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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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gewesen zu sein, denn die beiden Häuptlinge riefen beim Abschiede: "Auf dem
Schlachtfelds sehen wir uns wieder." Am 7. gewahrte man mit Entsetzen, daß
die vorhandenen Rationen kaum noch für vierundzwanzig Stunden ausreichen
konnten. Es gelang wohl einem, nach der Zitadelle abgeschickten Detachement,
ein mäßiges Quantum Zufuhr einzubringen, jedoch Mac-Naghten verlor all-
mülig selbst den Muth und richtete uuter Beibehaltung der üblichen Formen
an Elphinstone einen offenen Brief mit der offiziellen Anfrage, ob es nach
seiner Ansicht noch einen andern Ausweg als den gäbe, auf möglichst günstige
Bedingungen hin mit dem Feinde zu unterhandeln. Die Antwort des Generals
lautete dahin, daß der Botschafter keine Zeit verlieren dürfe, die Unterhand¬
lungen anzuknüpfen.

Am 11. Dezember zog Mac-Naghten mit den Hauptleuten Lawrence,
Mackenzie und Trevor aus dem Lager und traf mit den Afghanen zusammen.
Den Letzteren wurde vorgehalten, daß der indischen Regierung lediglich die
Wohlfahrt des afghanischen Volkes am Herzen gelegen, indem sie einen
Fürsten ans den Thron erhob, der sich von jeher der Gunst des Volkes zu
erfreuen gehabt habe. Da indessen nun einmal die Sympathien der Be¬
völkerung eine wesentlich andere Richtung eingeschlagen hätten, so wolle die
englische Regierung fernerhin keinen bestimmenden Einfluß darauf auszuüben
versuchen und sei bereit, sich aus Unterhandlungen einzulassen. Mohamed Akbar
und Osman Khan erklärten ebenfalls ihre Geneigtheit, und nun verlas der
Botschafter den Vertragsentwurf. Die allgemeinen Bedingungen lauteten dahin,
daß die Engländer Afghanistan mit Einschluß von Cabul, Candcihar, Ghizni
und allen anderen Wasserplätzen räumen sollten. Den Engländern wird nicht
nur ungefährdeter Abzug nach Indien, sondern auch vollständige Verpflegung
auf der ganzen Marschroute zugesichert. Der Emir Dose-Mohamed, Akbar's
Vater, dessen Familie und alle noch gefangen gehaltenen Afghanen werden in
Freiheit gesetzt. Schah Svudja darf mit den Seinigen in Cabnl bleiben oder
mit den Engländern nach Indien abziehen; in beiden Fällen sichert ihm die
afghanische Regierung einen Jahresgehalt von 1 Lak Rupien zu. Alle Af¬
ghanen, die sich den Engländern angeschlossen haben, werden cunnestirt, alle
Gefangenen ausgelöst. Die englischen Truppen betreten den afghanischen Boden
nicht wieder, es sei denn, daß sie von der Negierung selbst herbeigerufen würden.
Zwischen beiden Regierungen wird ein ewiges Freundschaftsbündnis; geschlossen.^
Im afghanischen Kriegsrath sträubte sich nnr Akbar gegen die Verpflegung der
britischen Truppen und die Amnestie, wurde aber überstimmt. Der Hauptmann
Trevor wurde als Geisel gestellt. -- Schon während die Verhandlungen noch
im Gange waren, wurden im englischen Lager lebhafte Besorgnisse wegen der
persönlichen Sicherheit des Botschafters gehört. Er hatte eine ganz schwache


gewesen zu sein, denn die beiden Häuptlinge riefen beim Abschiede: „Auf dem
Schlachtfelds sehen wir uns wieder." Am 7. gewahrte man mit Entsetzen, daß
die vorhandenen Rationen kaum noch für vierundzwanzig Stunden ausreichen
konnten. Es gelang wohl einem, nach der Zitadelle abgeschickten Detachement,
ein mäßiges Quantum Zufuhr einzubringen, jedoch Mac-Naghten verlor all-
mülig selbst den Muth und richtete uuter Beibehaltung der üblichen Formen
an Elphinstone einen offenen Brief mit der offiziellen Anfrage, ob es nach
seiner Ansicht noch einen andern Ausweg als den gäbe, auf möglichst günstige
Bedingungen hin mit dem Feinde zu unterhandeln. Die Antwort des Generals
lautete dahin, daß der Botschafter keine Zeit verlieren dürfe, die Unterhand¬
lungen anzuknüpfen.

Am 11. Dezember zog Mac-Naghten mit den Hauptleuten Lawrence,
Mackenzie und Trevor aus dem Lager und traf mit den Afghanen zusammen.
Den Letzteren wurde vorgehalten, daß der indischen Regierung lediglich die
Wohlfahrt des afghanischen Volkes am Herzen gelegen, indem sie einen
Fürsten ans den Thron erhob, der sich von jeher der Gunst des Volkes zu
erfreuen gehabt habe. Da indessen nun einmal die Sympathien der Be¬
völkerung eine wesentlich andere Richtung eingeschlagen hätten, so wolle die
englische Regierung fernerhin keinen bestimmenden Einfluß darauf auszuüben
versuchen und sei bereit, sich aus Unterhandlungen einzulassen. Mohamed Akbar
und Osman Khan erklärten ebenfalls ihre Geneigtheit, und nun verlas der
Botschafter den Vertragsentwurf. Die allgemeinen Bedingungen lauteten dahin,
daß die Engländer Afghanistan mit Einschluß von Cabul, Candcihar, Ghizni
und allen anderen Wasserplätzen räumen sollten. Den Engländern wird nicht
nur ungefährdeter Abzug nach Indien, sondern auch vollständige Verpflegung
auf der ganzen Marschroute zugesichert. Der Emir Dose-Mohamed, Akbar's
Vater, dessen Familie und alle noch gefangen gehaltenen Afghanen werden in
Freiheit gesetzt. Schah Svudja darf mit den Seinigen in Cabnl bleiben oder
mit den Engländern nach Indien abziehen; in beiden Fällen sichert ihm die
afghanische Regierung einen Jahresgehalt von 1 Lak Rupien zu. Alle Af¬
ghanen, die sich den Engländern angeschlossen haben, werden cunnestirt, alle
Gefangenen ausgelöst. Die englischen Truppen betreten den afghanischen Boden
nicht wieder, es sei denn, daß sie von der Negierung selbst herbeigerufen würden.
Zwischen beiden Regierungen wird ein ewiges Freundschaftsbündnis; geschlossen.^
Im afghanischen Kriegsrath sträubte sich nnr Akbar gegen die Verpflegung der
britischen Truppen und die Amnestie, wurde aber überstimmt. Der Hauptmann
Trevor wurde als Geisel gestellt. — Schon während die Verhandlungen noch
im Gange waren, wurden im englischen Lager lebhafte Besorgnisse wegen der
persönlichen Sicherheit des Botschafters gehört. Er hatte eine ganz schwache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/382>, abgerufen am 05.02.2025.