Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte, so wurden sie verabschiedet und die Reise ohne ihr Geleit fortgesetzt.
Die Nacht wurde in einer kleinen Bucht unterhalb steiler rother Sandstein¬
felsabstürze verbracht. Der Strom hatte sich hier auf 900 Meter verengt, war
sehr tief und floß mit einer Stromgeschwindigkeit von drei Knoten in der
Stunde. Am 11. März wurde die Fahrt ohne Unfall fortgesetzt. Die Breite
des Stromes schwankte zwischen 900 und 1300 Meter, die bewaldeten Ab¬
hänge der Stromufer erhoben sich bis zu 180 Meter Höhe. Rothe Büffel
und Antilopen gab es in großer Menge auf dem rechten Ufer, doch wagte
Stanley nicht einen einzigen Schuß, aus Furcht, die Wilden zum Kriegsruf
zu veranlassen. Am 12. März war die Breite des Stromes plötzlich wieder
ans 1300, dann auf 2300 Meter gestiegen. Eine gewaltige seeartige Erweite¬
rung bot sich dem Auge. Eine lange Reihe von Klippen, ähnlich denen von
Dover, erinnerte Frank an England, das grasreiche Tafelland über den Klippen
an die Dünen von Kent, so daß er begeistert ausrief: "Ich fühle, daß wir
uns der Heimath nähern." Das Wasserbecken erschien auch von der Höhe
ans, die Frank erstieg, während Stanley die geographische Lage bestimmte, fast
kreisrund, wie ein großer Teich. Es wurde von Frank der "Stanley-Pfuhl"
genannt, die Felsen nannte er die "Dover-Klippen". Auch die Kreidesubstanz
der Felsen erinnerte an England. Die Einfahrt zum "Pfuhl" befindet sich
genan unter 4° 3' südl. Breite.

Die vom Fischfang lebenden Eingeborenen der Gegend erwiesen sich als
sehr gutmüthig und leidlich freigebig. Sie stillten gegen Entgelt den nagenden
Hunger der Mannschaft Stanley's. Der berühmte "König" von Ntamo kam
am 13. selbst zu Stanley auf Besuch und zeigte sich wohlwollend. Nur ver¬
langte er so bestimmt "die dickste Ziege Afrika's", die Stanley als die letzte von
sechs Paaren von Uregga, 1100 Meilen weit, bis hierher geführt hatte, daß
Widerstand Thorheit gewesen wäre. Im Gegensatze zu Tschumbiri erwies sich
aber dieser König wirklich dankbar für das außerordentliche Geschenk. Er
brachte so viel Nahrungsmittel, daß Stanley's Mannschaft sich einmal satt
essen konnte. Es that noth, denn die härtesten Anstrengungen standen ihr
nun bevor, da es galt, jene 32 wilden und großartigen Katarakte und jene ebenso
zahlreichen Stromschnellen mit Booten, Gepäck u. s. w. zu überwinden, welche
Stanley unter dem Namen der Livingstone-Fälle zusammengefaßt hat. Von
der Höhe und Raschheit des Absturzes, den der mächtige Strom auf der ver-
hältnißmäßig kurzen Strecke von hier (oberhalb des ersten Katarakts der Li-
vingstone-Fülle bei Ntamo) bis zum glatten Wasserspiegel des Congo (Living-
stone) durchmacht, gibt ein deutliches Bild die Thatsache, daß der Livingstone
von Nyangwe' an bis Ntamo d. h. auf einer Länge von 1235 Meilen nur
283,46 Meter gefallen war, daß er bei Ntamo noch eine Höhe von 349,59 Meter


hatte, so wurden sie verabschiedet und die Reise ohne ihr Geleit fortgesetzt.
Die Nacht wurde in einer kleinen Bucht unterhalb steiler rother Sandstein¬
felsabstürze verbracht. Der Strom hatte sich hier auf 900 Meter verengt, war
sehr tief und floß mit einer Stromgeschwindigkeit von drei Knoten in der
Stunde. Am 11. März wurde die Fahrt ohne Unfall fortgesetzt. Die Breite
des Stromes schwankte zwischen 900 und 1300 Meter, die bewaldeten Ab¬
hänge der Stromufer erhoben sich bis zu 180 Meter Höhe. Rothe Büffel
und Antilopen gab es in großer Menge auf dem rechten Ufer, doch wagte
Stanley nicht einen einzigen Schuß, aus Furcht, die Wilden zum Kriegsruf
zu veranlassen. Am 12. März war die Breite des Stromes plötzlich wieder
ans 1300, dann auf 2300 Meter gestiegen. Eine gewaltige seeartige Erweite¬
rung bot sich dem Auge. Eine lange Reihe von Klippen, ähnlich denen von
Dover, erinnerte Frank an England, das grasreiche Tafelland über den Klippen
an die Dünen von Kent, so daß er begeistert ausrief: „Ich fühle, daß wir
uns der Heimath nähern." Das Wasserbecken erschien auch von der Höhe
ans, die Frank erstieg, während Stanley die geographische Lage bestimmte, fast
kreisrund, wie ein großer Teich. Es wurde von Frank der „Stanley-Pfuhl"
genannt, die Felsen nannte er die „Dover-Klippen". Auch die Kreidesubstanz
der Felsen erinnerte an England. Die Einfahrt zum „Pfuhl" befindet sich
genan unter 4° 3' südl. Breite.

