Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Abends wieder einziehen sehen, war es keinem der dienstthuenden englischen Amenoulcih Khan und Abdoulah Khan, zwei sehr einflußreiche Männer, Abends wieder einziehen sehen, war es keinem der dienstthuenden englischen Amenoulcih Khan und Abdoulah Khan, zwei sehr einflußreiche Männer, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141259"/> <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> Abends wieder einziehen sehen, war es keinem der dienstthuenden englischen<lb/> Offiziere eingefallen, sie anhalten zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1282" next="#ID_1283"> Amenoulcih Khan und Abdoulah Khan, zwei sehr einflußreiche Männer,<lb/> waren die eigentlichen Leiter dieser ersten Erhebung. Der Erstere war zwar<lb/> nur der Sohn eines Kcnneeltreibers, hatte sich aber vermöge seiner ungewöhn¬<lb/> lichen Begabung zu einer so bedeutenden Machtstellung emporgeschwungen, daß<lb/> er gegen zehntausend Mann auf eigene Faust in's Feld stellen konnte. Welches<lb/> Scheusal er im Uebrigen war, zeigt die Art, wie er sich eines ältern Bruders<lb/> entledigte. Er ließ denselben bis an den Hals in die Erde eingraben, einen<lb/> Strick um ihn schlingen und ein eben wild eingefangenes Pferd daran spannen,<lb/> auf welches dann so lange losgepeitscht wurde, bis der Kops des Schlachtopfers<lb/> vom Rumpfe gerissen war. In den Klauen solcher Menschen befanden sich<lb/> jetzt die Engländer. Am 2. November 1841 kam die Empörung in der Haupt¬<lb/> stadt zum offenen Ausbruch. „Früh am Morgen," erzählt Eyre, „hatten wir<lb/> von der Stadt her die beunruhigende Nachricht erhalten, daß ein Volksaufstand<lb/> ausgebrochen, alle Läden geschlossen und ein allgemeiner Angriff auf die Häuser<lb/> sämmtlicher in Cabul wohnenden Offiziere gemacht worden sei." Unter den<lb/> Letzteren befand sich, wie schon bemerkt, Alexander Burnes. Mac-Naghten und<lb/> Geueral Elphinstone weilten im Lager vor der Stadt, Major Pottinger in<lb/> Kohistan, der Schah in Baka-Hissar, der Zitadelle von Cabul. Um 9 Morgens<lb/> erhielt Mac-Naghten von Burnes die Meldung, daß in der Stadt die größte<lb/> Aufregung herrsche. Jedoch hoffe er noch ihrer Meister zu werden. Dieses<lb/> waren die letzten Zeilen, die der Unglückliche zu Papier gebracht hat, denn<lb/> schon nach einer Stunde lief die Nachricht von seiner Ermordung ein. Er<lb/> scheint im irrigen Vertrauen auf die im Volke herrschende Stimmung alle<lb/> wohlgemeinten Rathschläge, namentlich den, sich in die Zitadelle zurückzuziehen,<lb/> zurückgewiesen zu haben. Als seine Wohnung angegriffen wurde, verbot er<lb/> seinen Leuten, Feuer zu geben, und trat auf eine Terrasse hinaus, um eine be¬<lb/> schwichtigende Ansprache an die Afghanen zu richten. Aber das Hans wurde<lb/> trotz des verzweifelten Widerstandes der indischen Soldaten, welche sämmtlich<lb/> fielen, erstürmt und er selbst, sowie sein älterer Bruder und alle noch lebend<lb/> Angetroffenen, Männer, Frauen und Kinder erbarmungslos niedergemetzelt. Der<lb/> Schah Soudja schickte von der Zitadelle aus einen seiner Söhne mit einer<lb/> Truppenabtheilung, um die Ordnung wiederherzustellen, aber sie wurden zurück¬<lb/> geworfen. Jetzt erst gingen den Engländern die Augen über den unverzeih¬<lb/> licher Fehler auf, den sie begangen hatten, indem sie die Forts in den Händen<lb/> der Afghanen ließen. Statt sich auf einer die ganze Stadt beherrschenden An¬<lb/> höhe zu verschanzen, hatten sie ihre Streitkräfte zersplittert und dazu noch die<lb/> Magazine außerhalb des Lagers und überdies das letztere unverhültnißmäßig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
Abends wieder einziehen sehen, war es keinem der dienstthuenden englischen
Offiziere eingefallen, sie anhalten zu lassen.
