Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

General Elphinstone fand, als er im April 1841 eintraf, um das Kom¬
mando zu übernehmen, das englische Heer in einem Winkel des Landes von
jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen und die Bevölkerung scheinbar
durchaus friedlich gestimmt. Und dennoch wartete dieselbe nur auf ein Zeichen,
um loszuschlagen. Elphinstone ließ sich durch den Schein trügen und fiel
seiner Kurzsichtigkeit zum Opfer. Auch Sir William Mac-Naghten, Sir
Alexander Burnes und Major Pottinger waren wie mit Blindheit geschlagen.
Sie ließen die Empörung unter ihren Augen entstehen und um sich greifen,
thaten nicht das Geringste zu ihrer Unterdrückung und befanden sich im Zu¬
stande völliger Rathlosigkeit, als bereits die Flamme zum Hause herausschlug.

Die ersten Kundgebungen des Aufstandes gingen von den Ghilzis aus,
dem volkreichsten und unbezähmbarsten afghanischen Nomadenstämme, die sich
anch während des verhängnißvollen Rückzuges als unbarmherzige, unversöhn¬
liche Feinde der Briten erwiesen. Von den übrigen Stämmen, in welche die
Afghanen zerfallen, ist der mächtigste der der Dourcmis, bei welchen wiederum
die Familien der Suddozis und der Barukzis damals das meiste Ansehen ge¬
nossen. Die ersteren, aus welchen der von den Engländern wieder auf den
Thron gesetzte Schah Soudja stammte, galten als das eigentliche Königsge¬
schlecht. Dose-Mohamed dagegen, der von ihnen Abgesetzte, war ein Barukzi.
Sein Sohn Mohamed Akbar Khan warf sich zum Haupte der Insurrektion
auf und hatte es also sowohl mit den Engländern als auch mit dem Schah
Soudja zu thun. Seit der Absetzung des Vaters lebte er als Flüchtling im
Norden des Landes unfern der Grenze von Turkestan und bereitete daselbst
im Stillen Alles auf eine allgemeine Erhebung vor. Seinem in englischer
Gefangenschaft befindlichen Vater gelang es nicht, ihn zur Unterwerfung zu
überreden.

In den ersten Tagen des Oktober traf die Botschaft ein, daß Mohamed
Akbar von Norden her in's Land eingerückt sei. Gleichzeitig zogen mehrere
Ghilzis aus Cabul ab und bemächtigten sich eines unfern der Stadt gelegenen
Forts. Hierdurch war die Verbindung mit Indien abgeschnitten. Um dieselbe
wieder herzustellen, schickte Lord Elphinstone eine Brigade ab, welche das jen¬
seits des Gebirges gelegene Jellabad zu besetzen hatte. Inzwischen hatte die
Bevölkerung von Cabul selbst wenige Tage vor dem unzweideutigen Abzüge der
Ghilzis den Engländern deutliche Beweise ihrer Gesinnung gegeben. Offiziere
waren gröblich beleidigt, zwei europäische Zivilisten ermordet worden. Und es
war nicht unbemerkt geblieben, daß eine große Anzahl derer, welche die Brigade
des Generals Sale angegriffen, zu den Leuten der in Cabul wohnenden
Häuptlinge gehörten. Obwohl man sie früh Morgens hatte ausrücken und


General Elphinstone fand, als er im April 1841 eintraf, um das Kom¬
mando zu übernehmen, das englische Heer in einem Winkel des Landes von
jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen und die Bevölkerung scheinbar
durchaus friedlich gestimmt. Und dennoch wartete dieselbe nur auf ein Zeichen,
um loszuschlagen. Elphinstone ließ sich durch den Schein trügen und fiel
seiner Kurzsichtigkeit zum Opfer. Auch Sir William Mac-Naghten, Sir
Alexander Burnes und Major Pottinger waren wie mit Blindheit geschlagen.
Sie ließen die Empörung unter ihren Augen entstehen und um sich greifen,
thaten nicht das Geringste zu ihrer Unterdrückung und befanden sich im Zu¬
stande völliger Rathlosigkeit, als bereits die Flamme zum Hause herausschlug.

