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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Regimenter für einen Ausfall bereit zu halten, aber als er ans dem Lager
zog, waren noch keine Anstalten getroffen. "So ist's", sagte er achselzuckend,
"seit Anfang der Belagerung gewesen." Etwas vom Lager entfernt ließ er die
kleine Bedecknngsmannschaft halten und ritt dann mit seinen drei Offizieren
dem Sirdar und Amenoulah Khan mit seiner Umgebung entgegen. Nach den
gewöhnlichen Begrüßuugszeremonien bot der Engländer dem Sirdar ein präch¬
tiges Reitpferd zum Geschenk an, desgleichen ein Paar Pistolen, die ebenso
bereitwillig angenommen wurden, wie die noch Abends zuvor übersandten Pferde
und Kutsche. Man ließ sich auf einigen auf dem Boden ausgebreiteten Pferde¬
decken nieder, Sir William Mac-Naghteu neben dem Sirdar, Trevor und
Mackenzie hinter ihm. Mohamed Akbar wendet sich mit der Frage an den
Botschafter, ob er noch genullt sei, sämmtliche Punkte des Vertrages auszu¬
führen. In demselben Augenblicke, als Sir William dies bejahte, gewahren
die Engländer, wie ein Trupp bis an die Zähne bewaffneter Afghanen auf sie
zureitet und sie vollständig umzingelt. Akbar, die Bestürzung in den Zügen
der Engländer lesend, sagt in beschwichtigenden Tone: "Diese sind ebenfalls
in unsern Plan eingeweiht." Dann aber gibt er auch sofort das Signal zum
Angriffe. "Ich wandte mich um", erzählt Mackenzie, "und sah, wie der Sirdar
mit einem wahrhaft teuflische:: Ausdrucke im Gesichte Sir William am linken
Arme, ein Anderer ihn am rechten packte. So warfen sie den Unglücklichen
nieder;" -- Lawrence erzählt: "Plötzlich wurde ich festgehalten, der Pistolen
und des Degens beraubt und von Mohcuned Shah Khan mit den Worten
fortgezogen: "Wenn Euch das Leben lieb ist, so folgt mir." Als ich mich
umwandte, erblickte ich Mac-Naghten auf dem Boden liegend, und zwar mit
dem Kopfe da, wo vorher die Füße waren, die Hände von Akbar festgehalten,
und mit von Furcht und Entsetzen entstelltem Antlitz." Akbar beabsichtigte
wohl eigentlich den Botschafter nur als Geisel zu behalten; es scheint aber,
daß derselbe verzweifelten Widerstand leistete, nach kurzem Ringen zog der
Sirdar die Pistole und schoß ihn durch die Brust. Die Leiche wurde sofort
in Stücke gehauen, der Kopf im Triumph durch die Straßen von Cabnl ge¬
tragen, die übrigen blutigen Reste auf dem Marktplatze zur Schau ausgelegt.
In den nun folgenden Auftritten furchtbarer Aufregung ließen dennoch die
afghanischen Führer politische Rücksichten nicht ganz aus dem Auge und blieben
sich dessen wohl bewußt, daß die englische Regierung mächtig genug sei, schwere
Rache zu nehmen. Und so thaten sie in der That Alles, was in ihren Kräften
stand, um die Gefangenen gegen die Wuth der Menge zu schützen, ja Einzelne
warfen sich sogar mit Lebensgefahr dem entfesselten Pöbel entgegen und
empfingen die den Engländern zugedachten Wunden. Trevor stürzte vom
Pferde und wurde erbarmungslos niedergemacht, sei" Leichnam durch die


Regimenter für einen Ausfall bereit zu halten, aber als er ans dem Lager
zog, waren noch keine Anstalten getroffen. „So ist's", sagte er achselzuckend,
„seit Anfang der Belagerung gewesen." Etwas vom Lager entfernt ließ er die
kleine Bedecknngsmannschaft halten und ritt dann mit seinen drei Offizieren
dem Sirdar und Amenoulah Khan mit seiner Umgebung entgegen. Nach den
gewöhnlichen Begrüßuugszeremonien bot der Engländer dem Sirdar ein präch¬
tiges Reitpferd zum Geschenk an, desgleichen ein Paar Pistolen, die ebenso
bereitwillig angenommen wurden, wie die noch Abends zuvor übersandten Pferde
und Kutsche. Man ließ sich auf einigen auf dem Boden ausgebreiteten Pferde¬
decken nieder, Sir William Mac-Naghteu neben dem Sirdar, Trevor und
Mackenzie hinter ihm. Mohamed Akbar wendet sich mit der Frage an den
Botschafter, ob er noch genullt sei, sämmtliche Punkte des Vertrages auszu¬
führen. In demselben Augenblicke, als Sir William dies bejahte, gewahren
die Engländer, wie ein Trupp bis an die Zähne bewaffneter Afghanen auf sie
zureitet und sie vollständig umzingelt. Akbar, die Bestürzung in den Zügen
der Engländer lesend, sagt in beschwichtigenden Tone: „Diese sind ebenfalls
in unsern Plan eingeweiht." Dann aber gibt er auch sofort das Signal zum
Angriffe. „Ich wandte mich um", erzählt Mackenzie, „und sah, wie der Sirdar
mit einem wahrhaft teuflische:: Ausdrucke im Gesichte Sir William am linken
Arme, ein Anderer ihn am rechten packte. So warfen sie den Unglücklichen
nieder;" — Lawrence erzählt: „Plötzlich wurde ich festgehalten, der Pistolen
und des Degens beraubt und von Mohcuned Shah Khan mit den Worten
fortgezogen: „Wenn Euch das Leben lieb ist, so folgt mir." Als ich mich
umwandte, erblickte ich Mac-Naghten auf dem Boden liegend, und zwar mit
dem Kopfe da, wo vorher die Füße waren, die Hände von Akbar festgehalten,
und mit von Furcht und Entsetzen entstelltem Antlitz." Akbar beabsichtigte
wohl eigentlich den Botschafter nur als Geisel zu behalten; es scheint aber,
daß derselbe verzweifelten Widerstand leistete, nach kurzem Ringen zog der
Sirdar die Pistole und schoß ihn durch die Brust. Die Leiche wurde sofort
in Stücke gehauen, der Kopf im Triumph durch die Straßen von Cabnl ge¬
tragen, die übrigen blutigen Reste auf dem Marktplatze zur Schau ausgelegt.
In den nun folgenden Auftritten furchtbarer Aufregung ließen dennoch die
afghanischen Führer politische Rücksichten nicht ganz aus dem Auge und blieben
sich dessen wohl bewußt, daß die englische Regierung mächtig genug sei, schwere
Rache zu nehmen. Und so thaten sie in der That Alles, was in ihren Kräften
stand, um die Gefangenen gegen die Wuth der Menge zu schützen, ja Einzelne
warfen sich sogar mit Lebensgefahr dem entfesselten Pöbel entgegen und
empfingen die den Engländern zugedachten Wunden. Trevor stürzte vom
Pferde und wurde erbarmungslos niedergemacht, sei» Leichnam durch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/385>, abgerufen am 05.02.2025.