Die vom Fischfang lebenden Eingeborenen der Gegend erwiesen sich als
sehr gutmüthig und leidlich freigebig. Sie stillten gegen Entgelt den nagenden
Hunger der Mannschaft Stanley's. Der berühmte „König" von Ntamo kam
am 13. selbst zu Stanley auf Besuch und zeigte sich wohlwollend. Nur ver¬
langte er so bestimmt „die dickste Ziege Afrika's", die Stanley als die letzte von
sechs Paaren von Uregga, 1100 Meilen weit, bis hierher geführt hatte, daß
Widerstand Thorheit gewesen wäre. Im Gegensatze zu Tschumbiri erwies sich
aber dieser König wirklich dankbar für das außerordentliche Geschenk. Er
brachte so viel Nahrungsmittel, daß Stanley's Mannschaft sich einmal satt
essen konnte. Es that noth, denn die härtesten Anstrengungen standen ihr
nun bevor, da es galt, jene 32 wilden und großartigen Katarakte und jene ebenso
zahlreichen Stromschnellen mit Booten, Gepäck u. s. w. zu überwinden, welche
Stanley unter dem Namen der Livingstone-Fälle zusammengefaßt hat. Von
der Höhe und Raschheit des Absturzes, den der mächtige Strom auf der ver-
hältnißmäßig kurzen Strecke von hier (oberhalb des ersten Katarakts der Li-
vingstone-Fülle bei Ntamo) bis zum glatten Wasserspiegel des Congo (Living-
stone) durchmacht, gibt ein deutliches Bild die Thatsache, daß der Livingstone
von Nyangwe' an bis Ntamo d. h. auf einer Länge von 1235 Meilen nur
283,46 Meter gefallen war, daß er bei Ntamo noch eine Höhe von 349,59 Meter


