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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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dornige Blumenlese von solchen Akten der Selbsthilfe geben, wollen uns jedoch
darauf beschränken, zum Schluß noch einen Fall ausführlicher zu behandeln,
der insofern von besonderen Interesse ist, als hierbei das durch die Reichs-
exekutions-Ordnung vorgesehene letzte Mittel, dem Recht Geltung zu verschaffen,
die Ultimi ratio durch Waffengewalt, zur Anwendung kam.")

Was zunächst die Veranlassung zu solchem Exekutions-Verfahren anbetrifft,
so hatte im Anfang des zweiten Jahrzehnts vorigen Jahrhunderts der Land¬
graf von Hessen-Kassel wegen angeblicher Forderungen an Hessen-Rothenburg
die diesem Hause vertragsmäßig zugehörige Niedergrasschast Katzenellenbogen,
sowie die Festung Rheinfels, nicht nur in Besitz genommen, sondern auch die
Rothenburgischen Beamten gefänglich eingezogen und die Einwohner durch
übermäßige Einquartierungslast, sowie durch schwere Auflagen hart bedrängt.
Nachdem der Kaiser wiederholt zum friedlichen Ausgleich gemahnt, wurde
endlich im Jahre 1716 der Landgraf von Hessen-Kassel peremptorisch zur
Wiederherausgabe der unrechtmäßiger Weise in Besitz genommenen Landestheile,
resp, zur Räumung der Festung Rheinfels aufgefordert, eventuell ihm mit
Exekution gedroht. Die Aufforderung blieb jedoch ohne Erfolg. Nach ver¬
schiedenen mißglückter Versuchen, Kaiser und Stände günstiger für sich zu
stimmen, schickte endlich der Landgraf Ende des Jahres 1717 einen Abgesandten
nach Wien an den Kaiser mit der Bitte, ihn wenigstens so lange im Besitz von
Rheinfels und Zubehör zu lassen, bis festgestellt und ihm vergütet worden, was
er an Unkosten bereits für diese Festung verwendet habe. Dem Landgrafen
wurde jedoch unter dem 11. Januar 1718 von Kaiserlicher Majestät die
Resolution zu Theil, daß er "zur Vermeidung ohnfehlbarer Exekution, sich
nur in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu freiwilliger Abtretung, mit Vorbe¬
halt seiner suchend oder habenden Rechte, fügen möchte, weil sonst es Jhro
Kaiserliche Majestät vor Gott und dem Reich nicht verantworten könnten, mit
thätiger Hilfe dem klagenden Rheinfelsischen Landgrafen länger zu entstehen."
Da jedoch der Landgraf von Hessen-Kassel trotz dieser wiederholten eindringlichen
Aufforderung keine Miene machte, sich in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu
fügen, so wurde endlich mit der angedrohten Exekution Ernst gemacht.

Zunächst wurde der oberrheinische Kreis damit beauftragt, gleichzeitig
aber angeordnet, daß der kurrheinische, der obersüchsische, der westphälische
und fränkische Kreis ^uxlli^toria zu stellen haben. Einzelne der Stände
suchten sich jedoch der ihnen auferlegten Verpflichtung zu entziehen, wie aus
einem von dein Kaiser an den Kurfürsten von Sachsen gerichteten Mahn¬
schreiben hervorgeht. Es heißt daselbst am Schluß: "Nachdem wir aber ver-



*) Hierbei ist hauptsächlich das 'et,'to"trau Z!in'ox"eam als Quelle benutzt.

dornige Blumenlese von solchen Akten der Selbsthilfe geben, wollen uns jedoch
darauf beschränken, zum Schluß noch einen Fall ausführlicher zu behandeln,
der insofern von besonderen Interesse ist, als hierbei das durch die Reichs-
exekutions-Ordnung vorgesehene letzte Mittel, dem Recht Geltung zu verschaffen,
die Ultimi ratio durch Waffengewalt, zur Anwendung kam.")

Was zunächst die Veranlassung zu solchem Exekutions-Verfahren anbetrifft,
so hatte im Anfang des zweiten Jahrzehnts vorigen Jahrhunderts der Land¬
graf von Hessen-Kassel wegen angeblicher Forderungen an Hessen-Rothenburg
die diesem Hause vertragsmäßig zugehörige Niedergrasschast Katzenellenbogen,
sowie die Festung Rheinfels, nicht nur in Besitz genommen, sondern auch die
Rothenburgischen Beamten gefänglich eingezogen und die Einwohner durch
übermäßige Einquartierungslast, sowie durch schwere Auflagen hart bedrängt.
Nachdem der Kaiser wiederholt zum friedlichen Ausgleich gemahnt, wurde
endlich im Jahre 1716 der Landgraf von Hessen-Kassel peremptorisch zur
Wiederherausgabe der unrechtmäßiger Weise in Besitz genommenen Landestheile,
resp, zur Räumung der Festung Rheinfels aufgefordert, eventuell ihm mit
Exekution gedroht. Die Aufforderung blieb jedoch ohne Erfolg. Nach ver¬
schiedenen mißglückter Versuchen, Kaiser und Stände günstiger für sich zu
stimmen, schickte endlich der Landgraf Ende des Jahres 1717 einen Abgesandten
nach Wien an den Kaiser mit der Bitte, ihn wenigstens so lange im Besitz von
Rheinfels und Zubehör zu lassen, bis festgestellt und ihm vergütet worden, was
er an Unkosten bereits für diese Festung verwendet habe. Dem Landgrafen
wurde jedoch unter dem 11. Januar 1718 von Kaiserlicher Majestät die
Resolution zu Theil, daß er „zur Vermeidung ohnfehlbarer Exekution, sich
nur in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu freiwilliger Abtretung, mit Vorbe¬
halt seiner suchend oder habenden Rechte, fügen möchte, weil sonst es Jhro
Kaiserliche Majestät vor Gott und dem Reich nicht verantworten könnten, mit
thätiger Hilfe dem klagenden Rheinfelsischen Landgrafen länger zu entstehen."
Da jedoch der Landgraf von Hessen-Kassel trotz dieser wiederholten eindringlichen
Aufforderung keine Miene machte, sich in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu
fügen, so wurde endlich mit der angedrohten Exekution Ernst gemacht.

