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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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zu arrangiren weiß. So sehen wir auf der jetzigen Ausstellung ein Reiter-
Porträt des Grafen Lehndorff, des Generaladjutanten des Kaisers, und eine
Gruppe von Offizieren der Gardes-du-korps. Auf die kleinen Köpfe der
Porträtirten hat der Maler großen Fleiß verwendet, ohne in ängstliche Glätte
zu verfallen. Die koloristischen Schwierigkeiten, welche ihm eine Reihe gleich¬
artiger Uniformen verursuchten, hat er glücklich überwunden, und in der charakte¬
ristischen Darstellung der Pferde, welche nur das feine Auge des Sportsman
zu würdigen weiß, rivalisirt er erfolgreich mit Karl Steffeck, unserm Pferde¬
maler xar sxoollkiies, der in diesem Jahre ein Reiterporträt des Feldmarschalls
v. Manteuffel und ein paar Zigeunerknaben ausgestellt hat, die auf derben Klep¬
pern, ohne Sattel und Zaum, durch ein Gehölz galoppiren.

Während sonst Gustav Graef als Maler weiblicher Schönheiten Richter
am nächsten kam, hat ihm jetzt Fritz Paulsen den Rang abgelaufen. Das
Porträt einer jungen Frau in meergrüner Robe von der Hand dieses Malers,
der sich schon frühzeitig durch glücklich erfundene fein humoristische Genrebilder
bekannt gemacht, zeichnet sich ebensowohl durch eine vornehme, schlichte Auf¬
fassung wie durch geistige Belebung ans, während das Bildniß einer jungen
Dame in hellblauem Seidenkleide von Graef kaum mehr als eine rosig ange¬
hauchte Wachsmaske ist. Glücklicher ist diesmal Graef in dem Porträt eines
Herrn in den mittleren Jahren gewesen. Hier frappirt uns wieder die einfache,
charaktervolle Weise der alten Porträtmaler, die das Auge des Beschauers von
den Nebendingen immer wieder ans den Kopf zu lenken wußten und mit un¬
bestechlicher Treue, oft sarkastisch genug die Fäden des Charakters und der
Seele im Angesichte bloß legten. Man werfe nicht ein, daß der Maler kein
seelisches Leben ausdrücken könne, wo kein solches vorhanden sei. Man denke
nur an die kostbare Galerie feister, bornirter Mönche, welche der alte Holbein
einst im Se. Mrichskloster zu Augsburg mit flüchtigen Strichen konterfeit hat
und die nach vierhundert Jahren noch in unmittelbarer Lebendigkeit zu uns
sprechen. Heute hat freilich ein Modemaler genug mit der Bewältigung der
Atlasroben, Spitzen und Brillanten zu thun, auf deren Reproduktion im Grunde
von den Auftraggebern mehr gesehen wird, als auf eine richtige Zeichnung der
Hände und Arme und auf eine charakteristische Wiedergabe der Gesichtszüge.
Ich habe seit zehn Jahren noch auf keiner akademischen Ausstellung so viele
schlecht gezeichneten Hände und Arme gesehen wie auf der diesjährigen. Das
Studium des Nackten scheint vollends einseitigen koloristischen Bestrebungen
gegenüber an den Nagel gehängt worden zu sein. Wenn ich noch die tüchtig
gezeichneten und lebendig aufgefaßten Bildnisse zweier Knaben von Ziegler
und die Porträts zweier Damen von Schrödl erwähne, welche der Maler
a 1a David in ein griechisches Kostüm gesteckt und griechisch frisirt hat, die


Grenzboten IV. 1878. 4

zu arrangiren weiß. So sehen wir auf der jetzigen Ausstellung ein Reiter-
Porträt des Grafen Lehndorff, des Generaladjutanten des Kaisers, und eine
Gruppe von Offizieren der Gardes-du-korps. Auf die kleinen Köpfe der
Porträtirten hat der Maler großen Fleiß verwendet, ohne in ängstliche Glätte
zu verfallen. Die koloristischen Schwierigkeiten, welche ihm eine Reihe gleich¬
artiger Uniformen verursuchten, hat er glücklich überwunden, und in der charakte¬
ristischen Darstellung der Pferde, welche nur das feine Auge des Sportsman
zu würdigen weiß, rivalisirt er erfolgreich mit Karl Steffeck, unserm Pferde¬
maler xar sxoollkiies, der in diesem Jahre ein Reiterporträt des Feldmarschalls
v. Manteuffel und ein paar Zigeunerknaben ausgestellt hat, die auf derben Klep¬
pern, ohne Sattel und Zaum, durch ein Gehölz galoppiren.