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141232"/>
          <p xml:id="ID_1217" prev="#ID_1216"> hatte, so wurden sie verabschiedet und die Reise ohne ihr Geleit fortgesetzt.<lb/>
Die Nacht wurde in einer kleinen Bucht unterhalb steiler rother Sandstein¬<lb/>
felsabstürze verbracht. Der Strom hatte sich hier auf 900 Meter verengt, war<lb/>
sehr tief und floß mit einer Stromgeschwindigkeit von drei Knoten in der<lb/>
Stunde. Am 11. März wurde die Fahrt ohne Unfall fortgesetzt. Die Breite<lb/>
des Stromes schwankte zwischen 900 und 1300 Meter, die bewaldeten Ab¬<lb/>
hänge der Stromufer erhoben sich bis zu 180 Meter Höhe. Rothe Büffel<lb/>
und Antilopen gab es in großer Menge auf dem rechten Ufer, doch wagte<lb/>
Stanley nicht einen einzigen Schuß, aus Furcht, die Wilden zum Kriegsruf<lb/>
zu veranlassen. Am 12. März war die Breite des Stromes plötzlich wieder<lb/>
ans 1300, dann auf 2300 Meter gestiegen. Eine gewaltige seeartige Erweite¬<lb/>
rung bot sich dem Auge. Eine lange Reihe von Klippen, ähnlich denen von<lb/>
Dover, erinnerte Frank an England, das grasreiche Tafelland über den Klippen<lb/>
an die Dünen von Kent, so daß er begeistert ausrief: &#x201E;Ich fühle, daß wir<lb/>
uns der Heimath nähern." Das Wasserbecken erschien auch von der Höhe<lb/>
ans, die Frank erstieg, während Stanley die geographische Lage bestimmte, fast<lb/>
kreisrund, wie ein großer Teich. Es wurde von Frank der &#x201E;Stanley-Pfuhl"<lb/>
genannt, die Felsen nannte er die &#x201E;Dover-Klippen". Auch die Kreidesubstanz<lb/>
der Felsen erinnerte an England. Die Einfahrt zum &#x201E;Pfuhl" befindet sich<lb/>
genan unter 4° 3' südl. Breite.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1218" next="#ID_1219"> Die vom Fischfang lebenden Eingeborenen der Gegend erwiesen sich als<lb/>
sehr gutmüthig und leidlich freigebig. Sie stillten gegen Entgelt den nagenden<lb/>
Hunger der Mannschaft Stanley's. Der berühmte &#x201E;König" von Ntamo kam<lb/>
am 13. selbst zu Stanley auf Besuch und zeigte sich wohlwollend. Nur ver¬<lb/>
langte er so bestimmt &#x201E;die dickste Ziege Afrika's", die Stanley als die letzte von<lb/>
sechs Paaren von Uregga, 1100 Meilen weit, bis hierher geführt hatte, daß<lb/>
Widerstand Thorheit gewesen wäre. Im Gegensatze zu Tschumbiri erwies sich<lb/>
aber dieser König wirklich dankbar für das außerordentliche Geschenk. Er<lb/>
brachte so viel Nahrungsmittel, daß Stanley's Mannschaft sich einmal satt<lb/>
essen konnte. Es that noth, denn die härtesten Anstrengungen standen ihr<lb/>
nun bevor, da es galt, jene 32 wilden und großartigen Katarakte und jene ebenso<lb/>
zahlreichen Stromschnellen mit Booten, Gepäck u. s. w. zu überwinden, welche<lb/>
Stanley unter dem Namen der Livingstone-Fälle zusammengefaßt hat. Von<lb/>
der Höhe und Raschheit des Absturzes, den der mächtige Strom auf der ver-<lb/>
hältnißmäßig kurzen Strecke von hier (oberhalb des ersten Katarakts der Li-<lb/>
vingstone-Fülle bei Ntamo) bis zum glatten Wasserspiegel des Congo (Living-<lb/>
stone) durchmacht, gibt ein deutliches Bild die Thatsache, daß der Livingstone<lb/>
von Nyangwe' an bis Ntamo d. h. auf einer Länge von 1235 Meilen nur<lb/>
283,46 Meter gefallen war, daß er bei Ntamo noch eine Höhe von 349,59 Meter</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0353] hatte, so wurden sie verabschiedet und die Reise ohne ihr Geleit fortgesetzt. Die Nacht wurde in einer kleinen Bucht unterhalb steiler rother Sandstein¬ felsabstürze verbracht. Der Strom hatte sich hier auf 900 Meter verengt, war sehr tief und floß mit einer Stromgeschwindigkeit von drei Knoten in der Stunde. Am 11. März wurde die Fahrt ohne Unfall fortgesetzt. Die Breite des Stromes schwankte zwischen 900 und 1300 Meter, die bewaldeten Ab¬ hänge der Stromufer erhoben sich bis zu 180 Meter Höhe. Rothe Büffel und Antilopen gab es in großer Menge auf dem rechten Ufer, doch wagte Stanley nicht einen einzigen Schuß, aus Furcht, die Wilden zum Kriegsruf zu veranlassen. Am 12. März war die Breite des Stromes plötzlich wieder ans 1300, dann auf 2300 Meter gestiegen. Eine gewaltige seeartige Erweite¬ rung bot sich dem Auge. Eine lange Reihe von Klippen, ähnlich denen von Dover, erinnerte Frank an England, das grasreiche Tafelland über den Klippen an die Dünen von Kent, so daß er begeistert ausrief: „Ich fühle, daß wir uns der Heimath nähern." Das Wasserbecken erschien auch von der Höhe ans, die Frank erstieg, während Stanley die geographische Lage bestimmte, fast kreisrund, wie ein großer Teich. Es wurde von Frank der „Stanley-Pfuhl" genannt, die Felsen nannte er die „Dover-Klippen". Auch die Kreidesubstanz der Felsen erinnerte an England. Die Einfahrt zum „Pfuhl" befindet sich genan unter 4° 3' südl. Breite. Die vom Fischfang lebenden Eingeborenen der Gegend erwiesen sich als sehr gutmüthig und leidlich freigebig. Sie stillten gegen Entgelt den nagenden Hunger der Mannschaft Stanley's. Der berühmte „König" von Ntamo kam am 13. selbst zu Stanley auf Besuch und zeigte sich wohlwollend. Nur ver¬ langte er so bestimmt „die dickste Ziege Afrika's", die Stanley als die letzte von sechs Paaren von Uregga, 1100 Meilen weit, bis hierher geführt hatte, daß Widerstand Thorheit gewesen wäre. Im Gegensatze zu Tschumbiri erwies sich aber dieser König wirklich dankbar für das außerordentliche Geschenk. Er brachte so viel Nahrungsmittel, daß Stanley's Mannschaft sich einmal satt essen konnte. Es that noth, denn die härtesten Anstrengungen standen ihr nun bevor, da es galt, jene 32 wilden und großartigen Katarakte und jene ebenso zahlreichen Stromschnellen mit Booten, Gepäck u. s. w. zu überwinden, welche Stanley unter dem Namen der Livingstone-Fälle zusammengefaßt hat. Von der Höhe und Raschheit des Absturzes, den der mächtige Strom auf der ver- hältnißmäßig kurzen Strecke von hier (oberhalb des ersten Katarakts der Li- vingstone-Fülle bei Ntamo) bis zum glatten Wasserspiegel des Congo (Living- stone) durchmacht, gibt ein deutliches Bild die Thatsache, daß der Livingstone von Nyangwe' an bis Ntamo d. h. auf einer Länge von 1235 Meilen nur 283,46 Meter gefallen war, daß er bei Ntamo noch eine Höhe von 349,59 Meter

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/353
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/353>, abgerufen am 05.02.2025.