Die ersten Kundgebungen des Aufstandes gingen von den Ghilzis aus,
dem volkreichsten und unbezähmbarsten afghanischen Nomadenstämme, die sich
anch während des verhängnißvollen Rückzuges als unbarmherzige, unversöhn¬
liche Feinde der Briten erwiesen. Von den übrigen Stämmen, in welche die
Afghanen zerfallen, ist der mächtigste der der Dourcmis, bei welchen wiederum
die Familien der Suddozis und der Barukzis damals das meiste Ansehen ge¬
nossen. Die ersteren, aus welchen der von den Engländern wieder auf den
Thron gesetzte Schah Soudja stammte, galten als das eigentliche Königsge¬
schlecht. Dose-Mohamed dagegen, der von ihnen Abgesetzte, war ein Barukzi.
Sein Sohn Mohamed Akbar Khan warf sich zum Haupte der Insurrektion
auf und hatte es also sowohl mit den Engländern als auch mit dem Schah
Soudja zu thun. Seit der Absetzung des Vaters lebte er als Flüchtling im
Norden des Landes unfern der Grenze von Turkestan und bereitete daselbst
im Stillen Alles auf eine allgemeine Erhebung vor. Seinem in englischer
Gefangenschaft befindlichen Vater gelang es nicht, ihn zur Unterwerfung zu
überreden.