Zunächst wurde der oberrheinische Kreis damit beauftragt, gleichzeitig
aber angeordnet, daß der kurrheinische, der obersüchsische, der westphälische
und fränkische Kreis ^uxlli^toria zu stellen haben. Einzelne der Stände
suchten sich jedoch der ihnen auferlegten Verpflichtung zu entziehen, wie aus
einem von dein Kaiser an den Kurfürsten von Sachsen gerichteten Mahn¬
schreiben hervorgeht. Es heißt daselbst am Schluß: „Nachdem wir aber ver-



*) Hierbei ist hauptsächlich das 'et,'to»trau Z!in'ox»eam als Quelle benutzt.
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[0211] dornige Blumenlese von solchen Akten der Selbsthilfe geben, wollen uns jedoch darauf beschränken, zum Schluß noch einen Fall ausführlicher zu behandeln, der insofern von besonderen Interesse ist, als hierbei das durch die Reichs- exekutions-Ordnung vorgesehene letzte Mittel, dem Recht Geltung zu verschaffen, die Ultimi ratio durch Waffengewalt, zur Anwendung kam.") Was zunächst die Veranlassung zu solchem Exekutions-Verfahren anbetrifft, so hatte im Anfang des zweiten Jahrzehnts vorigen Jahrhunderts der Land¬ graf von Hessen-Kassel wegen angeblicher Forderungen an Hessen-Rothenburg die diesem Hause vertragsmäßig zugehörige Niedergrasschast Katzenellenbogen, sowie die Festung Rheinfels, nicht nur in Besitz genommen, sondern auch die Rothenburgischen Beamten gefänglich eingezogen und die Einwohner durch übermäßige Einquartierungslast, sowie durch schwere Auflagen hart bedrängt. Nachdem der Kaiser wiederholt zum friedlichen Ausgleich gemahnt, wurde endlich im Jahre 1716 der Landgraf von Hessen-Kassel peremptorisch zur Wiederherausgabe der unrechtmäßiger Weise in Besitz genommenen Landestheile, resp, zur Räumung der Festung Rheinfels aufgefordert, eventuell ihm mit Exekution gedroht. Die Aufforderung blieb jedoch ohne Erfolg. Nach ver¬ schiedenen mißglückter Versuchen, Kaiser und Stände günstiger für sich zu stimmen, schickte endlich der Landgraf Ende des Jahres 1717 einen Abgesandten nach Wien an den Kaiser mit der Bitte, ihn wenigstens so lange im Besitz von Rheinfels und Zubehör zu lassen, bis festgestellt und ihm vergütet worden, was er an Unkosten bereits für diese Festung verwendet habe. Dem Landgrafen wurde jedoch unter dem 11. Januar 1718 von Kaiserlicher Majestät die Resolution zu Theil, daß er „zur Vermeidung ohnfehlbarer Exekution, sich nur in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu freiwilliger Abtretung, mit Vorbe¬ halt seiner suchend oder habenden Rechte, fügen möchte, weil sonst es Jhro Kaiserliche Majestät vor Gott und dem Reich nicht verantworten könnten, mit thätiger Hilfe dem klagenden Rheinfelsischen Landgrafen länger zu entstehen." Da jedoch der Landgraf von Hessen-Kassel trotz dieser wiederholten eindringlichen Aufforderung keine Miene machte, sich in deutsch-patriotischer Gelassenheit zu fügen, so wurde endlich mit der angedrohten Exekution Ernst gemacht. Zunächst wurde der oberrheinische Kreis damit beauftragt, gleichzeitig aber angeordnet, daß der kurrheinische, der obersüchsische, der westphälische und fränkische Kreis ^uxlli^toria zu stellen haben. Einzelne der Stände suchten sich jedoch der ihnen auferlegten Verpflichtung zu entziehen, wie aus einem von dein Kaiser an den Kurfürsten von Sachsen gerichteten Mahn¬ schreiben hervorgeht. Es heißt daselbst am Schluß: „Nachdem wir aber ver- *) Hierbei ist hauptsächlich das 'et,'to»trau Z!in'ox»eam als Quelle benutzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/211>, abgerufen am 05.02.2025.