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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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über dem Ozean zeigte, und daß der Strom dagegen auf dem relativ so
kurzen Wege vom 17. bis zum 14. Längengrad, auf 38^ deutsche Meilen
Entfernung, 1100 Faß, d. h. beinahe bis zum Niveau des Meeresspiegel sällt.

Es kann nicht die Aufgabe dieses Berichtes sein, eingehend bei den außer¬
ordentlichen Anstrengungen zu verweilen, welche Stanley und seine Mann¬
schaft von Mitte Mürz an bis Ende Juli zur Ueberwindung dieser Natur¬
hindernisse anwenden mußten. Denn mit den kurzen Unterbrechungen, welche
dem Bootbau, der Ruhe und Erholung und -- der Trauer über die schmerzlichen
Verluste gewidmet waren, ist diese ganze Zeit von 4^/z Monaten lediglich im
Kampfe mit Stromschnellen und Katarakten verbraucht morden! Für die
geographische Forschung im großen Stil ist diese an Mühen und Verlusten
reichste Zeit der Stanley'schen Expedition naturgemäß die ärmste; denn der
Kampf mit der übermächtigen Naturkraft absorbirt fast alle anderen Interessen.
Es genügt daher hier eine Aufzählung der wesentlichsten Thatsachen. Jene
stille Einsamkeit des mit tausend Waldinseln bedeckten Flusses, jene träumende
lautlose Wasserwilduiß, durch welche Stanley mit den Seinen viele hundert
Meilen weit gefahren, war wie durch Zauberkraft verwandelt in eiuen von
Felsenklippen eingefaßten meilenlangen Schlund, durch welchen der Livingstone
mit unbeschreiblicher Wuth seine schäumenden Wellen in den breiten Congo
hinabschleudert. Gleich der erste Katarakt, bei welchem von rechts her in zwei
Armen, zu beiden Seiten der Insel Dschuemba, der Fluß Gordon Beunett
140 Meter breit einströmt, war von schauerlicher Großartigkeit. "Man denke
sich einen vier Meilen langen und eine halbe Meile breiten Streifen des
Ozeans", sagt Stanley, "und lasse einen Orkan auf ihn wüthen, und man
wird von diesen hochaufspringenden Wogen einen ziemlich genauen Begriff er¬
halten. Einige der Wassertröge waren 100 Meter laug, und von dem einen
stürzte sich der rasende Strom in den andern. Zuerst rauschte das Wasser
auf einer schiefen Ebene in den Grund eines ungeheuren Troges hinunter und
dann hob sich blos durch die Wucht seines mechanischen Gewichts das enorme
Wasservolumen steil empor, bis es, zu einem förmlichen Bergrücken ange¬
sammelt, plötzlich sich sechs bis neun Meter hoch gerade emporschlenderte, bevor
es sich zum nächsten Troge hinabwälzte. Wenn ich ans dieses furchtbar wilde
Natnrschauspiel auf- und niederblickte, sah ich jeden Zwischenraum von 50 bis
100 Metern momentan durch Wellenthürme bezeichnet, ich sah sie in Schaum
und Flugwasfer zusammenstürzen, ich hörte das tolle Gerassel und Brausen
der Hügel bildenden Fluthen, der zurückprallenden Wasserwälle und der mit
riesiger Gewalt sich emporhebenden Wogen; dabei war zu beiden Seiten der
Uferrand, der aus einer langen Reihe zu Mauern aufgethürmter riesiger Fels-


über dem Ozean zeigte, und daß der Strom dagegen auf dem relativ so
kurzen Wege vom 17. bis zum 14. Längengrad, auf 38^ deutsche Meilen
Entfernung, 1100 Faß, d. h. beinahe bis zum Niveau des Meeresspiegel sällt.