In den ersten Tagen des Oktober traf die Botschaft ein, daß Mohamed
Akbar von Norden her in's Land eingerückt sei. Gleichzeitig zogen mehrere
Ghilzis aus Cabul ab und bemächtigten sich eines unfern der Stadt gelegenen
Forts. Hierdurch war die Verbindung mit Indien abgeschnitten. Um dieselbe
wieder herzustellen, schickte Lord Elphinstone eine Brigade ab, welche das jen¬
seits des Gebirges gelegene Jellabad zu besetzen hatte. Inzwischen hatte die
Bevölkerung von Cabul selbst wenige Tage vor dem unzweideutigen Abzüge der
Ghilzis den Engländern deutliche Beweise ihrer Gesinnung gegeben. Offiziere
waren gröblich beleidigt, zwei europäische Zivilisten ermordet worden. Und es
war nicht unbemerkt geblieben, daß eine große Anzahl derer, welche die Brigade
des Generals Sale angegriffen, zu den Leuten der in Cabul wohnenden
Häuptlinge gehörten. Obwohl man sie früh Morgens hatte ausrücken und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141258"/>
          <p xml:id="ID_1278"> General Elphinstone fand, als er im April 1841 eintraf, um das Kom¬<lb/>
mando zu übernehmen, das englische Heer in einem Winkel des Landes von<lb/>
jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen und die Bevölkerung scheinbar<lb/>
durchaus friedlich gestimmt. Und dennoch wartete dieselbe nur auf ein Zeichen,<lb/>
um loszuschlagen. Elphinstone ließ sich durch den Schein trügen und fiel<lb/>
seiner Kurzsichtigkeit zum Opfer. Auch Sir William Mac-Naghten, Sir<lb/>
Alexander Burnes und Major Pottinger waren wie mit Blindheit geschlagen.<lb/>
Sie ließen die Empörung unter ihren Augen entstehen und um sich greifen,<lb/>
thaten nicht das Geringste zu ihrer Unterdrückung und befanden sich im Zu¬<lb/>
stande völliger Rathlosigkeit, als bereits die Flamme zum Hause herausschlug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1279"> Die ersten Kundgebungen des Aufstandes gingen von den Ghilzis aus,<lb/>
dem volkreichsten und unbezähmbarsten afghanischen Nomadenstämme, die sich<lb/>
anch während des verhängnißvollen Rückzuges als unbarmherzige, unversöhn¬<lb/>
liche Feinde der Briten erwiesen. Von den übrigen Stämmen, in welche die<lb/>
Afghanen zerfallen, ist der mächtigste der der Dourcmis, bei welchen wiederum<lb/>
die Familien der Suddozis und der Barukzis damals das meiste Ansehen ge¬<lb/>
nossen. Die ersteren, aus welchen der von den Engländern wieder auf den<lb/>
Thron gesetzte Schah Soudja stammte, galten als das eigentliche Königsge¬<lb/>
schlecht. Dose-Mohamed dagegen, der von ihnen Abgesetzte, war ein Barukzi.<lb/>
Sein Sohn Mohamed Akbar Khan warf sich zum Haupte der Insurrektion<lb/>
auf und hatte es also sowohl mit den Engländern als auch mit dem Schah<lb/>
Soudja zu thun. Seit der Absetzung des Vaters lebte er als Flüchtling im<lb/>
Norden des Landes unfern der Grenze von Turkestan und bereitete daselbst<lb/>
im Stillen Alles auf eine allgemeine Erhebung vor. Seinem in englischer<lb/>
Gefangenschaft befindlichen Vater gelang es nicht, ihn zur Unterwerfung zu<lb/>
überreden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1280" next="#ID_1281"> In den ersten Tagen des Oktober traf die Botschaft ein, daß Mohamed<lb/>
Akbar von Norden her in's Land eingerückt sei. Gleichzeitig zogen mehrere<lb/>
Ghilzis aus Cabul ab und bemächtigten sich eines unfern der Stadt gelegenen<lb/>
Forts. Hierdurch war die Verbindung mit Indien abgeschnitten. Um dieselbe<lb/>
wieder herzustellen, schickte Lord Elphinstone eine Brigade ab, welche das jen¬<lb/>
seits des Gebirges gelegene Jellabad zu besetzen hatte. Inzwischen hatte die<lb/>
Bevölkerung von Cabul selbst wenige Tage vor dem unzweideutigen Abzüge der<lb/>
Ghilzis den Engländern deutliche Beweise ihrer Gesinnung gegeben. Offiziere<lb/>
waren gröblich beleidigt, zwei europäische Zivilisten ermordet worden. Und es<lb/>
war nicht unbemerkt geblieben, daß eine große Anzahl derer, welche die Brigade<lb/>
des Generals Sale angegriffen, zu den Leuten der in Cabul wohnenden<lb/>
Häuptlinge gehörten.  Obwohl man sie früh Morgens hatte ausrücken und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] General Elphinstone fand, als er im April 1841 eintraf, um das Kom¬ mando zu übernehmen, das englische Heer in einem Winkel des Landes von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen und die Bevölkerung scheinbar durchaus friedlich gestimmt. Und dennoch wartete dieselbe nur auf ein Zeichen, um loszuschlagen. Elphinstone ließ sich durch den Schein trügen und fiel seiner Kurzsichtigkeit zum Opfer. Auch Sir William Mac-Naghten, Sir Alexander Burnes und Major Pottinger waren wie mit Blindheit geschlagen. Sie ließen die Empörung unter ihren Augen entstehen und um sich greifen, thaten nicht das Geringste zu ihrer Unterdrückung und befanden sich im Zu¬ stande völliger Rathlosigkeit, als bereits die Flamme zum Hause herausschlug. Die ersten Kundgebungen des Aufstandes gingen von den Ghilzis aus, dem volkreichsten und unbezähmbarsten afghanischen Nomadenstämme, die sich anch während des verhängnißvollen Rückzuges als unbarmherzige, unversöhn¬ liche Feinde der Briten erwiesen. Von den übrigen Stämmen, in welche die Afghanen zerfallen, ist der mächtigste der der Dourcmis, bei welchen wiederum die Familien der Suddozis und der Barukzis damals das meiste Ansehen ge¬ nossen. Die ersteren, aus welchen der von den Engländern wieder auf den Thron gesetzte Schah Soudja stammte, galten als das eigentliche Königsge¬ schlecht. Dose-Mohamed dagegen, der von ihnen Abgesetzte, war ein Barukzi. Sein Sohn Mohamed Akbar Khan warf sich zum Haupte der Insurrektion auf und hatte es also sowohl mit den Engländern als auch mit dem Schah Soudja zu thun. Seit der Absetzung des Vaters lebte er als Flüchtling im Norden des Landes unfern der Grenze von Turkestan und bereitete daselbst im Stillen Alles auf eine allgemeine Erhebung vor. Seinem in englischer Gefangenschaft befindlichen Vater gelang es nicht, ihn zur Unterwerfung zu überreden. In den ersten Tagen des Oktober traf die Botschaft ein, daß Mohamed Akbar von Norden her in's Land eingerückt sei. Gleichzeitig zogen mehrere Ghilzis aus Cabul ab und bemächtigten sich eines unfern der Stadt gelegenen Forts. Hierdurch war die Verbindung mit Indien abgeschnitten. Um dieselbe wieder herzustellen, schickte Lord Elphinstone eine Brigade ab, welche das jen¬ seits des Gebirges gelegene Jellabad zu besetzen hatte. Inzwischen hatte die Bevölkerung von Cabul selbst wenige Tage vor dem unzweideutigen Abzüge der Ghilzis den Engländern deutliche Beweise ihrer Gesinnung gegeben. Offiziere waren gröblich beleidigt, zwei europäische Zivilisten ermordet worden. Und es war nicht unbemerkt geblieben, daß eine große Anzahl derer, welche die Brigade des Generals Sale angegriffen, zu den Leuten der in Cabul wohnenden Häuptlinge gehörten. Obwohl man sie früh Morgens hatte ausrücken und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/379>, abgerufen am 05.02.2025.