Während sonst Gustav Graef als Maler weiblicher Schönheiten Richter
am nächsten kam, hat ihm jetzt Fritz Paulsen den Rang abgelaufen. Das
Porträt einer jungen Frau in meergrüner Robe von der Hand dieses Malers,
der sich schon frühzeitig durch glücklich erfundene fein humoristische Genrebilder
bekannt gemacht, zeichnet sich ebensowohl durch eine vornehme, schlichte Auf¬
fassung wie durch geistige Belebung ans, während das Bildniß einer jungen
Dame in hellblauem Seidenkleide von Graef kaum mehr als eine rosig ange¬
hauchte Wachsmaske ist. Glücklicher ist diesmal Graef in dem Porträt eines
Herrn in den mittleren Jahren gewesen. Hier frappirt uns wieder die einfache,
charaktervolle Weise der alten Porträtmaler, die das Auge des Beschauers von
den Nebendingen immer wieder ans den Kopf zu lenken wußten und mit un¬
bestechlicher Treue, oft sarkastisch genug die Fäden des Charakters und der
Seele im Angesichte bloß legten. Man werfe nicht ein, daß der Maler kein
seelisches Leben ausdrücken könne, wo kein solches vorhanden sei. Man denke
nur an die kostbare Galerie feister, bornirter Mönche, welche der alte Holbein
einst im Se. Mrichskloster zu Augsburg mit flüchtigen Strichen konterfeit hat
und die nach vierhundert Jahren noch in unmittelbarer Lebendigkeit zu uns
sprechen. Heute hat freilich ein Modemaler genug mit der Bewältigung der
Atlasroben, Spitzen und Brillanten zu thun, auf deren Reproduktion im Grunde
von den Auftraggebern mehr gesehen wird, als auf eine richtige Zeichnung der
Hände und Arme und auf eine charakteristische Wiedergabe der Gesichtszüge.
Ich habe seit zehn Jahren noch auf keiner akademischen Ausstellung so viele
schlecht gezeichneten Hände und Arme gesehen wie auf der diesjährigen. Das
Studium des Nackten scheint vollends einseitigen koloristischen Bestrebungen
gegenüber an den Nagel gehängt worden zu sein. Wenn ich noch die tüchtig
gezeichneten und lebendig aufgefaßten Bildnisse zweier Knaben von Ziegler
und die Porträts zweier Damen von Schrödl erwähne, welche der Maler
a 1a David in ein griechisches Kostüm gesteckt und griechisch frisirt hat, die


Grenzboten IV. 1878. 4
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[0029] zu arrangiren weiß. So sehen wir auf der jetzigen Ausstellung ein Reiter- Porträt des Grafen Lehndorff, des Generaladjutanten des Kaisers, und eine Gruppe von Offizieren der Gardes-du-korps. Auf die kleinen Köpfe der Porträtirten hat der Maler großen Fleiß verwendet, ohne in ängstliche Glätte zu verfallen. Die koloristischen Schwierigkeiten, welche ihm eine Reihe gleich¬ artiger Uniformen verursuchten, hat er glücklich überwunden, und in der charakte¬ ristischen Darstellung der Pferde, welche nur das feine Auge des Sportsman zu würdigen weiß, rivalisirt er erfolgreich mit Karl Steffeck, unserm Pferde¬ maler xar sxoollkiies, der in diesem Jahre ein Reiterporträt des Feldmarschalls v. Manteuffel und ein paar Zigeunerknaben ausgestellt hat, die auf derben Klep¬ pern, ohne Sattel und Zaum, durch ein Gehölz galoppiren. Während sonst Gustav Graef als Maler weiblicher Schönheiten Richter am nächsten kam, hat ihm jetzt Fritz Paulsen den Rang abgelaufen. Das Porträt einer jungen Frau in meergrüner Robe von der Hand dieses Malers, der sich schon frühzeitig durch glücklich erfundene fein humoristische Genrebilder bekannt gemacht, zeichnet sich ebensowohl durch eine vornehme, schlichte Auf¬ fassung wie durch geistige Belebung ans, während das Bildniß einer jungen Dame in hellblauem Seidenkleide von Graef kaum mehr als eine rosig ange¬ hauchte Wachsmaske ist. Glücklicher ist diesmal Graef in dem Porträt eines Herrn in den mittleren Jahren gewesen. Hier frappirt uns wieder die einfache, charaktervolle Weise der alten Porträtmaler, die das Auge des Beschauers von den Nebendingen immer wieder ans den Kopf zu lenken wußten und mit un¬ bestechlicher Treue, oft sarkastisch genug die Fäden des Charakters und der Seele im Angesichte bloß legten. Man werfe nicht ein, daß der Maler kein seelisches Leben ausdrücken könne, wo kein solches vorhanden sei. Man denke nur an die kostbare Galerie feister, bornirter Mönche, welche der alte Holbein einst im Se. Mrichskloster zu Augsburg mit flüchtigen Strichen konterfeit hat und die nach vierhundert Jahren noch in unmittelbarer Lebendigkeit zu uns sprechen. Heute hat freilich ein Modemaler genug mit der Bewältigung der Atlasroben, Spitzen und Brillanten zu thun, auf deren Reproduktion im Grunde von den Auftraggebern mehr gesehen wird, als auf eine richtige Zeichnung der Hände und Arme und auf eine charakteristische Wiedergabe der Gesichtszüge. Ich habe seit zehn Jahren noch auf keiner akademischen Ausstellung so viele schlecht gezeichneten Hände und Arme gesehen wie auf der diesjährigen. Das Studium des Nackten scheint vollends einseitigen koloristischen Bestrebungen gegenüber an den Nagel gehängt worden zu sein. Wenn ich noch die tüchtig gezeichneten und lebendig aufgefaßten Bildnisse zweier Knaben von Ziegler und die Porträts zweier Damen von Schrödl erwähne, welche der Maler a 1a David in ein griechisches Kostüm gesteckt und griechisch frisirt hat, die Grenzboten IV. 1878. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/29>, abgerufen am 05.02.2025.