte und der Idee der Toleranz Raum schaffte.
War so die staatskirchliche Gestalt des organischen Zusammenhangs beider
Faktoren erschüttert und mußte im Laufe der Zeit in Folge der parlamenta-
tarischen Regierungsform auf der einen, in Folge des immer mächtiger wer¬
denden Dranges nach einer repräsentativen Kirchenverfcifsung auf der andern
Seite schließlich aufgelöst werden, so ergab sich damit noch keineswegs die
Nothwendigkeit, diesen organischen Zusammenhang selbst zu beseitigen, viel¬
mehr war es angezeigt, denselben in einer sowohl den gegenwärtigen Verhält¬
nissen als auch dem Begriff dieses Zusammenhanges entsprechenderen Gestalt
wieder herzustellen. Eine solche finden wir in der landeskirchlichen Verbindung
zwischen Staat und Kirche, wie sie jetzt in den meisten deutschen Territorien
besteht. Wir verkennen die unleugbaren Uebelstände dieses Verhältnisses nicht,
aber wir halten sie für geringer als die Nachtheile, welche für Staat und
Kirche aus der Zerreißung des in der Landeskirche sie verknüpfenden Bandes
entstehen würden. Ebenso verkennen wir auch nicht die Vorzüge freikirchlicher
Bildungen, wie sie sich uns in Amerika zeigen, aber weder halten wir sie im
Allgemeinen für so bedeutend, daß die sie begleitenden Nachtheile von ihnen
aufgewogen würden, noch erscheinen sie uns als ein Ziel, das für die deutschen
Verhältnisse erreichbar wäre, ohne die tiefsten Erschütterungen und die größten
Schädigungen für unser Volk herbeizuführen. Wir verzichten darauf, den
Beweis für diese Behauptungen hier von neuem zu führen und verweisen
auf unsere früheren eingehenden Erörterungen in diesen Blattern.") Nur dies
eine wollen wir bemerken. Baumgarten's Konstruktionen ruhen auf dem
fundamentalen Irrthum, daß er die pädagogischen Aufgaben verkennt, die Staat
und Kirche am Volke auszuüben haben. Daraus entspringt sein Radikalismus.
Daraus erklärt es sich auch, daß ihm alles Verständniß dafür fehlt, daß
die Einführung der obligatorischen Zivilehe einen so starken Widerstand ge¬
funden hat und in bestimmten Kreisen noch gegenwärtig keinen Beifall findet.,
Referent hat noch vor Einführung des Zivilehestandsregisters dieselbe als eine
unabweisliche Nothwendigkeit angesehen und sich in diesem Sinne in akade¬
mischen Vorlesungen ausgesprochen, aber das hat ihm immer fern gelegen,
die Widerstrebenden des Hierarchismus anzuklagen. Es war eine fehr ernste
*) Staatskirche, Freikirche, Landeskirche. Grenzboten 137S, Separatabdrnck, Leipzig,
F. W. Grunow, 187S.
Grenzboten 187S. IV. 59
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