Amenoulcih Khan und Abdoulah Khan, zwei sehr einflußreiche Männer,
waren die eigentlichen Leiter dieser ersten Erhebung. Der Erstere war zwar
nur der Sohn eines Kcnneeltreibers, hatte sich aber vermöge seiner ungewöhn¬
lichen Begabung zu einer so bedeutenden Machtstellung emporgeschwungen, daß
er gegen zehntausend Mann auf eigene Faust in's Feld stellen konnte. Welches
Scheusal er im Uebrigen war, zeigt die Art, wie er sich eines ältern Bruders
entledigte. Er ließ denselben bis an den Hals in die Erde eingraben, einen
Strick um ihn schlingen und ein eben wild eingefangenes Pferd daran spannen,
auf welches dann so lange losgepeitscht wurde, bis der Kops des Schlachtopfers
vom Rumpfe gerissen war. In den Klauen solcher Menschen befanden sich
jetzt die Engländer. Am 2. November 1841 kam die Empörung in der Haupt¬
stadt zum offenen Ausbruch. „Früh am Morgen," erzählt Eyre, „hatten wir
von der Stadt her die beunruhigende Nachricht erhalten, daß ein Volksaufstand
ausgebrochen, alle Läden geschlossen und ein allgemeiner Angriff auf die Häuser
sämmtlicher in Cabul wohnenden Offiziere gemacht worden sei." Unter den
Letzteren befand sich, wie schon bemerkt, Alexander Burnes. Mac-Naghten und
Geueral Elphinstone weilten im Lager vor der Stadt, Major Pottinger in
Kohistan, der Schah in Baka-Hissar, der Zitadelle von Cabul. Um 9 Morgens
erhielt Mac-Naghten von Burnes die Meldung, daß in der Stadt die größte
Aufregung herrsche. Jedoch hoffe er noch ihrer Meister zu werden. Dieses
waren die letzten Zeilen, die der Unglückliche zu Papier gebracht hat, denn
schon nach einer Stunde lief die Nachricht von seiner Ermordung ein. Er
scheint im irrigen Vertrauen auf die im Volke herrschende Stimmung alle
wohlgemeinten Rathschläge, namentlich den, sich in die Zitadelle zurückzuziehen,
zurückgewiesen zu haben. Als seine Wohnung angegriffen wurde, verbot er
seinen Leuten, Feuer zu geben, und trat auf eine Terrasse hinaus, um eine be¬
schwichtigende Ansprache an die Afghanen zu richten. Aber das Hans wurde
trotz des verzweifelten Widerstandes der indischen Soldaten, welche sämmtlich
fielen, erstürmt und er selbst, sowie sein älterer Bruder und alle noch lebend
Angetroffenen, Männer, Frauen und Kinder erbarmungslos niedergemetzelt. Der
Schah Soudja schickte von der Zitadelle aus einen seiner Söhne mit einer
Truppenabtheilung, um die Ordnung wiederherzustellen, aber sie wurden zurück¬
geworfen. Jetzt erst gingen den Engländern die Augen über den unverzeih¬
licher Fehler auf, den sie begangen hatten, indem sie die Forts in den Händen
der Afghanen ließen. Statt sich auf einer die ganze Stadt beherrschenden An¬
höhe zu verschanzen, hatten sie ihre Streitkräfte zersplittert und dazu noch die
Magazine außerhalb des Lagers und überdies das letztere unverhültnißmäßig
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