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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Moral, her Staatsgesetze und der Verfassung verantwortlich ist." Nun, wenn
dieses Gesetz energisch gehandhabt wird, so ist gewiß alles Wünschenswerthe
damit zu erreichen. Daß die deutsche Schule in Polen, in Schleswig, in
Elsaß-Lothringen auf Widerstand stößt, dafür gibt der Verfasser einen Grund
an, der in seiner ganzen Lächerlichkeit nur dem klar wird, der in den erwähnten
Gegenden selbst gelebt hat und die Bevölkerung keunt. Nun habe ich das
zweifelhafte Glück genossen, sowohl uuter Polen wie in dem kleinen 28 Meilen
messenden Theil Nordschlesmig's gelebt zu haben, in dem überhaupt von einer
Opposition gegen die deutsche Schule die Rede ist; dieselbe ging von den be¬
zahlten dänischen Agenten und deren Publikum aus. In Polen kannte man
überhaupt vor zehn Jahren in diesem Sinne keine Opposition, diese danken
wir erst dem widerlichen Versuch der Pfaffen, den Verstand des 19. Jahrhunderts
zu ignoriren. Früher waren die polnischen Zöglinge ans den deutschen Schulen
nicht nur häufige, sondern bei den Lehrern sehr beliebte Schüler, da ihre große
geistige Beweglichkeit, wenn erst der edle Wissensdurst erweckt war, dem Lehrer
wirklich viel Freude machen konnte. Da muß man aufrichtig lachen, wenn
Herr B. in seiner Denkschrift sagt, daß die Opposition gegen die deutsche Schule
daher käme, daß sie nicht -- kosmopolitisch genng wäre, sie verbreitete nicht
in hinreichendem Maße jene Kenntnisse und Empfindungen, welche Gemeingut
der ganzen Welt seien. Da sieht man sofort den barfüßigen, ungekannten
Polaken, den eigensinnigen, so recht zum "Nörgeln" erschaffenen "Danske" mit
seinen Holzpantoffeln, wie ihnen die Schule nicht "kosmopolitisch" genug vor¬
kömmt! Um diese etwas dunklen Phrasen zu illustriren macht Herr B. unvor¬
sichtiger Weise noch einen Zusatz, und da kommt denn allerdings der Pferdefuß
ganz naiv zu Tage, und er verräth seinen geheimen Zorn. Er zitirt nämlich
aus den Reden jenes Pädagogen, der schon einmal seinen Zorn reizte, des
Prof. Thilo folgende -- meiner Ansicht nach, goldenen -- Worte: "Eine roma-
nisirende Jesuitenschule, eine französirende Dressiranstalt für die sogenannte
Kants-volvs find bei uns in Deutschland ebenso entehrende und einfältige
Einrichtungen, als es in Arabien, im Nedschdi-Lande, ein Gestüt für Berliner
Droschkeupferde sein würde!" Uwe illas laeriinak!

Indem der Verfasser das Resume seiner Studien über den deutschen
Schulunterricht gibt, gelaugt er schließlich zu dem Resultat, daß es für Frank¬
reich, wie er offen bekennt, infolge seiner Parteiwirthschaft unmöglich ist,
dieselben Wege einzuschlagen. Er sagt: "Man muß meiner Ansicht nach eine
Politische Thätigkeit und eine patriotische Wirksamkeit bei dem Schulunterricht
unterscheide!?. Ju Bezug ans diese erstere, politische Einwirkung der Schule
kann man sich keinen Augenblick täuschen, sie ist bei uns unmöglich, auch wenn
sie wünschenswert!) sein sollte. Unter dem ersten Kaiserreiche strebte man nach


Moral, her Staatsgesetze und der Verfassung verantwortlich ist." Nun, wenn
dieses Gesetz energisch gehandhabt wird, so ist gewiß alles Wünschenswerthe
damit zu erreichen. Daß die deutsche Schule in Polen, in Schleswig, in
Elsaß-Lothringen auf Widerstand stößt, dafür gibt der Verfasser einen Grund
an, der in seiner ganzen Lächerlichkeit nur dem klar wird, der in den erwähnten
Gegenden selbst gelebt hat und die Bevölkerung keunt. Nun habe ich das
zweifelhafte Glück genossen, sowohl uuter Polen wie in dem kleinen 28 Meilen
messenden Theil Nordschlesmig's gelebt zu haben, in dem überhaupt von einer
Opposition gegen die deutsche Schule die Rede ist; dieselbe ging von den be¬
zahlten dänischen Agenten und deren Publikum aus. In Polen kannte man
überhaupt vor zehn Jahren in diesem Sinne keine Opposition, diese danken
wir erst dem widerlichen Versuch der Pfaffen, den Verstand des 19. Jahrhunderts
zu ignoriren. Früher waren die polnischen Zöglinge ans den deutschen Schulen
nicht nur häufige, sondern bei den Lehrern sehr beliebte Schüler, da ihre große
geistige Beweglichkeit, wenn erst der edle Wissensdurst erweckt war, dem Lehrer
wirklich viel Freude machen konnte. Da muß man aufrichtig lachen, wenn
Herr B. in seiner Denkschrift sagt, daß die Opposition gegen die deutsche Schule
daher käme, daß sie nicht — kosmopolitisch genng wäre, sie verbreitete nicht
in hinreichendem Maße jene Kenntnisse und Empfindungen, welche Gemeingut
der ganzen Welt seien. Da sieht man sofort den barfüßigen, ungekannten
Polaken, den eigensinnigen, so recht zum „Nörgeln" erschaffenen „Danske" mit
seinen Holzpantoffeln, wie ihnen die Schule nicht „kosmopolitisch" genug vor¬
kömmt! Um diese etwas dunklen Phrasen zu illustriren macht Herr B. unvor¬
sichtiger Weise noch einen Zusatz, und da kommt denn allerdings der Pferdefuß
ganz naiv zu Tage, und er verräth seinen geheimen Zorn. Er zitirt nämlich
aus den Reden jenes Pädagogen, der schon einmal seinen Zorn reizte, des
Prof. Thilo folgende — meiner Ansicht nach, goldenen — Worte: „Eine roma-
nisirende Jesuitenschule, eine französirende Dressiranstalt für die sogenannte
Kants-volvs find bei uns in Deutschland ebenso entehrende und einfältige
Einrichtungen, als es in Arabien, im Nedschdi-Lande, ein Gestüt für Berliner
Droschkeupferde sein würde!" Uwe illas laeriinak!

Indem der Verfasser das Resume seiner Studien über den deutschen
Schulunterricht gibt, gelaugt er schließlich zu dem Resultat, daß es für Frank¬
reich, wie er offen bekennt, infolge seiner Parteiwirthschaft unmöglich ist,
dieselben Wege einzuschlagen. Er sagt: „Man muß meiner Ansicht nach eine
Politische Thätigkeit und eine patriotische Wirksamkeit bei dem Schulunterricht
unterscheide!?. Ju Bezug ans diese erstere, politische Einwirkung der Schule
kann man sich keinen Augenblick täuschen, sie ist bei uns unmöglich, auch wenn
sie wünschenswert!) sein sollte. Unter dem ersten Kaiserreiche strebte man nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/225>, abgerufen am 05.02.2025.