Es kann nicht die Aufgabe dieses Berichtes sein, eingehend bei den außer¬
ordentlichen Anstrengungen zu verweilen, welche Stanley und seine Mann¬
schaft von Mitte Mürz an bis Ende Juli zur Ueberwindung dieser Natur¬
hindernisse anwenden mußten. Denn mit den kurzen Unterbrechungen, welche
dem Bootbau, der Ruhe und Erholung und — der Trauer über die schmerzlichen
Verluste gewidmet waren, ist diese ganze Zeit von 4^/z Monaten lediglich im
Kampfe mit Stromschnellen und Katarakten verbraucht morden! Für die
geographische Forschung im großen Stil ist diese an Mühen und Verlusten
reichste Zeit der Stanley'schen Expedition naturgemäß die ärmste; denn der
Kampf mit der übermächtigen Naturkraft absorbirt fast alle anderen Interessen.
Es genügt daher hier eine Aufzählung der wesentlichsten Thatsachen. Jene
stille Einsamkeit des mit tausend Waldinseln bedeckten Flusses, jene träumende
lautlose Wasserwilduiß, durch welche Stanley mit den Seinen viele hundert
Meilen weit gefahren, war wie durch Zauberkraft verwandelt in eiuen von
Felsenklippen eingefaßten meilenlangen Schlund, durch welchen der Livingstone
mit unbeschreiblicher Wuth seine schäumenden Wellen in den breiten Congo
hinabschleudert. Gleich der erste Katarakt, bei welchem von rechts her in zwei
Armen, zu beiden Seiten der Insel Dschuemba, der Fluß Gordon Beunett
140 Meter breit einströmt, war von schauerlicher Großartigkeit. „Man denke
sich einen vier Meilen langen und eine halbe Meile breiten Streifen des
Ozeans", sagt Stanley, „und lasse einen Orkan auf ihn wüthen, und man
wird von diesen hochaufspringenden Wogen einen ziemlich genauen Begriff er¬
halten. Einige der Wassertröge waren 100 Meter laug, und von dem einen
stürzte sich der rasende Strom in den andern. Zuerst rauschte das Wasser
auf einer schiefen Ebene in den Grund eines ungeheuren Troges hinunter und
dann hob sich blos durch die Wucht seines mechanischen Gewichts das enorme
Wasservolumen steil empor, bis es, zu einem förmlichen Bergrücken ange¬
sammelt, plötzlich sich sechs bis neun Meter hoch gerade emporschlenderte, bevor
es sich zum nächsten Troge hinabwälzte. Wenn ich ans dieses furchtbar wilde
Natnrschauspiel auf- und niederblickte, sah ich jeden Zwischenraum von 50 bis
100 Metern momentan durch Wellenthürme bezeichnet, ich sah sie in Schaum
und Flugwasfer zusammenstürzen, ich hörte das tolle Gerassel und Brausen
der Hügel bildenden Fluthen, der zurückprallenden Wasserwälle und der mit
riesiger Gewalt sich emporhebenden Wogen; dabei war zu beiden Seiten der
Uferrand, der aus einer langen Reihe zu Mauern aufgethürmter riesiger Fels-


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[0354] über dem Ozean zeigte, und daß der Strom dagegen auf dem relativ so kurzen Wege vom 17. bis zum 14. Längengrad, auf 38^ deutsche Meilen Entfernung, 1100 Faß, d. h. beinahe bis zum Niveau des Meeresspiegel sällt. Es kann nicht die Aufgabe dieses Berichtes sein, eingehend bei den außer¬ ordentlichen Anstrengungen zu verweilen, welche Stanley und seine Mann¬ schaft von Mitte Mürz an bis Ende Juli zur Ueberwindung dieser Natur¬ hindernisse anwenden mußten. Denn mit den kurzen Unterbrechungen, welche dem Bootbau, der Ruhe und Erholung und — der Trauer über die schmerzlichen Verluste gewidmet waren, ist diese ganze Zeit von 4^/z Monaten lediglich im Kampfe mit Stromschnellen und Katarakten verbraucht morden! Für die geographische Forschung im großen Stil ist diese an Mühen und Verlusten reichste Zeit der Stanley'schen Expedition naturgemäß die ärmste; denn der Kampf mit der übermächtigen Naturkraft absorbirt fast alle anderen Interessen. Es genügt daher hier eine Aufzählung der wesentlichsten Thatsachen. Jene stille Einsamkeit des mit tausend Waldinseln bedeckten Flusses, jene träumende lautlose Wasserwilduiß, durch welche Stanley mit den Seinen viele hundert Meilen weit gefahren, war wie durch Zauberkraft verwandelt in eiuen von Felsenklippen eingefaßten meilenlangen Schlund, durch welchen der Livingstone mit unbeschreiblicher Wuth seine schäumenden Wellen in den breiten Congo hinabschleudert. Gleich der erste Katarakt, bei welchem von rechts her in zwei Armen, zu beiden Seiten der Insel Dschuemba, der Fluß Gordon Beunett 140 Meter breit einströmt, war von schauerlicher Großartigkeit. „Man denke sich einen vier Meilen langen und eine halbe Meile breiten Streifen des Ozeans", sagt Stanley, „und lasse einen Orkan auf ihn wüthen, und man wird von diesen hochaufspringenden Wogen einen ziemlich genauen Begriff er¬ halten. Einige der Wassertröge waren 100 Meter laug, und von dem einen stürzte sich der rasende Strom in den andern. Zuerst rauschte das Wasser auf einer schiefen Ebene in den Grund eines ungeheuren Troges hinunter und dann hob sich blos durch die Wucht seines mechanischen Gewichts das enorme Wasservolumen steil empor, bis es, zu einem förmlichen Bergrücken ange¬ sammelt, plötzlich sich sechs bis neun Meter hoch gerade emporschlenderte, bevor es sich zum nächsten Troge hinabwälzte. Wenn ich ans dieses furchtbar wilde Natnrschauspiel auf- und niederblickte, sah ich jeden Zwischenraum von 50 bis 100 Metern momentan durch Wellenthürme bezeichnet, ich sah sie in Schaum und Flugwasfer zusammenstürzen, ich hörte das tolle Gerassel und Brausen der Hügel bildenden Fluthen, der zurückprallenden Wasserwälle und der mit riesiger Gewalt sich emporhebenden Wogen; dabei war zu beiden Seiten der Uferrand, der aus einer langen Reihe zu Mauern aufgethürmter riesiger Fels-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/354>, abgerufen am 05.02.2025.